„Ohne Leidenschaft kommt man nicht weit.“
Daniela Althaus
Die geborene Osnabrückerin Daniela Althaus kann sich noch ziemlich genau daran erinnern, wann sie ihre Vorliebe für Unterirdisches entdeckte: „Als ich als Kind mit meinen Eltern verreist war, habe ich mir viele Höhlen angesehen und war fasziniert von dieser Welt dort unten, von der kühlen Luft und den facettenreichen Gewölben.“
In Wuppertal, wo sie seit 2008 lebt, kann sie ihrer Leidenschaft heute besonders intensiv nachgehen: „Die Stadt ist ja im Zweiten Weltkrieg nicht ohne Grund enorm bombardiert worden. Es gab hier unterirdische Rüstungsfabriken, von denen man noch einige entdecken kann.“ In Geschichtsbüchern tauche dieses Kapitel selten auf und kaum jemand habe es sich zur Aufgabe gemacht, diesen Teil der Vergangenheit aufzuarbeiten. „Ich wollte diese Lücke füllen“, sagt die 41jährige.
Daniela Althaus im Luftschutzbunker unter dem Neumarkt.
Selbst die Funktion unübersehbarer überirdischer Anlagen wie des Winkelturms, einer Luftschutzanlage im Stadtteil Ostersbaum, sei vielen kaum bewusst. Es verwundert daher nicht, dass die kriegerische Vergangenheit von Einrichtungen wie des Schee-Tunnels, der in der Nazi-Zeit von der Organisation Todt den Decknamen „Kauz“ erhielt und als Produktionsstätte für Flugzeugteile diente, nur wenigen bekannt ist. Die beiden Röhren seien nur wegen der dort beheimateten Fledermauspopulation in die Schlagzeilen geraten, erklärt Daniela Althaus, doch es fehle jeder Hinweis auf die Nutzung als Fabrikationsanlage während des letzten Krieges. Sie fordert eine Hinweistafel: „Man kann doch nicht einfach mit dem Fahrrad durch diesen Tunnel, der ja zur Nordbahntrasse gehört, fahren, ohne zu wissen, was da früher passiert ist“, stellt sie mit Nachdruck fest. Neben den Tunneln weise die Stollenliste der Stadt Wuppertal über dreihundert Anlagen aus, von denen überirdisch oft nur ein kleiner Einstiegsschacht zu sehen ist. „Luftschutzkeller oder –stollen hat es in fast jeder größeren Straße gegeben. Viele sind aber im Lauf der Zeit zugeschüttet oder verbaut worden“, weiß Daniela Althaus.
Vielen Wuppertaler wissen kaum etwas über die unterirdischen Anlagen.
Bei der Erforschung von Wuppertals unsichtbarer Welt legt sie großen Wert darauf, dass alles seine Ordnung hat: „Bevor ich irgendwo einsteige, frage ich bei den Eigentümern um Erlaubnis. Illegale Sachen werden auf keinen Fall gemacht.“ Von Vandalen, die unter Tage Müll oder Graffitis hinterlassen, distanziert sie sich ebenso entschieden wie von Schatzsuchern oder ewig Gestrigen mit einer fragwürdigen politischen Orientierung.
Dass die Aktivitäten von Daniela Althaus einer größeren Zahl von Wuppertalern bekannt wurden, liegt vor allem an ihrer Facebook-Seite, der inzwischen rund 1.500 Menschen folgen. „Ich kriege unwahrscheinlich viele E-Mails. Leute, die meine Fotos sehen, fragen mich oft, ob ich sie einmal mitnehmen oder eine Führung machen kann. Ich kann das aber nicht, weil das einfach zu gefährlich wäre. Ich will versuchen, einen Verein zu gründen, um in Zukunft Haftungsfragen besser regeln zu können.“ Der bekannte Verein Berliner Unterwelten, mit dem Daniela Althaus auch schon unterwegs war, ist ihr großes Vorbild.
Latrinenanlage unter dem Nützenberg.
Wo sich die von ihr erforschten und mit der Kamera stimmungsvoll in Szene gesetzten Gewölbe befinden, behält sie in der Regel für sich. Ausnahmen sind die bekannten Bunker wie etwa der unter dem Neumarkt („Dort bin ich schon fast zuhause“), wo sie bereits mit der Pina Bausch Foundation oder der WZ unterwegs war. In der alten Luftschutzanlage sei die Zeit stehen geblieben, schwärmt Daniela Althaus. „Dort ist alles noch so wie damals, sogar die alten Inschriften sind noch erhalten.“ Neben diesen riesigen Bauwerken sind noch viele kleine Luftschutzeinrichtungen erhalten, die heute oft von den Wuppertaler Stadtwerken verwaltet und teilweise noch genutzt werden.
Ihre Touren unternimmt die gelernte Rechtsanwalts- und Notarsgehilfin nie alleine. Die Gefahr, weiß sie, wäre viel zu groß: „Vieles ist ja nicht so einfach zugänglich. Ich habe deshalb immer erfahrene Begleiter aus meinem Freundeskreis dabei.“ Obwohl Wuppertal im Zentrum ihres Interesses liegt, unternimmt sie mit Gleichgesinnten auch Touren in den Harz oder ins Sauerland.
Selbst in den großen Tunneln gibt es keine Hinweistafeln, die über die Vergangenheit informieren.
Viele der fast vergessenen Bauwerke sollten unbedingt erhalten werden, findet Daniela Althaus, auch wenn sie natürlich um die finanzielle Lage der Stadt weiß. Vor allem in den Tunneln, in denen die Relikte der kriegerischen Vergangenheit hier und da noch sichtbar seien, könnten Führungen angeboten werden. „Das wäre wichtig, um den Menschen hier die Geschichte der Zwangsarbeit in der NS-Zeit und der Bombardierung zu erklären.“ Ihr eigenes Wissen um die verhängnisvolle Historie von Bunkern, Stollen und Tunneln hat sie sich im Stadtarchiv und im Militärarchiv in Freiburg angeeignet. „Das ist zwar aufwändig und kostspielig, aber ohne Leidenschaft kommt man nicht weit, denn viele Zeitzeugen, die man fragen könnte, sind ja nicht mehr da.“
Hin und wieder entdeckt Daniela Althaus auf ihren Touren Überbleibsel aus der Vergangenheit. In einem Luftschutzstollen, in dem sie nur fotografieren wollte, fand sie einmal eine scharfe Handgranate aus dem Zweiten Weltkrieg. „Was mir sehr ans Herz geht sind die persönlichen Dinge von ehemaligen Zwangsarbeitern, die man manchmal findet, wie zum Beispiel Reste von Schuhen. Ich habe auch schon Haarspangen von Frauen oder Glasmurmeln von Kindern entdeckt, die früher dort gespielt haben.“
>> Facebookseite „Wuppertal untertage“
>> Homepage von Daniela Althaus
____________________
Fotos: Daniela Althaus
Weiter mit:
Faszinierend.
Ganz lieben Dank an Georg Sander und die njuuz Redaktion für das Interesse. Das Feedback ist enorm im Moment, was mich sehr motiviert weiterzumachen. Ich möchte nur eins richtig stellen: die gefundene Handgranate wurde nicht in einem Tunnel gefunden, sondern in einem alten Luftschutzstollen. LG schlufine ^^
Danke für den Hinweis. Habe den Fehler korrigiert.