Schule als Ort der Begegnung

Erschöpfte Schüler, überforderte Lehrer: Zum Schulstart überwiegen die negativen Schlagzeilen. Zu Unrecht, meint Schulreferentin Beate Haude.


Erschöpfte Schüler, überforderte Lehrer: Zum Schulstart in dieser Woche überwiegen die negativen Schlagzeilen. Zu Unrecht, meint Schulreferentin Beate Haude. Besonders der Religionsunterricht kann ein Ort der Begegnung sein, in dem Raum für Sorgen und Fragen ist.

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Überall ist gerade zu lesen, dass unsere Schulen in der Krise stecken – und mit ihr die Schüler:innen und Lehrkräfte. Wie dramatisch ist die Situation?

Beate Haude: Nach wie vor gibt es einen eklatanten Mangel an Lehrkräften und eine Vielzahl von Schüler:innen, die mehr individuelle Förderung und Unterstützung benötigen. Zudem leiden laut einer aktuellen Krankenkassen-Studie (s. Infokasten) mittlerweile drei Viertel der Schulkinder unter Krisenängsten, fühlen sich erschöpft und einsam. Das ist besorgniserregend.

Die derzeitigen Kriege und Katastrophen auf unserer Erde machen ratlos und wütend. Und sie zwingen viele Kinder und Jugendliche in ihre eigenen virtuellen Welten, Serien und Spiele, in denen man davon nicht viel mitbekommt. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass Schulen nach wie vor Orte der Begegnung sind. Streit, Hass und miese Stimmung mag es in der Schule geben – aber es gibt dort auch Glück, Vertrauen und Halt.

Welche Rolle kann der Religionsunterricht im Hinblick auf die Krisenängste der Schülerinnen und Schüle spielen?

Beate Haude: Der Religionsunterricht, wie wir ihn kennen, trägt zu Toleranz, Rücksicht und problemlösender Bildung bei – ganz gleich, ob die Schülerinnen und Schüler sich als religiös empfinden oder nicht. Krisenangst ist aus meiner Sicht nicht pathologisch, sondern leider völlig realistisch.

Im Religionsunterricht darf Ohnmacht zugegeben werden.

Es ist unbezahlbar, ein Unterrichtsfach zu haben, in dem so eine Ohnmacht offiziell zugegeben werden und zu Wort kommen darf.

Viele Schülerinnen und Schüler können aber mit Religion, Kirche und Glaube nicht mehr viel anfangen. Was heißt das für den Religionsunterricht?

Beate Haude: Gelebte Religion im Schulalltag wird manchmal nicht als Ausdruck der Vielfalt, sondern auch als Indoktrinierung gesehen. Dann nämlich, wenn aktiv missioniert wird, die Religion des Anderen herabgewürdigt wird. Wenn dies von Schüler:innen skeptisch gesehen wird, finde ich das durchaus ermutigend. Das heißt aber nicht, dass religiöse Bildung und auch das Leben der eigenen Religiosität verschwinden soll. Der Religionsunterricht ist deshalb ein wichtiges Fach. Er soll nicht indoktrinieren, ganz klar. Aber er darf authentische religiöse Lebensäußerungen zur Bildung aller einbringen.

Wie konkret kann er dabei werden?

Beate Haude: Für mich gehört das Einladen und Besuchen von Fachleuten aus Kirche und Gemeinde durchaus in den Unterricht. Etwa, wenn es um das Thema Konfirmation geht.

Beate Haude mit dem „Konfi-Koffer“

Denn darüber wissen immer weniger Schülerinnen und Schüler etwas. Religiöse Lebensäußerungen kommen einem dabei nahe. Und nach wie vor lieben wir interessantes neues Unterrichtsmaterial, wie z.B. unseren neuen „Konfi-Koffer“. LehrerInnen und PfarrerInnen oder kirchliche Angestellte können den Koffer in unserer Mediothek ausleihen.

In Wuppertal können die Schulen seit einem Jahr einen sogenannten konfessionell-kooperativen Religionsunterricht anbieten. Wie wird das genutzt und wie sind die bisherigen Erfahrungen?

Beate Haude: Anfangs waren die Schulen zurückhaltend, weil Konzepte und Aufwand damit verbunden sind, dass evangelische und katholische Lehrkräfte abwechselnd eine ganze Klasse unterrichten. Das ist in Zeiten mangelnder Lehrkräfte nervig.

Etliche Wuppertaler Schulen haben den Antrag auf konfessionell-kooperativen Religionsunterricht gestellt.

Aber ich weiß aus eigener Erfahrung, dass es wirklich Spaß macht, sich im Lichte einer anderen Konfession zu positionieren. Etliche Schulen haben in diesem Jahr einen Antrag gestellt.

Was können Eltern und Lehrer tun, damit der Start ins neue Schuljahr gut gelingt und nicht die Sorgen, sondern die Freude für die Schüler:innen überwiegt?

Beate Haude: Die Frage grenzt an Adornos berühmte Frage, ob es ein richtiges Leben im falschen geben kann. Ich glaube ja: Es gibt Inseln des Guten in Meeren des Kaputten, von denen aus unheimlich viel ausgehen kann. Statt also den wahnsinnigen Impulsen von Terror, Herrschaft und Macht zu folgen, können wir durch den Wald radeln, Kekse backen, Sonnenuntergänge und Sternschnuppen anschauen, Geschichten erzählen, Musik machen, Tischgebete auswendig lernen und 1000 Dinge mehr. Jede dieser schönen Dinge, die wir mit den Kindern tun können, strahlt durch sie auf die Welt zurück.

Das Gespräch führte Sabine Damaschke.

Präventionsradar Schule

Nach einer aktuellen Analyse der Krankenkasse DAK leidet mehr als die Hälfte der befragten rund 23.000 Schüler:innen der Sekundarstufe 1 unter Erschöpfung (55 Prozent), Einsamkeit (31,5 Prozent), Schlafproblemen (37 Prozent), Kopf- oder Rückenschmerzen (27 Prozent) und Bauchweh (20 Prozent). Dreiviertel der Schüler:innen befürchten laut Studie, dass der Ukraine-Krieg oder die Klimakrise noch lange anhalten oder dass sich die finanzielle Situation ihrer Familie verschlechtern wird.

Fotos: Sabine Damaschke

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