Hohe Haftstrafen im Verfahren um das zu Tode misshandelte Kleinkind in Solingen

Im Verfahren um das zu Tode misshandelte Kleinkind in Solingen sind die Mutter und deren damaliger Lebensgefährte zu Haftstrafen verurteilt worden.

Die 3. große Strafkammer (als 2. Schwurgerichtskammer) des Landgerichts Wuppertal hat heute (12.10.2018) das Urteil gegen die Mutter eines zur Tatzeit nur zwei Jahre und zehn Monate alten Kleinkindes sowie gegen deren damaligen Lebensgefährten verkündet. Den zur Tatzeit 18 Jahre alten Lebensgefährten hat die Kammer als Haupttäter unter Anwendung von Jugendstrafrecht wegen Mordes unter Einbeziehung einer Strafe aus einem früheren Urteil zu einer Einheitsjugendstrafe von 13 Jahren und sechs Monaten verurteilt. Nach den Feststellungen des Gerichts war es der männliche Angeklagte, der das Kind körperlich schwer misshandelt und ihm schließlich die tödlichen Verletzungen zugefügt hat. Unmittelbar todesursächlich soll gewesen sein, dass der Angeklagte das Kind stranguliert habe.

Allerdings seien auch die von ihm beigefügten, durch stumpfe Gewalteinwirkung an sämtlichen Stellen des Körpers hervorgerufenen inneren Verletzungen geeignet gewesen, den Tod des Kindes hervorzurufen. Die Einlassung des Angeklagten, er habe das Kind zwar geschlagen, es aber nicht tödlich verletzt und sei zu diesen Handlungen durch die mitangeklagte Mutter gezwungen worden, wies die Kammer in der mündlichen Urteilsbegründung zurück. In Anbetracht der gegenteiligen Einlassung der Mutter, deren weitgehende Richtigkeit durch objektive Indizien gestützt würde, wirke die Einlassung geradezu wie an den Haaren herbeigezogen. Mit ihrem Strafausspruch blieb die Kammer nur ein Jahr und sechs Monate unterhalb der möglichen Höchststrafe.

Dabei nutzte die Kammer bereits den erweiterten und lediglich unter engen Voraussetzungen anwendbaren Strafrahmen von bis zu 15 Jahren Jugendstrafe. Dieser ist nur dann anwendbar, wenn es sich bei dem Angeklagten um einen Heranwachsenden (vollendetes 18. bis vollendetes 21. Lebensjahr) handelt, der Schuldspruch auf Mord lautet und eine besondere Schwere der Schuld vorliegt. Dies nahm die Kammer an.

Die zur Tatzeit 24-jährige Mutter verurteilte die Kammer wegen schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen in einem minderschweren Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung durch Unterlassen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. Die Kammer vermochte nach der Beweisaufnahme nicht festzustellen, dass die Angeklagte damit gerechnet hätte, dass ihr Kind in ihrer Abwesenheit, nachdem sie die Wohnung verlassen habe, durch die zugefügten oder weitere mögliche Misshandlungen des Mitangeklagten zu Tode kommen könnte.

Im Rahmen der Strafzumessung hielt die Kammer der Angeklagten zu Gute, dass sie mit ihrer geständigen Einlassung an der Aufklärung der Tat mitgewirkt habe. Eine Möglichkeit, die Strafe in der Höhe so zu bemessen, dass eine Strafaussetzung zur Bewährung in Betracht gekommen wäre, sah die Kammer nicht. Dies sei im vorliegenden Fall nicht angemessen. Die Urteile sind nicht rechtskräftig. Die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft können binnen einer Frist von einer Woche Revision hiergegen einlegen, über die der Bundesgerichtshof zu entscheiden hätte.

Landgericht Wuppertal – 23 KLs 6/18 Staatsanwaltschaft Wuppertal – 45 Js 5/18 Relevante Gesetzestexte: § 105 Jugendgerichtsgesetz (JGG) – Anwendung des Jugendstrafrechts auf Heranwachsende Landgericht Wuppertal .

(1) Begeht ein Heranwachsender eine Verfehlung, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist, so wendet der Richter die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften der §§ 4 bis 8, 9 Nr. 1, §§ 10, 11 und 13 bis 32 entsprechend an, wenn 1. die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, daß er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, oder

2. es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt. (2) § 31 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 ist auch dann anzuwenden, wenn der Heranwachsende wegen eines Teils der Straftaten bereits rechtskräftig nach allgemeinem Strafrecht verurteilt worden ist.

(3) 1Das Höchstmaß der Jugendstrafe für Heranwachsende beträgt zehn Jahre. 2Handelt es sich bei der Tat um Mord und reicht das Höchstmaß nach Satz 1 wegen der besonderen Schwere der Schuld nicht aus, so ist das Höchstmaß 15 Jahre.

Quelle:  Arnim Kolat

Richter am Landgericht Wuppertal

Pressedezernent

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