23.03.2020

Mannesmann in Remscheid

Ein einzigartige Fundgrube bildet die hier anzuzeigende Veröffentlichung über eine der bedeutendsten Unternehmerdynastien Deutschlands. Zahlreiche Fotos, Faksimiles, Dokumente und Zeichnungen lockern den Text auf.

Vier Generationen Mannesmänner stellt Horst A. Wessel dem Leser vor – vom Ende der 18. bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts. Es ist die Zeit, schreibt der Autor schlaglichtartig, „in der in England die Industrialisierung begann und einige Jahrzehnte später auch Wirtschaft und Gesellschaft Kontinentaleuropas revolutionierte, in der nach Kriegen das Deutsche Reich entstand und wie seine Nachbarn nach politischem, militärischem und wirtschaftlichem Einfluss strebte. In der ein übersteigertes Konkurrenz- und Machtdenken schließlich zum Ersten und dann auch zum Zweiten Weltkrieg führte“ (S. 297).

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Wessel stellt die vier Generationen in ihrer zeitlichen Abfolge dar: Die erste Generation mit Johann Heinrich und Maria Magdalena Mannesmann, die zweite mit Johann Arnold und Dorothea, die dritte mit Arnold und Clara sowie Reinhard sen. und Clara sowie die vierte mit Alfred, Carl, Max, Otto, Reinhard jun. und Robert Mannesmann. Nicht selten spielten die Frauen eine bedeutende Rolle auch in unternehmerischer Hinsicht, auch wenn sie sich, den gesellschaftlichen und oft auch rechtlichen Gegebenheiten Rechnung tragend, im Hintergrund hielten.

Als ein ganz großer Wurf erwies sich die Erfindung des nahtlos gewalzten Stahlrohrs, mit dem der Siegeszug der Mannesmänner neue Dimensionen annahm. Internationale Dimensionen: Der Röhrenhersteller, der eine Zeitlang mit dem Verkauf von Heiligenbildchen Kasse machte (S. 32), engagierte sich im europäischen Ausland, aber auch den USA und Nordafrika, hier vor allem in Marokko.

Der Autor zitiert die französische Zeitung „Liberté“, die während des Ersten Weltkrieges geschrieben habe, die Familie Mannesmann könne sich rühmen, „ein Achtel Marokkos zu besitzen“ (zit. auf S. 260). Wie Wessel beteuert, hätten sich die Mannesmänner von den „typischen Kolonialisten“ deutlich unterschieden.

Wie auch immer: Mit der militärischen Niederlage war ein beispielloser Niedergang verbunden, den nicht zuletzt französische Investoren nutzten. Die Familie Mannesmann versuchte sich, notgedrungen, in der Herstellung von Automobilen, elektrischen Geräten und pharmazeutischen Produkten. Zug um Zug verblasst der Name Mannesmann.

In den 1980er-Jahren erfolgte – letztes Kapitel des Buchs – die Kooperation mit dem ehemaligen Konkurrenten Krupp, vorangetrieben von Werner H. Dieter, der im letzten Kapitel vorgestellt wird. Auch wenn sich der Konzern über den Mobilfunk zeitweise neu zu erfinden wusste: Am Ende stand ein „furioser Untergang“ (S. 321).

Zwei Jahrhunderte deutscher Wirtschaftsgeschichte anhand einer seiner bedeutendsten Dynastien ausgebreitet zu haben mit all dem auch technischen Wissen, über das der Verfasser verfügt, ist ein große Leistung, an der auch keinen Abbruch tut, dass politische Ereignisse mitunter stiefmütterlich behandelt werden.

Der am 12.4.1943 in Bonn geborene Autor leitete von 1983 bis 2008 das Mannesmann-Archiv und hat sich mit einer großen Zahl von Darstellungen über das Firmenimperium Mannesmann einen Namen gemacht. Er war seit seiner Habilitation 1995 als Privatdozent, später als außerplanmäßiger Professor für Wirtschaftsgeschichte an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen/Nürnberg tätig. Wessel leitete viele Jahre den Düsseldorfer Geschichtsverein, den Verein Alter Münstereifeler, die Gesellschaft für Unternehmensgeschichte, den VDE-Ausschuss „Geschichte der Elektrotechnik“ und den Förderverein Mannesmann-Haus, der das Buch herausgegeben hat.
MATTHIAS DOHMEN

Horst A. Wessel, Tüchtige Handwerker – Geniale Ingenieure – Wagemutige Unternehmer. Vier Generationen der Familie Mannesmann in Remscheid (1768-1950), Essen: Klartext 2019, 326 S., ISBN 978-3-8375-2171-9, 29,95 Euro.

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