20.07.2021Claudia Otte
Wupperverband nimmt Stellung und weist Vorwürfe zurück
Wetterwarnungen in entsprechende Handlungen umgesetzt
Vor dem Hochwasserereignis hat der Wupperverband die vom DWD eingegangenen Prognosen in sein Handeln einbezogen.
Diese Prognosen waren am Wochenende und zum Wochenbeginn am 12.07. zunächst noch mit deutlichen Unsicherheiten behaftet bzgl. der Regenmengen und bzgl. der genauen Lage des Regengebiets.
Am Dienstag, 13.07., lautete die Prognose, es könnten lokal in einem Streifen vom östlichen Münsterland bis in die Eifel Regenmengen von über 100 Litern pro Quadratmeter in 24 Stunden möglich sein.
Tatsächlich brachte der Starkregen am 14.7. flächendeckend Regenmengen zwischen 120 und 160 Litern pro Quadratmeter. Dies betraf weitgehend das ganze 813 Quadratkilometer große Einzugsgebiet der Wupper.
In dieser Dimension und flächendeckenden Ausbreitung gab es zu keinem Zeitpunkt eine seriöse Vorhersage für das Wuppergebiet.
Anhand der Prognosen vom Sonntag 11.07. und Montag 12.07. hatte der Wupperverband ab Montag 12.07. begonnen, vermehrt Wasser aus den Brauchwassertalsperren oberhalb der Wupper-Talsperre und auch aus dieser selbst abzugeben, um Freiraum zu schaffen.
Der Starkregen brachte innerhalb von 24 Stunden so extreme Niederschlagsmengen, die etwa einem Zehntel der durchschnittlichen Jahresmenge im Wuppergebiet entsprechen.
Um diese enormen Regenmengen zu puffern, hätte der Wupperverband die Wupper-Talsperre in kürzester Zeit um mehr als die Hälfte des Stauinhalts entleeren müssen.
Um eine solche gewaltige Menge ohne schädliche Wirkung für die Unterlieger in Wuppertal abzuführen reichte die Zeit von Montag an nicht aus.
Die Regenmengen am 14.7. haben den Talsperren des Wupperverbandes in kurzer Zeit so viel Zufluss gebracht, wie bisher selbst bei hohen Winterhochwässern in der Vergangenheit nicht zusammenkam.
Die Abflüsse an den Pegeln aller Bäche und der Wupper stiegen auf bisher unerreichte Marken Die alten Höchstmarken wurden an manchen Stellen um mehr als das Doppelte übertroffen.
Dadurch sind den Talsperren so hohe Mengen an Wasser zugeflossen, wie noch nie zuvor.
Die Talsperren haben bis zum Erreichen ihrer Stauziele große Teile dieser enormen Wassermengen gepuffert und dadurch die Hochwasserwelle verlangsamt.
Während Zuflüsse aus dem ungepufferten Einzugsgebiet unterhalb der Talsperren schon für eine erste „Welle“ sorgten, konnten die ebenfalls extremen Wassermengen aus dem Oberlauf der Wupper zunächst in den Talsperren eingestaut werden. Mit steigendem Stauinhalt in den Talsperren musste auch die Abgabe an den Unterlauf stufenweise erhöht werden.
Die gestufte Erhöhung der Abgaben hat die Hochwasserwelle im Unterlauf deutlich verlangsamt ansteigen lassen, als es ohne Talsperren der Fall gewesen wäre.
Darüber hinaus hat das zeitliche Auseinanderziehen der Wellen dafür gesorgt, dass sich diese nicht zu einer deutlich höheren Hochwasserwelle vereinigt haben.
Ohne diese Maßnahme wäre der Pegel der Wupper deutlich schnellerangestiegen und in der Spitze auch deutlich höher ausgefallen. Die Überflutung weiterer größerer Teile unterhalb der Wupper-Talsperre, z. B. der Wuppertaler Talachse, hätte dann nicht verhindert werden können und die zerstörerische Kraft der Welle wäre deutlich größer gewesen.
Zu keinem Zeitpunkt wurde das Hochwasser in der Wupper durch die Abgabe aus der Wupper-Talsperre verschärft. Die Talsperre hat die Wassermenge in der Wupper nicht zusätzlich erhöht. Beim Erreichen des Vollstaus der Talsperre wurde so viel Wasser aus der Talsperre abgegeben, wie auch ohne Talsperre in der Wupper geflossen wäre.
Talsperren im Vollstau: alle Bauwerke haben standgehalten
Die großen Wassermengen führten am 14.7. dazu, dass die Talsperren, u.a. die Wupper-Talsperre und die Bever-Talsperre, den Vollstau erreichten. Sie hatten keinen Freiraum mehr, so dass genauso viel Wasser aus den Talsperren abgegeben wurde wie zufloss. Die Hochwasserentlastungen der Talsperren sprangen an. Die Talsperren „liefen über“.
Die Bauwerke, Staumauern und Dämme, haben auch in dieser Hochwassersituation einwandfrei funktioniert.
Alle Wassermengen konnten kontrolliert über die jeweilige Hochwasserentlastung abgegeben werden. Kein Damm oder keine Staumauer wurde überspült, was zu massiven Schäden bis hin zum kompletten Versagen des Bauwerks führen könnte.
Die Talsperren haben auch im Falle dieses extremen Hochwassers standgehalten.
Aus der Wupper-Talsperre wurde in der Spitze am 15.7. frühmorgens eine Wassermenge von rund 190 Kubikmeter pro Sekunde abgegeben. Damit hat das Bauwerk sogar noch mehr geleistet, als für ein Hochwasser, das rechnerisch alle 10.000 Jahre auftritt, für diese Talsperre bemessen war.
Fazit:
Im Sommerhalbjahr ist in den Brauchwassertalsperren wie der Wupper-Talsperre kein Hochwasserschutzraum vorgesehen. Denn im Sommer sollen möglichst hohe Wassermengen für die Abgabe aus der Talsperre an die Wupper in Trockenzeiten vorgehalten werden.
Das extreme Regenereignis, das zu dem Hochwasser führte, war in der dann auftretenden flächendeckenden Intensität für das Wuppergebiet so nicht frühzeitig vorhergesagt worden.
Um die Wupper-Talsperre ab Vorliegen einer konkreten Vorhersage für das Wuppergebiet um mehr als die Hälfte zu entleeren, reichte die Zeit nicht aus.
Selbst wenn dies machbar gewesen wäre, hätte dies zu einem Hochwasser vor dem eigentlichen Hochwasser geführt, und sowohl Unterlieger als auch Bootssportler, Angler etc. auf der Wupper in Lebensgefahr gebracht.
Die Wupper-Talsperre hat durch die Steuerung der Abgabe bis zu ihrem Überlaufen einen wesentlichen Beitrag geleistet, um noch schlimmere Auswirkungen für die Wupper zu verhindern. Der Zufluss zur Talsperre lag oberhalb dessen, was statistisch einmal in 10.000 Jahren zu erwarten ist.
Weiter mit:
Warum enthält die Stellungnahme so wenig Zahlen? Warum liest sie sich wie eine Rechtfertigung? Was hat für den Wupperverband Priorität? Der Schutz der Bevölkerung unterhalb der Staubauwerke oder der Schutz der eigenen Mitarbeiter gegenüber (mehr oder weniger sachlich geäußerten) Vorwürfen?
1.) Warum steht dort nicht, dass die Wuppertalsperre 3 Tage vor dem Hochwasser im Vollstau war? Warum steht dort gleich, dass im Sommerhalbjahr kein Hochwasserschutzraum vorgesehen ist (also die Rechtfertigung davon)?
2.) Warum steht dort nicht, wieviel Wasser am Montag und Dienstag abgelassen wurde, sondern nur, dass die Zeit nicht ausgereicht hat, um genug Wasser „ohne schädliche Wirkung“ abzulassen (also wieder die Rechtfertigung)?
Die Talsperre fasst maximal 26 Mill. m³. Um die Hälfte davon binnen 48 Stunden abzulassen, muss ein Abfluss von 75 m³/s erreicht werden. Warum war das nicht möglich? (Das ist kein Vorwurf! Dafür kann es technische Gründe geben. Aber die stehen leider nicht im Bericht.) Warum gefährdet ein Abfluss von 75 m³/s Unterlieger, Angler und Bootssportler? Und warum war dann am 15.7. ein Abfluss von 190 m³/s möglich?
3.) Warum ist nach dem Regenereignis vom 29. Mai 2018 immer noch kein Hochwasserschutzraum im Sommerhalbjahr vorgesehen? Und warum endet der Bericht mit der Feststellung, dass das Hochwasser nur einmal in 10.000 Jahren auftritt? Heißt das, der Wupperverband hat alles richtig gemacht und kann sich die nächsten 10.000 Jahre zurücklehnen? Beunruhigender kann eine solche Erst-Analyse nicht enden.
Mein Fazit ist: Eine Brauchwassertalsperre, die vorrangig dem Hochwasserschutz dient, muss spätestens seit dem 14.07.2021 auch in den Sommermonaten einen Hochwasserschutzraum vorhalten. Die statistische Berechnung, wie oft ein solches Regenereignis zu erwarten ist, gehört dringend auf den Prüfstand. Bei der Häufung der lokalen Unwetterereignisse und dem Wissen um die globalen Klima- und Wetterveränderungen kann die Berechnung nicht mehr auf einer tumben statistischen Auswertung der letzten hundert Jahre beruhen. 10.000 Jahre sind eine tolle Schlagzeile aber kein vernünftiger Bemessungszeitraum.
Die Frage ist nicht, ob sich die verantwortlichen Mitarbeiter zum fraglichen Zeitpunkt an alle Regeln und Vorgaben gehalten haben, sondern, wie die Erfahrungen der (jüngsten) Vergangenheit genutzt werden, um diese Regeln zukunftfest anzupassen, damit die Wuppertalsperre unter den veränderten Rahmenbedingungen ein effektives Werkzeug der Hochwasserbekämpfung für ihre Unterlieger bleiben kann.