Mark Sieczkarek: Tanzen ist seine Berufung
Der Tanz ist seine große Liebe – das merkt man, wenn er über das Tanzen spricht und das merkt man erst recht, wenn Mark Sieczkarek tanzt. Sehr viel Persönliches fließt in seine Choreografien ein, die stets eine Einladung an das Publikum sind, ihm in seine Welt zu folgen.Vor über 20 Jahren ist er nach Wuppertal gekommen um mit Pina Bausch zu arbeiten, seitdem hängt er an dieser Stadt und wünscht sich ein festes Ensemble sowie endlich ein Tanzhaus für die bergische Metropole.
Foto: Ursula Kaufmann, Tänzer: Jeong Lee, Mark Sieczkarek in „Moon Song“
Mark Sieczkarek mag es nicht auf der Bühne Geschichten zu erzählen. Vielmehr bietet er dem Zuschauer durch Fragmente und Andeutungen an, selbst auf Entdeckungsreise zu gehen und für sich eine Bedeutung zu erschließen. „Für mich ist die Bühne eine andere Welt und mein Tanz eine Einladung an den Zuschauer mir in diese Welt zu folgen.“ Und es fällt nicht schwer ihm zu folgen, denn schnell ist man als Zuschauer mittendrin im Stück – mitgerissen, mitfühlend, mitleidend. Auf beeindruckende Weise schafft es der Choreograf und Tänzer das Publikum mitzunehmen und jeder entwickelt dabei seine eigene Geschichte und Bedeutung. Was aber nicht heißt, dass Mark Sieczkarek bei der Erarbeitung seiner Stücke keine Geschichte im Kopf hat. Seine Arbeiten sind sehr persönlich, spiegeln seine persönliche, aber auch seine professionelle Entwicklung wider. So seien seine Stücke mittlerweile leichter geworden, wie er sagt, und befassen sich mit eher positiven Emotionen. Er habe aber eben auch dunkle Momente gehabt, in denen Stücke entstanden sind, die viel schwerer zugänglich sind als beispielsweise „Moon Song“, in dem es um die Fragilität von Beziehungen geht.
Raum für kreative Energie
Getanzt hat Mark Sieczkarek eigentlich schon immer. So, wie Yehudi Menuhin bereits in ganz jungen Jahren wusste, dass er Geige spielen muss, erging es ihm mit dem Tanz, der für ihn zum ständigen Begleiter werden sollte. Schon früh war ihm klar: Tanzen ist seine Berufung und seine große Liebe. Er absolvierte eine klassische Ballettausbildung an der renommierten Royal Ballett School in London, bevor er zum modernen Tanz kam. Sein Drang, Dinge zu erschaffen, war von jeher so groß, dass er nebenbei anfing zu malen, zu zeichnen und auch zu schreiben. Sogar für Modedesign hat er sich bereits als Kind interessiert. „Ich habe diese kreative Energie und wenn sie nicht rauskommt, geht es mir nicht gut,“ sagt er heute. Und so kann er auch nicht einfach „nur“ beim Tanzen und Choreografieren bleiben, sondern kümmert sich vielfach höchstpersönlich auch um die Kostüme und das Bühnenbild für seine Stücke. Dabei entstehen sehr aufwendige und präzise, detaillierte und filigrane Dekorationen, in die er viel Zeit und Energie steckt. Für ihn seien diese Arbeiten wie eine Meditation, so der Buddhist, und er mag es, wenn dadurch die ganze Inszenierung wie aus einem Guss wirkt. Mit ein Grund für diese ganzheitliche Arbeitsweise ist allerdings auch das Geld. Denn Sieczkarek hat konkrete Vorstellungen für die Umsetzung seiner Ideen im Kopf, aber leider oft nicht die finanziellen Mittel, um diese entsprechend realisieren zu lassen.
Foto: Ursula Kaufmann, Tänzer: Jeong Lee, Mark Sieczkarek in „Moon Song“
Traum vom festen Ensemble und Tanzhaus in Wuppertal
Mit der Mark Sieczkarek Company, die seit 1998 besteht, hat sich der gebürtige Schotte zwar den Traum erfüllt, als freischaffender Tänzer und Choreograph eigene Wege zu gehen, dennoch bedauert er die ungünstigen Bedingungen – und meint damit nicht in erster Linie das Geld. Vielmehr geht es ihm um die Zusammenarbeit, denn für jedes Stück muss er sich die Tänzer suchen. Durch seine guten Kontakte zur Folkwang Schule in Essen – am Folkwang Studio hat Sieczkarek nach seiner Zeit bei Pina Bausch getanzt – findet er dort oft die richtigen Tänzer für seine Ideen. Dabei verzichtet er übrigens auf ein Vortanzen und führt lieber Gespräche um sicher zu gehen, dass die Tänzer wirklich mit ihm zusammenarbeiten wollen. Die Möglichkeiten, in der freien Szene geeignete Tänzer zu finden, sind allerdings begrenzt, da die guten Tänzer meist in festen Ensembles zu finden sind. Und das Suchen danach für jedes Stück ist aufreibend. Deshalb ist sein großer Wunsch, irgendwann ein eigenes festes Ensemble unterhalten und somit ein Team um sich haben zu können, mit dem er all seine Vorstellungen umsetzen sowie seine Stücke entwickeln kann und einfach viel mehr Möglichkeiten hätte. Denn so, wie er die Zuschauer ins fertige Stück einbezieht, involviert er die Tänzer in die Entstehung und erarbeitet das Stück mit ihnen zusammen. Und dazu braucht es natürlich eine Vertrauensbasis sowie ähnliche Arbeitsweisen, die sich in einem festen Ensemble besser und dauerhafter entwickeln können. Weiterhin als ungünstig erachtet Mark Sieczkarek, dass seine Company – wie so viele andere freischaffende Tänzer – in Wuppertal keine Heimat hat und somit das Publikum zumeist überschaubar bleibt. Er spricht sich klar für ein Tanzhaus aus, mit dem Tanz-Begeisterte eine zentrale Anlaufstelle hätten und ein Tanz-Publikum aufgebaut werden könnte. Vielleicht ergibt sich ja etwas aus der unsicheren Zukunft des Schauspielhauses?
Foto: Ursula Kaufmann, Tänzer: Jeong Lee, Mark Sieczkarek in „Moon Song“
Wuppertal hat eine besondere Energie
Aus Wuppertal weggehen möchte Mark Sieczkarek nur sehr ungern – obgleich er es tun würde, wenn er irgendwo die Chance erhielte mit einem festen Ensemble an einem festen Haus zu arbeiten. Aber die Stadt ist ihm ans Herz gewachsen. Seit über 20 Jahren lebt der 1962 in Inverness/Schottland Geborene in Deutschland, viele Jahre davon, mit Unterbrechung, in Wuppertal. Hergekommen ist er 1985 um mit Pina Bausch zu arbeiten, seitdem bestanden enge Kontakte beruflicher wie privater Natur in die bergische Metropole, so dass er schließlich wieder hierher zog. Als Tänzer und Choreograph ist er immer viel unterwegs und es ist schwierig sich irgendwo zu Hause zu fühlen, aber: „Jetzt ist Wuppertal mein Zuhause und das fühlt sich gut an,“ fasst er zusammen, was die Stadt ihm bedeutet. So sei auch seine Zeit in Essen angenehm gewesen, aber hier gefalle es ihm besser. Und in Düsseldorf wolle er zum Beispiel keinesfalls leben. Wuppertal habe eine besondere Energie, betont er, gerade weil es nicht perfekt ist. Er mag die vielen kleinen eigenständigen Viertel, kleine Städte in der Großstadt, wie beispielsweise die Nordstadt, wo er lebt. Hier geht es ihm gut – und das sind die besten Voraussetzungen seine Kreativität fließen zu lassen und neue Choreografien zu erarbeiten.
Premiere in Wuppertal
Im Schnitt entwickelt Mark Sieczkarek ein neues Stück pro Jahr; wenn beispielsweise ein Festival ansteht, wie zuletzt Tanz.NRW, kann es auch schon mal ein weiteres Stück zusätzlich sein. Seine Herangehensweise ist unterschiedlich, immer jedoch lässt er sich von seinem Bauchgefühl leiten. Manchmal hat er ein Konzept im Kopf, wenn er mit der Erarbeitung eines Stücks beginnt, aber genauso kann es sein, dass er zusammen mit seinen Tänzern bei Null anfängt und das Stück erst in der Zusammenarbeit Gestalt annimmt. In Kürze wird er mit seinem neuen Stück beginnen; Premiere wird – natürlich – in Wuppertal sein. Mitte Oktober soll es so weit sein, dann wird Die Börse ein weiteres Mal den Gastgeber für die Mark Sieczkarek Company geben. Dann wird der sympathische Schotte erneut seine Zuschauer verzaubern und in eine andere Welt entführen. Und dann wird ihn auf der Bühne vielleicht sogar ein Lächeln aus dem Publikum erreichen. Verdient hätte er es.
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