12.02.2025evangelisch wuppertal
„Wohnen ist ein Menschenrecht“
Im Wahlkampf spielt das Thema Wohnungsnot kaum eine Rolle. Dabei sieht Diakoniemitarbeiter Klaus Krampitz immer mehr Menschen ohne Wohnung.
Im Wahlkampf spielt das Thema Wohnungsnot kaum eine Rolle. Dabei steigt die Zahl der Menschen ohne Wohnung stetig. Diakoniemitarbeiter Klaus Krampitz sieht es jeden Morgen an den überfüllten Postfächern in der Zentralen Beratungsstelle in Wuppertal.
Von Jahr zu Jahr steigt die Zahl der Briefe, die in der Zentralen Beratungsstelle für wohnungs- und obdachlose Wuppertaler Bürger:innen ankommen. Jeden Morgen läuft Klaus Krampitz, Leiter der Zentralen Beratungsstelle und Straßensozialarbeit der Diakonie Soziale Teilhabe gGmbH Wuppertal, auf dem Weg zu seinem Büro an den Postfächern vorbei, in die die Briefe einsortiert werden.
Er kennt die Zahlen, die hinter den Postbergen stecken: „Knapp 900 obdach- und wohnungslose Menschen hatten im gesamten Jahr 2014 dort ihre Postadresse“, sagt Krampitz. „2024 waren es fast 2.100 Menschen.“ Darunter 642 Männer alleine in diesem Januar – 15 Prozent mehr als im Vorjahr.
Anspruch auf „existenzsichernde Leistungen“
An der Post also lässt sich die zunehmende Wohnungslosigkeit in Wuppertal ausmachen. Niemand in Deutschland soll hungern, frieren und ohne Obdach leben. Im Sozialstaat gibt es einen Anspruch auf sogenannte „existenzsichernde Leistungen“. Doch dafür braucht es eine Postadresse. Wer wohnungs- und obdachlos ist, findet sie in Wuppertal seit vielen Jahren bei der Diakonie.
Die Zentrale Beratungsstelle der Diakonie in Wuppertal
Hier werden nicht nur die Briefe aufbewahrt, sondern auch bei all dem unterstützt, was existentiell ist: Bürgergeld, Krankenversicherung, medizinische Versorgung und – nicht zuletzt – die Suche nach einer Wohnung, denn, so betont Klaus Krampitz: „Auch Wohnen ist ein Menschenrecht.“
Großer Notstand im Winter
Doch es wird immer schwieriger, den Menschen zu einem Dach über den Kopf zu verhelfen. Besonders im Winter zeigt sich die Not. Plätze zum Aufwärmen wie das Café Ludwig der Diakonie, in dem es Essen und Trinken, Hygiene und Kleidung gibt, sind voll. Die Notschlafstellen für Männer in der Friedrich-Ebert-Straße und diejenige für Frauen im Hopster-Fiala-Haus ebenso. „Mittlerweile müssen wir immer häufiger auf die Notunterkünfte in der Hermannstraße verweisen, die die Stadt als Ordnungsbehörde reaktiviert und neu ertüchtigt hat“, sagt Krampitz.
Klaus Krampitz mit WOW-Immobilienfachfrau Christiane Hoffmann
Ziel bleibt es aber, den Menschen nicht nur eine Unterkunft auf Zeit, sondern ein neues Zuhause zu geben. Direkt neben der Zentralen Beratungsstelle befindet sich daher das Projekt WOW (Wohnraumvermittlung und Begleitung für obdachlose und wohnungslose Menschen in Wuppertal). Über 250 Wohnungen konnte das Team, zu dem eine Immobilienfachfrau gehört, seit seiner Gründung 2019 vermitteln. Alleine 50 waren es im vergangenen Jahr. Da es auch in Wuppertal zu wenig öffentlich geförderten Wohnraum gibt, werden mehr private Vermietende gesucht.
Studie: Wohnungsmangel steigt
Bis 2030 wollte die Bundesregierung Wohnungslosigkeit überwinden. „Doch davon sind wir weit entfernt“, bedauert Diakoniedirektorin Dr. Sabine Federmann.
Eine vor kurzem veröffentlichte Analyse zeigt, dass in Deutschland 550.000 Wohnungen fehlen. Allein in Nordrhein-Westfalen müssten laut der Studie des Pestel-Instituts bis Ende des Jahrzehnts über 172.000 neue Sozialwohnungen gebaut werden. Zudem ging in den ersten neun Monaten des Jahres 2024 die Zahl der Baugenehmigungen neuer Wohnungen um acht Prozent zurück in NRW, wie das Statistische Landesamt IT.NRW mitgeteilt hatte. Das war seit 2012 das niedrigste Ergebnis für die ersten neun Monate eines Jahres.
Diakoniedirektorin Sabine Federmann bedauert, dass das Thema Wohnen im Wahlkampf kaum eine Rolle spielt.
„Damit sich die Lage für Menschen in Wohnungsnot verbessert, braucht es eine Strategie und Vernetzung von Bund, Ländern, Kommunen, Wohlfahrtsverbänden und weiteren Akteur:innen. Stattdessen erleben wir gerade auf staatlicher Ebene, dass das Thema Wohnen in den Hintergrund gerückt ist.“ Auch im Wahlkampf scheint es kaum eine Rolle zu spielen.
Die Hoffnung nicht verlieren
Zu den Mitarbeitenden und Streetworker:innen der Zentralen Beratungsstelle und des WOW-Teams kommen immer mehr verzweifelte Menschen, die ihre Wohnung aus unterschiedlichsten Gründen verloren haben und bislang erfolglos ein neues Dach über dem Kopf suchen.
„Wir unterstützen sie, wo wir können – auf Augenhöhe und mit Respekt“, erklärt Klaus Krampitz, „Und wir stärken wir ihnen den Rücken, damit sie die Hoffnung nicht aufgeben.“ Wohnraum schaffen, eine wirksame Mietpreisbremse einführen – es gebe Einiges, das gegen Wohnungslosigkeit getan werden müsse, ergänzt Direktorin Sabine Federmann. „Aber das liegt nicht alleine in unserer Hand.“
Die Zentrale Beratungsstelle
In der Zentralen Beratungsstelle für Menschen in besonderen sozialen Schwierigkeiten finden alleinstehende Männer ab 18 Jahren Unterstützung in den Bereichen Existenzsicherung und Wohnungslosigkeit. Außerdem werden im Rahmen der Straßensozialarbeit Frauen und Männer betreut. Die Beratungsstelle ist von Montag bis Donnerstag von 9 bis 12.30 Uhr und Donnerstag von 14 bis 16 Uhr geöffnet. Unter 0202/264 774 – 00 können auch außerhalb der Sprechzeiten Termine vereinbart werden.
Text und Foto: Sabine Damaschke
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