„Werde nie ein Nazi“

Der Wuppertaler Historiker Klaus Goebel wird heute (24.04.) 90 Jahre alt. Zeit seines Lebens hat er sich intensiv mit der Stadt und ihrer Kirchengeschichte befasst.

Der Wuppertaler Historiker Klaus Goebel wird heute (24.04.) 90 Jahre alt. Zeit seines Lebens hat er sich intensiv mit der Stadt und ihrer Kirchengeschichte befasst.

Herr Professor Goebel, woher kommt Ihr besonderes Interesse an der Kirchengeschichte Wuppertals?

Klaus Goebel: Ich war 17 Jahre alt, als ich das erste Mal das Archiv meiner Heimatgemeinde in Barmen in der Immanuelskirche besucht habe. Ich hielt älteste Dokumente der Wuppertaler Schulgeschichte in Händen, Papiere der Barmer Lateinschule von 1579, einer Wurzel des heutigen Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasiums. Als kostbarer Schatz erwies sich ein umfangreiches Bündel von Briefen Gerhard Tersteegens nach Barmen, das heute in einem Panzerschrank des Landeskirchenarchivs verwahrt wird. Dieser Moment im Archiv erwies sich als eine Initialzündung für mein Interesse am Pietismus, der das Wuppertal im 18. und 19. Jahrhundert mitprägte. Später habe ich dann neben meinem Beruf als Volksschullehrer noch Geschichte studiert und in der Disziplin Verfassungs-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte promoviert.

Nimmt Wuppertal im Hinblick auf seinen stark ausgeprägten Pietismus eine besondere Rolle unter den rheinischen Städten ein?

Goebel: Ja, das kann man so sagen. Hier hängen Industrialisierung, Kapitalismus und Pietismus eng zusammen. Viele der reichen Wuppertaler Unternehmerfamilien wie die des Sozialisten Friedrich Engels waren sehr fromm. In der Industrialisierung entwickelte sich aber eine wachsende Distanz zwischen den Arbeitern und der Kirche. Am Beispiel des Unterbarmer Pfarrers Hermann Thümmel lässt sich das gut zeigen: Er war mit der ausufernden Arbeiterzuwanderung und dreistelligen Konfirmandenzahlen schlicht überfordert und erwies sich für die Arbeiterbevölkerung nicht als Gesprächspartner. Ein Landwirt am Rande unserer Stadt, Gustav Eicker, Hauptperson des letzten Buchs „Chronist und Kirchenvater Gustav Eicker vom Lichtenplatz“ (2022), war hingegen als frommer Pietist – eine „doppelt gemoppelte Kennzeichnung – Stütze der Unterbarmer Kirchengemeinde und Mitgründer des Gemeindebezirks auf Lichtscheid.

Der reformierte Wuppertaler Pietismus wurde stark von dem bekannten Liederdichter und Mystiker Gerhard Teerstegen (1697-1769) beeinflusst, den Sie eben erwähnten. Welche Rolle spielt er in Ihren Forschungen?

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