30.08.2024Voon
Frieden, Liebe und die Revolte für das Leben
Schwül war es am Donnerstagabend in der City-Kirche, knapp 70 Personen hörten den Diplomtheologen Peter Bürger zum Thema Weltfrieden, Pazifismus und Klimaerhitzung ; eingeladen hatte das Friedensforum Wuppertal. Ein jüngeres Publikum hatte sich nicht einfinden wollen und so kam der Referent angesichts des älteren Publikums schnell zum geübten Wir-Ton.
Peters Bürgers Ausführungen folgten im Wesentlichen einem Schwarz-Weiß-Schema, das jede andere Farbe ausschloss. Von Leben und Tod war die Rede, von der Todes-Industrie, von den Todes-Wissenschaften, vom Wir und vom Die, vom hochaggressiven Homo sapiens und von der Liebe. Vom hochaggressiven Patriarchat und von der mütterlichen Sorge. Und was dergleichen mehr ist, wenn man sich die Welt einfach machen will und sie in Schwarz und Weiß, in Gut und Böse spaltet.
Dementsprechend fand sich im Vortrag unsere Wirtschaftsordnung – der Kapitalismus – auf der Todesseite wieder, mit den Attributen destruktiv und zerstörerisch. Zuverlässig stellten sich auch die Ressentiments gegen die USA mit den Schreckensmännern Busch und Reagan und dem Völkermord im Irak ein. Vom Sozialismus dagegen kein Wort, kein Wort von den in den sowjetischen Gulags umgekommenen und den in Rotchina erschlagenen und verhungerten Millionen von Menschen – all dies passte nicht in das Kindchen-Schema einer Welt, in der Atombomben, Militarismus, Kapitalismus und Todes-Industrien verdammt werden müssen, damit um so strahlender die Liebe, die Solidarität und der Welt-Frieden sich darüber erheben kann. Die Massenvernichtungen des Holodomor, der Roten Khmer und der Völkermord in Ruanda blieben ausgeblendet. Geraunt wurde umso mehr von der drohenden Barbarei der Zukunft, von Massenvernichtungstechnologien an den europäischen Außengrenzen und von der Auslöschung der Gattung Mensch durch die Atombombe.
Der Tonfall brachte es – wie so oft – an den Tag: ein eher behaglicher und gut gelaunter Tonfall, wenn der Redner vor dem Untergang warnte, die Katastrophe kommen sah und sie doch verhindern wollte. Es ist dies eine wiederholte Erfahrung angesichts von Reden zu Frieden und zur Klimaerwärmung, wie selbstverliebt und frei von Zweifeln diese Redner ihren Vortrag halten, wie triumphierend ihr Tonfall angesichts des – fast – sicheren Untergangs ist und wie wenig reflektiert sie in Bezug auf diesen Tonfall und ihre Sprache sind, obgleich sie das Problematisieren und das Innehalten auf ihre dunklen Fahnen geschrieben haben.
Und so durchgängig so auch an diesem Abend die Farbe Schwarz vorherrschte und eine Welt voll von westlicher Brutalität gezeichnet wurde, so nichtssagend waren die Forderungen und Lösungen: Eine Revolte für das Leben, ein Glauben an die Schönheit der Gattung, eine Kultur, in der man sterblich sein kann. Derartige schwammige Appelle sind wohlfeil und aus ihnen folgt in der Regel – praktisch nichts.
In Bezug auf die Probleme von Krieg und Frieden, von Klimakrise und ökologischen Raubbau erwies sich der Vortrag als ein Appell an schlichte Gemüter: Keinen Gedanken verschwendete der Referent darauf, dass Muslims oder orthodoxe Christen ein Dialogangebot wohl zurückweisen würden, in dem der Mensch als intelligentes Säugetier adressiert wird; keinen Gedanken verschwendete er darauf, dass kriegerische Zerstörungen nicht nur Leben gekostet, sondern auch gerettet haben: dass Peter Bürger an diesem Abend 79 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs in Europa diesen Vortrag in der City-Kirche halten konnte, verdankt er weniger pazifistischen Appellen als vielmehr auch den amerikanischen Bombern, die Deutschlands Infrastruktur im 2. Weltkrieg großflächig zerstörten, 5 Millionen jüdische Europäer vor ihrem sicheren Tod bewahrten und Deutschland zu einer Demokratie machten, in der Menschen bis heute ihre öffentliche Meinung ohne Angst vor Verfolgung, Folter und Auslöschung äußern können.
Dies zu bedenken und nicht nur von Liebe und Schönheit zu raunen, ist die Herausforderung unserer Zeit.
Marko Kafé
CC BY-SA 4.0
<https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0>, via Wikimedia Commons
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