Was bringen 22 Jahre Videogafferei in Bussen und an Haltestellen?

Seit 2002 überwachen die WSW sukzessive jeden Bus und über 70 Haltestellen – und was ist der Erfolg?

Seit der Busgeneration 2002 setzen die Wuppertaler Stadtwerke (WSW) in jedem ihrer Busse Videokameras ein. Es folgte ein stiller Austausch und -bau in den Schwebebahnstationen mit Spannercams auf Bahnsteig- inklusive der Zugangsebene, wo zuvor das Bild der Bahnsteigkamera lediglich auf einen Monitor in der Fahrerkabine übertragen wurde. Die Kriminalität war mit Einführung der Schwebebahn-Gelenktriebwagen 15 plötzlich so gestiegen, daß seither auch hier alle Fahrgäste rundumbegafft werden.

Auch in den Fahrgast-Informationsdisplays, die an mindestens 70 Bushaltestellen stehen, müssen unbedingt versteckte Kameras das öffentliche Treiben begaffen. Obwohl auch noch in sämtlichen Aufzügen wie an der Kluse zur Südstadt Spannercams installiert sind, lassen sich Vandalen offensichtlich nicht von Schmierereien abhalten.

Als Begründung für diese Spannerei gaben die WSW einst Verhinderung von Vandalismus und Schmierereien sowie „der Schutz des Eigentums“ an. In einem Artikel vom Januar 2009 gaben die WSW für 2008 Vandalismusschäden von 145.000 Euro an. [1] Bei 70 Millionen Fahrgästen in diesem Jahr sind das sagenhafte 0,2 Cent pro Fahrgast. Die ganzen Fußgänger, die ebenfalls an den Haltestellen erfaßt werden, können da gar nicht berücksichtigt werden.

Die Haltestelle Karlsplatz stadteinwärts. Hier gibt es zwar Videobegaffung durch die Stadtwerke. aber kein zu schützendes WSW-Eigentum.

Bild: Haltestelle Karlsplatz stadteinwärts mit Bespitzelungskamera. WSW-Eigentum, dessen Schutz die eigentliche Begründung für die Überwachung ist, sucht man hier vergebens. Ob Hauseingänge, insbesondere wo Rechtsanwälten und Ärzte asnsässig sind, verpixelt werden, ist nicht erkennbar. Hinweise auf die Videobegaffung vor Betreten des Aufnahmebereichs gibt es nicht. Noch weniger ist es für Passanten möglich, sich dieser Spannerei zu entziehen.

Die „Begründung“ für die anlaßlose Überwachungsmaßnahme war offenkundig nur ein Feigenblatt. Denn weder verhindern Kameras schlechtes Verhalten von Vandalen und Schmutzfinken, noch springen die Kameras von der Decke und halten den Täter fest, bis die Polizei eingetroffen ist. Ein Rundschau-Leser schreibt: „Man ekelt sich richtig, da überhaupt noch irgendwas anzufassen oder sich gar auf die völlig verdreckten Sitze zu setzen. […] Zudem sind einige Busse im Innenraum auch derart mit Schmierereien versaut, dass man sich schon unwohl fühlt.“ [2]

Grundrechtlich besonders geschützte Personen wie Rechtsanwälte und Ärzte haben gerade in den Zentren von Elberfeld und Barmen haben ihren Sitz. Ob die Spannerei auch sie und ihre Kunden/Patienten erfaßt, wie lange diese Daten gespeichert werden oder was damit getrieben wird, ist für Betroffene nicht erkennbar. Ebenfalls ist nicht erkennbar, ob besonders sensible Bereiche verpixelt werden oder nicht. Sichtblenden, die diese Bereiche ausklammern, gibt es bei den WSW-Kameras nicht.

Maßnahmen verhältnismäßig?

Wieso ein Hauseigentümer zur Überwachung seines Eingangs die Zustimmung jedes einzelnen Mieters/Bewohners benötigt, die WSW aber frei öffentliche Plätze und Gehwege „ins Blaue hinein“ bespitzeln (dürfen), bleibt das Geheimnis der zuständigen Datenschutzbeauftragten. Nachvollziehbar ist das in keinem Fall. Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach die Überwachung „ins Blaue hinein“ für verfassungswidrig erklärt und jedem das Grundrecht zugestanden, sich anonym in der Öffentlichkeit von A nach B bewegen zu können.

Hausrecht gibt es für die WSW nur in ihren Bussen und Schwebebahnen, nicht aber auf öffentlichen Plätzen und Wegen. Zur Verhinderung von Straftaten kann eine Videoüberwachung öffentlicher Plätze und Wege gestattet sein, wenn dabei die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt. Dafür ist aber die Polizei zuständig und nicht die WSW. Was die Bespitzelung der Busse und Schwebebahnen angeht, sollten den WSW die Privatsphäre ihrer Fahrgäste mehr wert sein als 0,2 Cent.

Quellen und Verweise

[1] WZ vom 20. Januar 2009: „Mit neuen Video-Kameras gegen die Zerstörungswut“,
https://www.wz.de/nrw/wuppertal/mit-neuen-video-kameras-gegen-die-zerstoerungswut_aid-31217489

[2] Wuppertaler Rundschau, Leserbrief: „Man ekelt sich richtig“
https://www.wuppertaler-rundschau.de/-121290847

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