Geschützt, getrotzt und gerettet

Vor Hochwasser geschützt, in der NS-Zeit hart umkämpft und vor der Entwidmung gerettet: Die Pauluskirche ist unsere Kirche des Monats November.


Vor Hochwasser geschützt, in der NS-Zeit hart umkämpft und vor der Entwidmung gerettet: Die Pauluskirche hat eine ganz besondere Geschichte. Sie ist unsere „Kirche des Monats“ November.

Die Wupper ist ein recht kleiner Fluss, aber auch der kann zu einem reißenden Strom werden. Dem Architekten Gerhard August Fischer war das schon Ende des 19. Jahrhunderts bewusst und so setzte er das Kirchenschiff des neoromanisch gehaltenen Backsteinbaus einfach um ca. 1,5 Meter höher. Auf diese Weise konnte das Wasser der Wupper keinen Schaden anrichten. Das Kellergewölbe wurde mit Erd- und Lehmboden aufgefüllt.

Doch das ist nicht die einzige Besonderheit der am 24. Oktober 1882 eingeweihten Pauluskirche der Gemeinde Unterbarmen, deren Mitglieder sich zuvor in einem umgebauten Pferdestall trafen. Statt ihn als zweite Gottesdienststätte neben der Unterbarmer Hauptkirche auszubauen, entschieden sie sich für den Bau einer neuen Kirche direkt an der Wupper.

Von den Deutschen Christen besetzt

„Unter den Wuppertaler Kirchen nimmt die Pauluskirche eine Sonderrolle ein“, meint die Archivarin des evangelischen Kirchenkreises, Anke Westermann, und zitiert aus einem Artikel zum 175-jährigen Gemeindejubliäum im Jahr 1997: „Jede Kirche hat ihren besonderen Wert, doch die Pauluskirche ist bemerkenswerter und facettenreicher als viele andere.“

Das gilt vor allem für ihre Geschichte im Nationalsozialismus. Denn ab 1935 wurde sie zum Schauplatz der Auseinandersetzungen zwischen deutsch-christlichen Gemeindegliedern und dem Presbyterium, das der Bekennenden Kirche nahestand.

Innenraum der Pauluskirche: Den wollten 1935 die Deutschen Christen nutzen.

Die „Deutschen Christen“ stellten mehrfach beim Presbyterium den Antrag, die Pauluskirche für Gottesdienste, Bibelstunden, Konfirmandenarbeit nutzen zu wollen. Diese Anträge wurden stets abgelehnt. Auch auf Einschaltung der Provinzialkirche hin blieb man standhaft.

Mit dem Brecheisen in die Kirche

„Die dann folgenden Ereignisse sind für die Kirchengeschichte im Tal einmalig und erschreckend“, erzählt die Archivarin. Am 28. Juni 1936 wurde die Pauluskirche in den frühen Morgenstunden von den „Deutschen Christen“ gewaltsam geöffnet, um dort Gottesdienst zu feiern. Weitere Einbrüche folgten, Nachschlüssel wurden verteilt. Die „Deutschen Christen“ hatten sich widerrechtlich die Kirche zu eigen gemacht.

„Im Juli 1936 wurde die Kirche – nachdem sie vom Presbyterium stärker gesichert war – sogar mit einem Brecheisen geöffnet“, berichtet Anke Westermann. „Kurze Zeit später verfügte der Polizeipräsident die Schließung der Kirche für sämtliche Gottesdienste.“ Eine Beschwerde des Presbyteriums beim Regierungspräsidenten war erfolglos. Die einzige Möglichkeit, weiterhin Gemeinde-Gottesdienste abhalten zu dürfen, war die Öffnung für die „Deutschen Christen“. „Die Gemeinde entschied sich damals vehement dagegen und feierte ihre Gottesdienste einfach nicht mehr in der Kirche, sondern im Gemeindehaus.“

Von der Haupt- zur Randfigur

Den Zweiten Weltkrieg überstand die Pauluskirche laut Anke Westermann – im Gegensatz zu vielen anderen Kirchen entlang der Talsohle – schadlos. Mit dem Wiederaufbau der Stadt habe sich allerdings die Bedeutung der Kirche geändert, so die Archivarin. Städteplanung, Ansiedlung von größerer Industrie und Rückgang der Einwohnerzahlen im Bezirk ließen sie eher zu einer „Randfigur“ werden. „Bis heute rauscht der Verkehr der B 7 an der Pauluskirche vorbei.“

Zur „Umnutzung“ der Pauluskirche gehört der Büchermarkt.

Nach Gemeindeteilungen, Wieder-Vereinigungen und der Unterbarmer Hauptkirche als zentraler Kirche mussten neue Nutzungskonzepte für die unter Denkmalschutz stehende Kirche her. Eine Gruppe von engagierten Mitgliedern suchte nach Lösungen, um die Pauluskirche als Gottesdienststätte zu erhalten.

Ein Freundeskreis rettet die Kirche

1995 gründete sich der „Freundeskreis Pauluskirche Unterbarmen e. V.“, der die Kirche bis heute in vielfältiger Weise „bespielt“. So wurde sie an die Bergische Universität vermietet, die sie als Hörsaal nutzte. Pina Bausch führte hier Schillers Wallenstein auf. Es gab jede Menge Konzerte und Lesungen, die Geld in die Kirchkasse brachten.

Und dann kam die Idee mit dem Büchermarkt dazu. Seit 2001 findet er jeden Monat – mit Ausnahme des Januars – statt. So auch in diesem November am Freitag (0811.) und Samstag (09.11.). „Die Pauluskirche ist zu einem vielfältigen Kultur- und Begegnungsort geworden und zeigt eindrücklich, dass ehrenamtliches Engagement eine Kirche retten kann“, sagt Anke Westermann.

Kirchenmusikkalender

In 2024 erscheinen als Ergänzung zum immerwährenden Kalender „Evangelische Klangräume in Wuppertal“ Texte zu den jeweiligen Kirchen des Monats auf der Webseite des Referates Kirche, Kultur und Musik. Der Kalender kostet 15 Euro. Er kann unter

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