08.05.2013Wilma Schrader
… und was ist Wuppertal? Bürger diskutierten über das Image ihrer Stadt
Ansichtssache Wuppertal?! Oder: Wuppertal, wer bist Du? Über das Image unserer Stadt nannte sich die Veranstaltung zu der die SPD am vergangenen Samstag in den „Kontakthof“ einlud. Mit ihr will die SPD eine Reihe von „Frühschoppen“ zu Wuppertal-Themen starten.
Und der Zuspruch war groß. Mit 70 Wuppertalern war der Kontakthof bis auf die letzte Sofaecke gut gefüllt. Für seine Einleitung nutzte Moderator Helge Lindh (SPD) einen launigen Kommentar der auf njuuz zu finden war und der direkt ins Thema führte. Unter der Veranstaltungsankündigung war nämlich das folgende Statement zu finden: „Dass das Treffen in einer “Genügsamkeitsstraße” stattfindet, könnte als bezeichnend gewertet werden für das Image!“ Wuppertal ist eine spannende und lebenswerte Stadt, darin waren sich die meisten Anwesenden einig, nur außerhalb Wuppertals Tellerrand weiß niemand davon. Das Dilemma: es gibt zu wenig Wuppertaler oder Aktionen, die dieses positive Lebensgefühl gezielt nach außen transportieren.
In ihrer Außenwahrnehmung pendelt die Stadt hilflos zwischen Extremen. Und zumeist sind es die Negativschlagzeilen die hängen bleiben, weil sie die höheren Wellen schlagen. So zitierte Lindh aus dem – wie er ihn bezeichnete – traumatischen Artikel der Süddeutschen zur Schließung des Wuppertaler Schauspielhauses: „Pina Bausch ist tot, die Schwebebahn fährt nicht mehr und jetzt hamm’se auch noch einen Pleitegeier ans Rathaus gehängt – na, gib mir mal noch’n Jägermeister“. Dieselbe Gazette titelte einige Monate später „München sollte nach Wuppertal schauen!“ Mit dem Satz spielte Sir Simon Rattle in einem Interview auf die Klangqualität der Historischen Stadthalle an. Hängen geblieben sind jedoch die Schließung des Schauspielhauses und die vermeintliche Pleite der Stadt. Immer wenn es um den schlechten Zustand der Kultur geht, oder die prekäre Lage einiger Kommunen wird Wuppertal als Synonym mißbraucht.
Das eingeladene Podium – zusammengestellt aus Wuppertalern die etwas in der Stadt bewegen wollen – kamen aus den unterschiedlichsten Sparten. Jeder beleuchtete das Thema auf seine Weise: Martin Bang aus der Sicht des Geschäftsführers der Wuppertaler Marketing GmbH, Markus von Blomberg als Initiator von (M)eine Stunde für Wuppertal, Dr. Martin Hamburger als Diakoniedirektor und Pfarrer, Dr. Bodo Küpper und Sohn Boris als Immobilienentwickler (Aufbruch am Arrenberg), Charles Petersohn als Musikproduzent und DJ und Ingeborg Wolff als Schauspielerin und ehemaliges Mitglied des Ensembles der Wuppertaler Bühnen.
Während Dr. Bodo Küpper und Sohn Boris hervorragendes Potential in Wuppertal finden und ihre Immobilienprojekte selbstbewußt mit „Lebe lieber ungewöhnlich“ oder „Toskana Feeling in Wuppertal“ vermarkten, bezieht Diakoniedirektor Dr. Hamburger seinen Stolz auf die Stadt aus dem „Elberfelder Modell“. 1850 in Elberfeld entwickelt, gab es der Armenfürsorge eine völlig neue Struktur und wurde so erfolgreich, dass es von zahlreichen anderen Städten adaptiert wurde. Markus von Blomberg lobte, dass Wuppertal „Gute Karten“ habe, denn seine Initiative „(M)eine Stunde für Wuppertal“ hat inzwischen über 10.000 Ehrenamtskarten vergeben. „Damit ist Wuppertal die Stadt mit den meisten Ehrenamtlern.“ Ingeborg Wolff sieht die Wuppertaler Bühnen durch die hervorragende Arbeit von Christian von Treskow und Johannes Weigand inzwischen in der Mitte der Wuppertaler Gesellschaft angekommen. Denn laut ihrer Schilderung sei nach der Aufführung von ELENI – einem Schauspiel über die Integration einer griechischen Familie – ein Jugendlicher zu ihr gekommen und habe sie mit „ey Alte, du bist cool“ gelobt. „Der hat vorher sicher noch kein Theater von innen gesehen.“ Martin Bang findet jede Menge Fantasie in Wuppertal. Mit der will er die Stadt neu und außergewöhnlich inszenieren, um sie positiv in die Diskussion zu bringen. Sein Credo lautet das Alltägliche zum Besonderen zu machen. Damit will er das Selbstbewußtsein der Wuppertaler stärken. „Werden Sie mit unseren Stadtführungen zum Trapper in ihrer eigenen Stadt und entdecken sie Wuppertal neu.“ Charles Petersohn schätzt in Wuppertal den guten Nährboden für kreative Experimente: „Man macht einfach, und wenn es dann nicht klappt, fängt man wieder von vorne an. Hier wird niemand zum Looser. Bürgerinitiativen kämpfen mit außergewöhnlichen Mitteln, um sich die Stadt nicht nehmen zu lassen. Daraus entstehen spannende Projekte wie beispielsweise die Initiative zum Erhalt des Mirker Schwimmbades.“ Kurzum, die Wuppertaler sind zufrieden. Wirklich?
Selbstbewußt nach außen präsentieren
„Das was ich hier höre, macht mich richtig wütend“, stoppte Bodo Küpper schließlich den freundlichen Austausch. Weshalb sei das Image der Stadt dann so schlecht, wenn es allen so gut gehe? Er sei froh, über jeden Tag an dem keine Statistik veröffentlicht würde, in der Wuppertal an der letzten Stelle stehe. Das sei nicht mehr länger hinnehmbar. In Wuppertal würden zu viele Gelegenheiten ausgelassen, die Stadt in einem guten Licht darzustellen. „Wir müssen nach draussen tragen, was wir können. Jeder einzelne! Die Stadt braucht mehr Repräsentanten.“ Dietmar Bell (SPD/MdL) bestätigte Küppers Kritik und schilderte die Präsentation der „Bergischen Drei“ bei der ITB (Internationalen Tourismusmesse) als „randständig“. Ein ehemaliger Münsteraner brachte die Diskussion schließlich auf den Punkt: „Wir stehen im Wettbewerb mit den anderen Städten. Meinen Freunden mußte ich lange Zeit immer wieder die Frage beantworten, was ich denn in Wuppertal wolle. Inzwischen kenne ich Wuppertals positive Seiten gut und schätze es sehr hier zu leben, aber wir müssen die Frage beantworten: Düsseldorf ist chic, Köln ist hip und was ist Wuppertal?
Konstruktive Debatten führen
Bell fuhr fort, dass die Wuppertaler inzwischen Meister darin seien, gute Projekte „kaputt zu diskutieren“. Er schilderte, dass er große Mühe hatte, für die Nordbahntrasse die Bewilligung des letzten Förderbescheids zu erhalten. „Man glaubt uns inzwischen nicht mehr, dass wir in der Lage sind, das Projekt Nordbahntrasse zu einem guten Ende zu bringen.“ Er mahnte eine positive Begleitung durch die Medien an und forderte endlich eine konstruktive Debatte. Auch von Blomberg vermisst die konstruktive Ausseinandersetzung. Er ärgere sich darüber, dass die örtliche Presse den Umbau Döppersberg hauptsächlich mit Negativschlagzeilen begleite: „Warum wird nur über höhere Kosten geschrieben? Der Döppersberg muss kommen! Er ist unendlich wichtig für die Stadt, ähnlich wichtig wie der Eifelturm für Paris.“ Es gelte die Kritiker abzuholen und Überzeugungsarbeit zu leisten.
Mehr Dialog, mehr Zusammenarbeit, bessere Konzepte und mehr Evaluation
Ursula Kraus, von 1982-1996 Oberbürgermeisterin von Wuppertal, bemängelte die nach wie vor schlechte Zusammenarbeit zwischen IHK, den Verbänden der Handwerkerschaft und den Gewerkschaften und forderte mehr Dialog: „Nur gemeinsam kann die Region wirtschaftlich nach vorne gebracht werden“. Ingeborg Wolff monierte, dass es besonders in der Kultur zu wenig Austausch gäbe, das meiste zu konzeptlos ablaufe und niemand aus dem Geschehenen lerne. „Die Fusion der Wuppertaler Bühnen mit Gelsenkirchen war so ein Beispiel. Sie war furchtbar. Erst fusionierte man, dann wußte keiner was er tun sollte, schließlich erklärte man das Projekt als gescheitert und niemand hat aufgearbeitet warum. So kann es nicht nach vorne gehen!“ Charles Petersohn schließlich mahnte den kreativen, offenen Dialog zwischen Stadtverwaltung, Politik und engagiertem Bürger an. Er vermisse die gemeinsame, große Vision und kritisierte, dass die Wuppertaler Bürger nicht in Entscheidungsprozesse einbezogen, sondern von der Verwaltung nur mit Mitteilungen konfrontiert werde. Wenn es um so große und wichtige Themen wie das Schauspielhaus gehe, sollten alle Hand in Hand arbeiten!
Wuppertal hat viele positive Eigenschaften: Ehrenamt, engagierte Unternehmer, spannende Kultur, eine aufregende Geschichte, Fantasiereichtum! Die Liste ließe sich mit anderen Beteiligten und deren Blickwinkeln sicher unendlich fort setzen. Wenn es den Wuppertalern endlich gelänge, sich selbstbewußt gegenüber zu treten, sich konstruktiv auseinanderzusetzen und für das gemeinsame Ziel auch gemeinsam zu kämpfen, wäre die Stadt cool! Damit hätte sie den Vorschlag verdient, den Charles Petersohn zur Beantwortung der eingangs gestellten Frage machte: Düsseldorf ist chic, Köln ist hip und Wuppertal ist cool!
Ob die gestern angekündigte Strategie „Wuppertal 2025“ der große Wurf werden wird, bleibt abzuwarten. Es hängt viel davon ab, ob es gelingt , alle Beteiligten an einen Tisch zu holen, und sie zu konstruktiver Zusammenarbeit zu bewegen! Zumindest ist „Wuppertal 2025“ ein Schritt in eine denkbare Richtung.
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Fotos: Wilma Schrader
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Wuppertal ist echt, unverstellt. International ausgedrückt ‚down to earth‘.
Wir sind zugezogene Neu- Wuppertaler, und vieles im Artikel Angesprochene deckt sich mit unseren Beobachtungen. Es fällt auf, dass dich viele Wuppertaler im Gespräch regelrecht für ihre Stadt entschuldigen. Das ist schade! Es ist eine Stadt, in der es sich u. E. angenehm leben lässt, finden wir. Trotzdem scheint es tatsächlich so, als würde wenig aus dem Potenzial gemacht, das Marketing erscheint oft unprofessionell und ungeschickt. Leider wirkt die Stadt auch vielerorts ungepflegt, sicher auch eine Folge mangelnder Wertschätzung auch durch die Bürger. Da ließe sich bestimmt etwas verändern.
Das Wenigste, das uns als Manko erscheint, ist rein eine Geldfrage. WUPPERTALER, LIEBT EURE STADT!!!
Nach Berlin und Hamburg wird Wuppertal das nächtse große Ding.