30.10.2020evangelisch wuppertal
Solidarität mit Helge Lindh
Die Leitung des Kirchenkreises ist erschüttert über Angriffe auf den Bundestagsabgeordneten. Aktuelles Interview mit Helge Lindh.
Solidarität mit Helge Lindh
„Es geht uns nahe, dass in unserer unmittelbaren Nähe ein Mensch wegen seiner demokratischen, menschlichen und menschenrechtlichen Überzeugungen als Politiker in seinem Leben bedroht wird. Es ist erschütternd, wie Menschen rechtsextremer Gesinnung sich so verirren können, als Richter und Henker das Leben von Herrn Lindh für ein Nichts zu erklären.
Das darf in einer Demokratie nicht sein, dass Politikerinnen und Politiker um ihr Leben fürchten müssen, wenn sie auf der Basis unseres Grundgesetzes ihrem Gewissen folgen.
Für unseren Glauben, für die Botschaft Jesu Christi, ist es ein unbedingtes Tabu, so sein Leben oder das anderer anzutasten, und sei es verbal.
Darum haben wir uns entschieden der Solidaritätsbekundung des gemeinsamen Bündnisses Talvielfalt angeschlossen.“ (siehe unten)
Der Kreissynodalvorstand des Kirchenkreises Wuppertal
gez.
Ilka Federschmidt, Superintendentin
Nikola Dünow, Mitarbeiterin im Öffentlichkeitsreferat, hat in dieser Woche mit Helge Lindh gesprochen:
„Schweigen ist keine Option“
Der Wuppertaler Bundestagsabgeordnete Helge Lindh (SPD) setzt sich gegen Rassismus und Antisemitismus ein und macht sich für Toleranz, Offenheit und die Flüchtlingspolitik stark. Regelmäßig lädt er zu Diskussionen unter anderem in die CityKirche ein, wie zuletzt mit der Veranstaltung „Sicherheitspolitik im 21. Jahrhundert: Neue Wege gegen Hass & Hetze, Kriminalität & Angst“.
Auch privat macht er sich für Flüchtlinge stark. Für sein Engagement wird er massiv rechtsextrem bedroht und mit übelsten Morddrohungen attackiert. Warum er trotzdem weitermachen will, erklärt der 43-Jährige im Interview.
In einer sehr persönlichen Rede im Bundestag haben Sie zuletzt öffentlich davon gesprochen: Die Drohungen gegen Sie werden immer massiver. Es wird ein großer Aufruf zu ihrer Vernichtung verkündet, von einem Wettbewerb um ihre „Abschlachtung“ ist die Rede. Haben die Angriffe auf Sie eine neue Intensität bekommen?
Helge Lindh: Ganz klar ja. Die Bedrohungen sind noch massiver geworden. In den Mails wird ein extremes NS-Vokabular benutzt und die Anspielungen, wie ich getötet werden soll, werden immer extremer.
Es sind übelste persönliche Beschimpfungen. Man versucht mich persönlich als Verräter Deutschlands zu erniedrigen. Das ist schon erschreckend. Auch der Staatsschutz sagt, dass das Maß der Aggression sehr außergewöhnlich ist.
Was machen diese Morddrohungen mit Ihnen?
Helge Lindh: Die Täter wollen mich und mein Umfeld in Angst und Schrecken versetzen. In der Tat machen die aggressiven Morddrohungen mit klarer neonazistischer Wortwahl und das Gewaltszenario, das per Mail verbreitet wird, sprachlos.
Aber es tritt auch eine gewisse Abstumpfung ein. So seltsam das klingt: Man gewöhnt sich fast an die Beleidigungen und Beschimpfungen. Das ist zwar erschreckend, aber es ist ein menschlicher Schutzmechanismus, um weiter denken und arbeiten zu können.
Sind Sie dadurch stiller geworden oder haben sich zurückgezogen?
Helge Lindh: Bei mir tritt eher der gegenteilige Effekt ein. Ich möchte mich nicht einschüchtern lassen. Gerade wenn die Grenzen des Vorstellbaren derart enthemmt gefallen sind, muss man die Angriffe konkret benennen.
Die Enttabuisierung, die durch diese Menschen passiert, muss klar kommuniziert werden. Sonst gibt man den Absendern der Drohungen eine noch größere Macht. Wenn ich nicht mehr frei sagen würde, was ich denke, dann hätten sie ja gewonnen. Trotz alledem bin ich nicht fahrlässig in meinem Alltag.
Ich vertraue dem Staatsschutz, dem LKA und dem BKA bei der Einschätzung der Gefährdung. Aber ich lasse mich auch nicht von Angst treiben, oder mundtot machen. Ich bewege mich frei. Ich sehe es als meine Pflicht als Bundestagsabgeordneter erreichbar zu sein. Darum tauche ich nicht weg. Außerdem bin ich davon überzeugt bin, dass eine absolute Risikovermeidung nicht funktioniert. Aber natürlich habe ich auch eine Sorgfaltspflicht meinen Mitarbeitern und meinem Büro gegenüber.
Warum machen Sie trotzdem weiter?
Helge Lindh: Ich verabschiede mich nicht von meinen Themen und meiner Politik. Dafür ist es mir zu wichtig, Ich setzte mich weiterhin für die Bewahrung der Demokratie ohne Diskriminierung und Herabwürdigung ein.
Und ich werde mich auch in Zukunft gegen Antisemitismus stark machen und in der Asyldebatte laut werden. Auch die harte Auseinandersetzung im Streit gegen die AFD werde ich nicht scheuen.
Sie erleben viel Solidarität. Stärkt Ihnen das den Rücken?
Helge Lindh: Viele melden sich und drücken ihre uneingeschränkte Solidarität aus. Das ist sehr ermutigend und stärkend. Besonders freue ich mich über Menschen aus anderen Parteien und politischen Welten oder Kontexten, die sich mir als Mensch gegenüber solidarisch zeigen. Aber natürlich gibt es auch Kritiker und solche, die sich nicht solidarisch erklären wollen.
Das Interview führte Nikola Dünow/Öffentlichkeitsreferat
Bündnis Talvielfalt
Solidarität für den Wuppertaler Bundestagsabgeordneten Helge Lindh
Die abscheulichen Morddrohungen gegen den Wuppertaler Bundestagsabgeordneten Helge Lindh haben uns, die Mitglieder im Wuppertaler Bündnis Talvielfalt, tief bestürzt. Wir verurteilen diese Drohungen und die verbalen und tätlichen Angriffe auf den Politiker und die Person Helge Lindh auf das Schärfste. Wir versichern ihm unsere volle Solidarität und unseren ganzen Beistand.
Helge Lindh ist ein in Wuppertal verwurzelter Politiker, ein engagierter Bürger und Menschenfreund mit einer entschiedenen politischen Haltung, der die faire Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner nicht scheut und auch nicht die Kontroverse im eigenen Lager.
Helge Lindh bezieht Stellung zu den Themen Migration und Rassismus und scheut sich auch nicht, völkisch-nationalistischen und rechtsradikalen Kräften, Parteien und Organisationen öffentlich Contra zu geben. Das drückt sich nicht nur aus in seinen viel beachteten Wortbeiträgen im Deutschen Bundestag oder im Rahmen von Medieninterviews, sondern auch in einem nicht nachlassenden bürgerschaftlichen Engagement, insbesondere für Muslima und Muslime, Jüdinnen und Juden sowie für geflüchtete Menschen in seinem Wahlkreis in Wuppertal.
Es ist diese klare und entschiedene Haltung, die ihn zum Angriffsziel der Täter und Attentäter macht. Ihnen stellen wir uns mit aller Kraft entgegen!
Wir sind besorgt um das Leben und die Unversehrtheit von Helge Lindh und seines privaten Umfelds. Wir erwarten, dass alle notwendigen Maßnahmen zum Personenschutz und zur Täterermittlung getroffen werden!
Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner des Bündnisses Talvielfalt
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woher wissen Sie eigentlich, dass es Rechtsradikale waren, die diese Morddrohung verfaßt haben und nicht der VerfassungsSchutz?
Gruß von einem MitChristen
Es könnte natürlich ein rechtsradikaler Verfassungsschützer gewesen sein, ist zumindest nicht auszuschließen. Ausschließen lässt sich, dass es ein verfassungsschützender Rechtsradikaler war.
In Erinnerung geblieben ist Martin Niemöller vielen sicherlich durch seine Worte:
„Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist.
Als sie die Gewerkschaftler holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschaftler.
Als sie die Juden holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Jude.
Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“
Gemeinsam:
Wehret den Anfängen!