Verkehrschaos, Schock, Stillstand, Horror

"Haben Sie es nicht etwas kleiner?", möchte man manche Boulevardmedien und auch die WZ angesichts der reißerischen Berichterstattung über den Schwebebahnunfall vom letzten Donnerstag fragen.

Es ist schon erstaunlich, wie gewisse Medien über den Vorfall an der Wuppertaler Schwebebahn vom letzten Donnerstag berichten. Vor allem die Blätter mit den besonders großen Buchstaben übertreffen sich mit Katastrophenmeldungen.

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Der Blick auf die Fakten bietet eigentlich wenig Stoff dafür. Natürlich ist es keine Kleinigkeit, wenn sich die Stromleitschiene löst und auf die vielbefahrene B7 fällt. Und für die 76 Menschen, die mit der Drehleiter aus einer havarierten Schwebebahn geholt werden mussten, war der Unfall ohne Zweifel dramatisch. Doch es wurde niemand ernsthaft verletzt oder gar getötet. Und dass die Schwebebahn jetzt erst einmal ausfällt, ist zwar eine Belastung für den Verkehr im Tal, aber für uns Wuppertaler nichts Neues. In den letzten Jahren hat das bekannteste Verkehrsmittel der Stadt wegen Bauarbeiten immer wieder über viele Wochen hinweg stillgestanden.

Den Boulevardmedien ist das entweder nicht bekannt oder schlicht egal:

Laut Bild.de steht Wuppertal unter Schock. Menschen, die sich schreiend unter der Schwebebahn wälzen, haben wir allerdings noch nicht gesichtet.

„Wuppertal steht still!“, hat der Internet-Ableger des Kölner Express festgestellt und orakelt: „Es droht ein Verkehrschaos“. Seltsam nur, dass bislang vom „Stillstand“ wenig zu sehen ist und der erprobte Schwebebahnersatzverkehr zwar Unannehmlichkeiten mit sich bringt, aber ein „Verkehrschaos“ bislang immer recht zuverlässig vermeiden konnte.

Auch die in der BZ und  in vielen anderen Blättern verwendete Formulierung, die Fahrgäste hätten von der Feuerwehr „gerettet“ werden müssen, ist eine maßlose Übertreibung. Das Wort „Rettung“ insinuiert, dass sich die Passagiere in einer akuten Gefahr befunden hätten. Die Schwebebahnwagen drohten jedoch zu keinem Zeitpunkt abzustürzen. Im Gegenteil: die betroffenen Waggons hängen noch heute, zwei Tage nach dem Zwischenfall, an Ort und Stelle.

 „Horror“-Meldung in der WZ 

Hinter dem Geschrei der Boulevardkonkurrenz wollte offenbar auch die Wuppertaler Lokalausgabe der Westdeutschen Zeitung nicht zurückstehen. WZ-Redakteur Andreas Spiegelhauer schreibt: „Kurz hinter der Station Kluse begann der Horror“. Er wäre gut beraten, sich Attribute wie „Horror“ für Ereignisse aufzusparen, die eine solche Bezeichnung tatsächlich verdienen.

Immerhin: die Wuppertaler lassen sich von „Horror“-Meldungen der WZ und den reißerischen Schlagzeilen von Bild & Co. nicht beeindrucken. Laut einer WZ-Umfrage sind aktuell mehr als 90%  der Meinung, dass die Schwebebahn ein zuverlässiges Verkehrsmittel ist bzw. die Nutzung von Verkehrsmitteln generell mit Risiken behaftet ist. In einer ähnlichen Umfrage der Wuppertaler Rundschau waren drei Viertel der Teilnehmer der Ansicht, die Schwebebahn sei nach wie vor das sicherste Verkehrsmittel und der Unfall ein „bedauerlicher Zwischenfall“.

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Ausrisse: bild.de, express.de, bz-berlin.de

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Kommentare

  1. Dieter Raue sagt:

    Ich stimme Ihnen voll und ganz zu und habe schon aus Bayern einen Leserbrief an die WZ geschrieben, nachdem ich zuvor die aufreißerische Berichterstattung bemängelt hatte: Die „herrenlose“ Bahn hing in den Schienen – (wie ein Boxer in den Seilen!?) – zufällig hatte ich sie bei einem Besuch zuhause dort oben friedlich stehen sehen, auf ihren Rädern wie immer. Danach folgte:
    Im Nachgang zu meinen ersten Anmerkungen muss ich nach dem Lesen des Münchner Merkur festhalten, dass Sie als unsere Heimatzeitung die einmalige Chance vertun, sachliche Informationen quasi aus erster Hand – nämlich mit dem direkten Zugang zu den WSW – zu liefern, die andere Redaktionen eventuell zu besseren Kommentaren und Darstellungen zu diesem Drama befähigen als ohne solche. Alle Welt fragt sich doch, wie so etwas passieren kann und will nur am Rande hören, dass eine Winschutzscheibe zu Bruch ging. Aber sachliche, fundierte Info als einziger Redaktion vor Ort sieht anders aus! Dass die Stromschiene einen oder zwei Tage vorher noch geprüft und fest war, glaubt sowieso niemand. Aber man könnte wenigstens die gesamte Konstruktion der Stromschiene neutral beschreiben und auch hinterfragen, wie denn diese Prüfung überhaupt aussah, denn von oben zu schauen reicht ja wohl kaum bei der verdeckten Einbaulage, oder?!
    viele Grüße aus Bayern, Ihr Dieter Raue

  2. Emil Blume sagt:

    Ich bin »schockiert« über den Unfall und frage mich was die Feuerwehr da gemacht hat. Etwa nicht die Personen aus der stillstehenden Bahn »gerettet«?

    »Horror« ist für mich, wie überall versucht wird, so ein gravierendes Ereignis kleinzureden.

  3. Um es mit den worten von meelmann zu sagen: ich werd weiter mein leben lang schwebebahn fahren! http://www.youtube.com/watch?v=b6jDQpSOdoc

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