Weil Vergebung beflügelt

Fußgängerzone statt Kirche: Die Stadtmission und Mitarbeitende der Gemeinde Gemarke-Wupperfeld feiern den Buß- und Bettag einmal ganz anders.


Am Buß- und Bettag (20.11.) ziehen Mitarbeitende der Gemeinde Gemarke-Wupperfeld und der Stadtmission mit einem Klavierflügel durch die Barmer Innenstadt. Eine Aktion, die verständlich machen will, was hinter diesem Feiertag steckt. Die Langerfelder Gemeinde nutzt dafür das Taizé-Gebet.

Ein Tisch- und Abendgebet, ein Stoßgebet in Notzeiten: Früher gehörte das Beten selbstverständlich zum Alltag vieler Familien. Heute ist das längst nicht mehr so. Beten klingt altmodisch und mit dem „Büßen“ können viele Menschen gar nichts mehr anfangen, beobachtet Paul-Gerhard Sinn von der Wuppertaler Stadtmission. „Der Begriff ist für mich auch irrführend“, gibt er zu. „Umkehren ist das richtige Wort. Und eine Voraussetzung des Umkehrens ist, dass ich anhalte und mich umschaue, mich hinterfragen und korrigieren lasse.“

All das hätte das Vorbereitungsteam aus Stadtmission und Gemarke-Wupperfeld auch in einem Gottesdienst zum Buß- und Bettag verständlich machen können, aber sie möchten den Sinn dieses Feiertages anders unter die Leute bringen und zwar dort, „wo die Menschen im Alltag unterwegs sind, mit all den Ängsten und Sorgen, die zu ihnen gehören“.

Klavier, Engel, Taube und Esel

Also werden sie am Buß- und Bettag über den Barmer Werth, der Einkaufsstraße des Stadtteils, ziehen. Mit dabei: Ein Klavierflügel auf Rollen, ein Engel aus Pappmaché, eine Taube und ein Esel aus Holz.

Beflügelt auf dem Werth

Die Aktion startet am Buß- und Bettag (20.11.) um 18 Uhr vor der Gemarker Kirche (Zwinglistraße 5) und endet gegen 18.45 Uhr im Café Prio der Stadtmission (Werth 87).

An drei Stationen wird Musik gemacht und in kurzen Impulsen über Engel, Frieden und den Auftrag der Christen nachgedacht, das Evangelium in die Welt zu tragen. „Beflügelt auf dem Werth“ heißt die Aktion – nicht nur in Anspielung auf den Klavierflügel, der die Menschen zum Innehalten, mitsingen und zuhören bewegen soll. „Es beflügelt und befreit, wenn wir uns gemeinsam neu ausrichten lassen und Vergebung erleben“, ist Paul-Gerhard Sinn überzeugt.

Beten lernen mit Taizé und Gebetsstationen

Die Sehnsucht nach Geborgenheit, nach einem Gott, der ansprechbar ist, hält, tröstet und „heil“ macht, sei trotz aller Zweifel und Abkehr von Religion und Kirche in vielen Menschen verankert, beobachtet auch die Langerfelder Pfarrerin Katharina Pött. „Doch viele wissen nicht mehr, wie sie überhaupt beten können.“ Den Buß- und Bettag nutzt die Gemeinde daher schon seit vielen Jahren für einen Taizégottesdienst, in dem Menschen eine meditative Form des Gebets mit Gesang kennenlernen.

Gebet und Vergebung sind befreiend, weiß Pfarrerin Katharina Pött.

In ihren Konfi- und Kindergruppen baut Katharina Pött regelmäßig Gebetsstationen auf, die anschaulich machen sollen, wie ein persönliches Gebet gestaltet werden kann. Kerzen stehen für persönliche Bitten, Fürbitten, Blumen für Dankbarkeit, Tonscherben für die Klage und Steine für das Schwere und die Schuld. „Ich erlebe dabei oft, dass Kinder und Jugendlich begeistert und intensiv mitmachen und einen neuen, sehr persönlichen Zugang zum Gebet bekommen“, erzählt Katharina Pött.

„Schuldgefühle kennen alle Menschen“

Dabei geht es auch um das, was der kirchliche Feiertag mit dem altmodischen Wort „Buße“ beschreibt und Katharina Pött mit dem Begriff „Schuldgefühle“ übersetzt. „Wir alle werden an anderen Menschen schuldig, und diese Schuldgefühle können sehr belastend sein, vor allem, wenn es keinen Raum gibt, darüber zu reden.“ Viele Jugendliche, aber auch Erwachsene stünden unter einem hohen Druck, nach außen ein perfektes und gelungenes Leben zu präsentieren.

„Dazu passt kein Scheitern und keine Schuld.“ Sie im Gebet zu benennen und um Vergebung zu bitten, habe eine befreiende und heilsame Kraft. Es sei ein Türöffner für Dankbarkeit, Lebensfreude und Zuversicht für das eigene Leben. „Das wiederum gibt uns den Mut und die Kraft, diese Welt in Gottes Sinne zu einem besseren Ort für alle zu machen, die darauf leben“, betont die Pfarrerin.


Am Buß- und Bettag laden viele Wuppertaler Gemeinden zu Andachten und Gottesdiensten ein. Die jeweiligen Veranstaltungen finden Sie in unserem Gottesdienst-Kalender.

Buß- und Bettag

Der Buß- und Bettag ist ein evangelischer Feiertag. Er gehört zu den sogenannten beweglichen Feiertagen und findet jedes Jahr am ersten Mittwoch nach dem Volkstrauertag statt, in diesem Jahr am 20. November. Im Jahr 1995 wurde der Buß- und Bettag als gesetzlicher Feiertag zur Finanzierung der Pflegeversicherung in allen Bundesländern außer in Sachsen abgeschafft. Die evangelische Kirche bezeichnet die Abschaffung bis heute als Fehlentscheidung.

Auch wenn der Bußtag kein staatlicher Feiertag mehr ist, hat er seinen festen Platz im Kirchenjahr nicht verloren. Er ist ein Tag der Umkehr, der Neuorientierung und dient auch dem Nachdenken über gesellschaftliche Fehlentwicklungen.

Text und Foto: Sabine Damaschke
Teaserfoto: Stadtmission Wuppertal

Anmelden

Kommentare

Neuen Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert