„Wer bettelt, ist nicht weniger Mensch“

Es gibt kein richtig oder falsch im Umgang mit bettelnden Menschen - aber Respekt ist wichtig. Die Diakonie hatte zur Diskussion über das Thema eingeladen.

Es gibt kein richtig oder falsch im Umgang mit bettelnden Menschen – aber Respekt ist wichtig. Die Diakonie hatte in ihrer Festwoche zur Diskussion über das Thema eingeladen.

„Ich habe Hunger“. Eine junge Frau sitzt auf dem Boden und bettelt. Vor sich hat sie einen Becher und ein Pappschild, daneben eine alte Decke, Bierflaschen und eine Plastiktüte mit dem, was ihr geblieben ist. Eine Passantin zieht ihren Mann schnell an der Bettlerin vorbei: „Die versäuft das doch nur. Gib ihr bloß nichts!“ Eine Szene, wie sie sich alltäglich an den großen Plätzen in Wuppertal abspielt. Diesmal wurde sie in der CityKirche Elberfeld nachgestellt. Die Diakonie hatte in ihrer Festwoche zur offenen Diskussionsrunde „Wie geht man mit bettelnden Menschen um?“ eingeladen.

Schon waren die Anwesenden mitten im Thema: Muss man denn in Deutschland überhaupt auf der Straße leben? Bin ich moralisch verpflichtet, etwas zu geben? Gehören die Bettler denn nicht alle zu organisierten Banden? Warum senke ich als Passant beschämt den Blick, wenn ich Bettlern begegne und warum machen sie mich manchmal wütend? Um diese und andere Fragen ging es in der CityKirche.

Begegnung auf Augenhöhe

Klaus Krampitz, Leiter der Zentralen Beratungsstelle und Straßensozialarbeit der Diakonie Wuppertal, und sein Team warben dabei für eine Umgang „auf Augenhöhe“. „Die Haltung, mit der man bettelnden Menschen begegnet, ist das A und O. Ich finde es wichtig, ihnen wertfrei zu begegnen“, sagte Klaus Krampitz.

„Wer bettelt, ist nicht weniger Mensch als Du oder ich, er befindet sich aber in einer Lebenskrise“, so Krampitz, der selbst lange als Streetworker unterwegs war. „Die ältere Frau, die stundenlang in Büßerposition auf der Straße kniet, ist bestimmt keine Gewinnerin. Ob sie nun zu einer vermeintlichen Bande gehört oder nicht“, erklärte Krampitz. „In der Öffentlichkeit auf der Straße zu leben, das fühlt sich nie gut an.“

Jeder kann einen Schicksalsschlag erleiden

Ob man bettelnden Menschen etwas geben möchte, sei immer eine individuelle Entscheidung, bei der es kein moralisches „richtig“ oder „falsch“ gibt. „Jeder von uns kann theoretisch einen Schicksalsschlag erleiden, abstürzen und auf der Straße landen“, warb der Sozialarbeiter um Verständnis. „EU-Bürger, die mit Transitvisum zum Beispiel aus Bulgarien oder Rumänien in Deutschland sind, haben in den ersten fünf Jahren keine Ansprüche auf Sozialleisstungen. Wenn sie nicht arbeiten gehen können, ist das Betteln die einzige legale Weise, an Geld zu kommen“, sagte Krampitz.

Bettelnden Menschen etwas zu geben, sei auch ein Zeichen von Nächstenliebe, so das Streetwork-Team der Diakonie. Manche Bettler würden sich freuen, wenn man sie anspricht, andere wiederum wollen keinerlei Kontakt.

Ein Zeichen von Nächstenliebe

Wer ungern Geld geben möchte, könne den Menschen auf der Straße gut auch ein Brötchen oder einen Kaffee „ausgeben“. So oder so würde die Spende von ein paar Euros die Situation der Bettler nicht langfristig verändern, darum seien die strukturellen Hilfsangebote so wichtig: Das Streetwork-Team der Diakonie ist in ganz Wuppertal unterwegs und guckt, wer in Not ist oder Hilfe braucht.

Klaus Krampitz arbeitet seit 25 Jahren bei der Diakonie: Damals nutzten rund 100 wohnungslose Männer die Möglichkeit, bei der Diakonie Wuppertal eine postalische Adresse zu haben. Heute sind es 450 Männer plus 150 Frauen. „Die Zahlen sind nach oben gegangen. Überall im Stadtgebiet sind bettelnde Menschen unterwegs und die Verzweiflung ist größer geworden“, so sein Eindruck.

Streetwork-Arbeit der Diakonie

10 Sozialarbeiter der Diakonie sind regelmäßig auf der Straße unterwegs und sprechen die Menschen draußen an und bieten ihnen Unterstützung und Beratung an. Weitere Mitarbeitende sind in der Koordination und in einzelnen Projekten unterwegs. Die Zentrale Beratungsstelle und Straßensozialarbeit für Menschen in besonderen sozialen Schwierigkeiten befindet sich an der Ludwigstraße 26. Weitere Angebote gibt es an der Hermannstraße und in der Friedrich-Ebert- Str. 182. Das Angebot umfasst individuelle Hilfestellungen in verschiedenen Lebensbereichen. Im Mittelpunkt stehen die Wohnungssuche sowie die Beantragung von finanziellen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Bei Bedarf vermittelt die Diakonie in eine geeignete Hilfeeinrichtung oder an Fachärzte und Fachberatungsstellen. Außerdem wird eine Post-Adresse bei Wohnungslosigkeit angeboten.
www.diakoniewuppertal.de

Text und Fotos: Nikola Dünow

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