„2022 – ein Jahr des Aufbruchs für Wuppertal?“
„2021 war in vielerlei Hinsicht ein ,Krisenjahr‘. Corona und die Flutkatastrophe prägten das Bild des abgelaufenen Jahres. Und im ersten Moment verspricht der Jahresstart 2022 wenig Veränderung: Wir laufen auf die fünfte Corona-Welle zu – diesmal verursacht durch die Omikron-Variante. Und wir schauen mit Sorge darauf, ob Impfgeschwindigkeit und Kontaktbeschränkungen mit der Dynamik des Virus Schritt halten und wir von weiteren massiven Einschränkungen des öffentlichen Lebens absehen können.
Zum letzten Jahreswechsel hatten wir gemeinsam die große Hoffnung, dass durch den Impfstoff und die anlaufende Impfkampagne das Virus eingedämmt werden könnte und uns eine Rückkehr zur Normalität vergönnt sein würde. Zum jetzigen Jahreswechsel wissen wir, dass es vermutlich darum gehen wird, eine neue Normalität mit dem Virus und seinen Varianten zu gestalten. Es ist wichtig, dass wir uns von der Corona-Pandemie nicht gefangen nehmen lassen.
Und darum lohnt sich ein zweiter optimistischer Blick auf dieses Jahr 2022: Die neue Bundesregierung hat sich ein umfassendes Aufbruchsprogramm für unser Land verordnet: bei Klimaschutz, Digitalisierung, Entbürokratisierung und der Stärkung einer offenen Gesellschaft. Und bei all diesen brennenden Fragen ist es Zeit, dass konsequent gehandelt wird.
Deutschland ist im Aufbruch und Umbruch, und die Frage für Wuppertal wird sein, ob wir als Stadt mit dabei sind. Darum ist es für Wuppertal so wichtig, mit der richtigen Haltung in dieses Jahr 2022 zu starten.
Wir sollten den Mut (in) unserer Stadt stärken, wir sollten das Selbstbewusstsein entwickeln, trotz schwieriger Randbedingungen Impulsgeber sein zu können. Wir sollten einen klaren Blick dafür entwickeln, welche Rolle die Stadt in den sich abzeichnenden Veränderungen spielen kann. Lassen Sie uns Teil des nationalen Aufbruchs sein!
Die Voraussetzungen in Wuppertal im Jahr 2022 stehen dafür gut:
In der Stadt treffen wir in den kommenden Monaten wichtige Grundsatzentscheidungen: Der Rat wird den Doppelhaushalt 2022/23 verabschieden und wird damit sowohl kurz- als auch mittelfristig die Weichen bei Ausgaben und Investitionen in Wuppertal stellen.
In den kommenden Monaten entscheidet sich sowohl bei der BUGA-Gesellschaft als auch in der öffentlichen Debatte, ob Wuppertal Austragungsort der Bundesgartenschau 2031 wird.
Dazu kommen mehre Jubiläen und Highlights, die Wuppertal 2022 auch weit über die Stadt hinaus leuchten lassen: der 200-jährige Geburtstag der Sparkasse Wuppertal, der 50-jährige Geburtstag der Bergischen Universität, der Solar Decathlon (SDE) im Juni und eine große Circular Valley Conference im September des Jahres.
All das können Bausteine eines Aufbruchs sein. Um diesen Aufbruch zu ermöglichen, braucht es eine Perspektive, die an Wuppertal und seine Möglichkeiten glaubt. Die sich tragen lässt von den vielen Orten des Gelingens und sich nicht immer wieder von schwierigen Randbedingungen und punktuellem Scheitern herunterziehen lässt.
Es braucht aber insbesondere eine Kultur des gemeinsamen Handelns. Denn die Potenziale Wuppertals werden sich – wie auch in der Vergangenheit – nur im engen Zusammenspiel von Stadtgesellschaft, Unternehmen, Politik und Verwaltung mobilisieren lassen.
Für eine solche politische Kultur möchte ich werben. Lassen Sie uns das konstruktive Miteinander stärken! Lassen Sie uns die fehlenden klaren Mehrheitsverhältnisse im Rat als Chance für die Suche nach den für Wuppertal besten Lösungen nutzen!
Dazu möchte ich auch als Oberbürgermeister im kommenden Jahr beitragen:
• Durch das aktive Einbringen von Aufbruchsthemen, damit Politik und Stadtgesellschaft dazu Position beziehen können.
• Durch den politischen Brückenbau nach Berlin und Düsseldorf und zu überregionalen Partnern, um Zukunftsthemen im überregionalen Schulterschluss für Wuppertal voranzubringen.
• Durch eine Stärkung der Transformateure und Transformationsnetzwerke, die wir heute schon in der Stadt haben.
Lassen Sie uns 2022 zu einem Jahr des Aufbruchs für Wuppertal machen! Das Jahr bietet alle Gelegenheiten dafür.
Vier Schlüsselereignisse des Jahres 2022 stehen insbesondere für diese Chance. Sie können den Kompass für den Wuppertaler Aufbruch im kommenden Jahr bilden und Akzente weit über Wuppertal hinaus senden. Sie sind Ausdruck der Kraft Wuppertals gestern, heute und morgen:
• das 200-Jahres-Jubiläum der Sparkasse Wuppertal und die ungebrochene Bedeutung von gemeinwohlorientiertem Wirtschaften,
• das 50 Jahres-Jubiläum der Bergischen Universität und die unveränderte Relevanz einer gesellschaftsorientierten Wissenschaft,
• der Solar Decathlon Europe als Ausdruck der globalen Akzentgeberfunktion Wuppertals für die Gestaltung klimagerechter Städte,
• die Circular Valley Conference als Ausdruck einer Standortpolitik, die auf die Vernetzung und die Themen des 21. Jahrhunderts setzt.
Gemeinwohl-orientiertes Wirtschaften gestern und heute
Seit 200 Jahren steht die Institution Sparkasse für die Idee gemeinwohl-orientierten Wirtschaftens. Anfang des 19. Jahrhunderts sollte sie allen Menschen in der expandierenden Industriestadt die Chance zum Vermögensaufbau und der ökonomischen Teilhabe ermöglichen. Diese Idee hat sich über die letzten 200 Jahre weiterentwickelt, aber nichts von ihrer Relevanz verloren. Auch heute ist die Sparkasse durch die Idee von Gemeinwohl und Nachhaltigkeit getragen. Die Wuppertaler Sparkasse arbeitet wirtschaftlich, aber ihre Erträge fließen an die Stadt und die Stadtgemeinschaft in vielfältiger Weise zurück.
Damit passt die Sparkasse hervorragend in eine Zeit, in der das Bundeswirtschaftsministerium neue Impulse für ein angemessenes sozial-ökologisches Wirtschaften im 21. Jahrhundert setzt.
Und die Mission der Sparkasse knüpft hervorragend an die vielfältigen Ansätze einer „Wirtschaftsförderung 4.0“, einer „Sharing City“ sowie neue Formen des solidarischen Wirtschaftens an – ob in der Utopiastadt in der Elberfelder Nordstadt oder dem Bob.Campus in Wichlinghausen.
Wuppertal steht damit idealtypisch für 200 Jahre gemeinwohl-orientiertes Wirtschaften. Diese Rolle als Impulsgeber weit über die Stadt hinaus sollten wir im Jubiläumsjahr 2022 deutlich nach außen tragen und in Wuppertal aktiv weiterentwickeln.
Gesellschaftsorientierte Wissenschaft und der Mut zum Experiment
Die Gründung der Bergischen Universität – entscheidend ermöglicht durch den damaligen NRW-Wissenschaftsminister Johannes Rau – fiel 1972 in eine Zeit, als die Universitäten ein Kulminationspunkt einer Gesellschaft im Umbruch waren. Universitäten wurden zum zentralen Motor für einen Aufstieg durch Bildung – unabhängig von der sozialen Herkunft. Gerade die neu gegründeten Gesamthochschulen standen für diese Mission. Heute ist die Bergische Universität ein Ort, an dem sich eine vielfältige Studierendengemeinschaft mit herausragender Forschung verbindet.
Und die gesellschaftliche Bedeutung von Wissenschaft ist aktueller denn je – sei es beim Umgang mit der Corona-Pandemie oder der Analyse und Entwicklung von Lösungsstrategien für die Klimafrage. Die Universität Wuppertal ist bei der Suche nach Problemlösungen eng mit den Unternehmen und Akteuren der Stadtgesellschaft verbunden. Forschungscluster im Bereich zukünftiger Energieversorgung oder dem autonomen Fahren setzen international Zeichen. Und in Kooperation mit dem Wuppertal Institut hat sich Wuppertal in Forschung und Lehre zu einem der internationalen Zentren der Reallabor-Forschung entwickelt.
Stadt und Wissenschaft schaffen eng vernetzt Experimentier- und Erprobungsräume für neue Wege einer nachhaltigen Stadtentwicklung. Gerade bei kontroversen Fragen ist dieses Zusammenspiel von Experiment, guter Begleitung und gemeinsamen Lernen von besonderer Bedeutung. Die zukünftige Mobilität ist eine solche Schlüsselfrage. Hier haben wir 2021 mit dem Laurentiusplatz oder dem Anstoßen der Hatzfeldtrasse erste wichtige Schritte unternommen. Das gilt es jetzt engagiert fortzusetzen
Verstärkt um eine eigene Radverkehrsprofessur verfügt die Universität Wuppertal über eine der führenden Verkehrs- und Stadtplanungsfakultäten in Deutschland. Das schafft hervorragende Voraussetzungen, um im kommenden Jahr eine Diskussion über die zukünftige Mobilität in Wuppertal weiter voranzutreiben: von Fragen des Parkens der Zukunft, autoarmen Quartieren, der Erweiterung auch überregionaler Radtrassen bis zur richtigen Strategie für den E-Mobilitäts-Ausbau und die Digitalisierung des Verkehrs.
Wir sollten das 50-jährige Uni-Jubiläum als Anstoß nehmen, um die Impuls- und Reflexionskraft unserer Universität für mehr Mut bei der Mobilität und Fragen der nachhaltigen Stadtentwicklung zu nutzen. Auch das passt hervorragend in die nationale Kulisse.
Klimagerechte Städte – der Solar Decathlon Europe
Die klimagerechte Stadt ist auch die Überschrift für das dritte Schlüsselereignis des Jahres 2022. Mit dem erstmals in Deutschland stattfindenden internationalen Solar Decathlon wird Wuppertal auf dem Gelände der Utopiastadt zum globalen Schaufenster für nachhaltiges Bauen.
Universitäre Teams aus der ganze Welt stellen ihre Modell-Lösungen für energie-effizientes und klimagerechtes Bauen im Bestand vor. Weit über 100.000 internationale Besucher erwarten wir in Wuppertal im Juni. Ein großer Teil der Gebäude wird auf dem Gelände auch noch einige weitere Jahre als Reallabor betrieben und bleibt daher ein hoher Anziehungspunkt für das Thema.
Wir sollten diese Chance nutzen und zeigen, dass Wuppertal bei neuen Gebäude- und Energiekonzepten Impulsgeber ist – im öffentlichen und im privaten Bereich. Die angekündigten Bundes- und Landesförderprogramme sollten dazu einen weiteren Anreiz bieten.
Nachhaltiges Wirtschaften aus Wuppertal
Mit der Circular Valley-Conference im September wird es in 2022 ein weiteres Highlight geben. International führende Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik sind nach Wuppertal eingeladen, um über das – neben der Klimawende – weitere ökologische Mega-Thema „Circular Economy“ zu diskutieren.
Mit dem Circular Valley ist der Anspruch verbunden, dass die Rhein-Ruhr-Region mit ihrer einzigartigen Wirtschafts- und Wissenschaftslandschaft eine globale Taktgeberrolle für das Thema „globale Circular Economy“ haben kann. Das soll die Circular Valley-Conference im September nochmals unterstreichen.
Für Wuppertal bedeutet dies auch das Bekenntnis zu einer Standort-Strategie, die die bestehende Industriekompetenz vor Ort nutzt und damit auf Zukunftsthemen setzt. Wuppertal hat alle Potenziale ein führender Nachhaltigkeitsstandort zu werden – mit der damit verbundenen Attraktivität gerade für hoch qualifizierten Nachwuchs. Viele Wuppertaler Unternehmen haben sich auf den Weg gemacht.
Die Circular Valley-Strategie steht aber auch für die Erkenntnis, dass jede Standort-Strategie für Wuppertal immer nur mit der Perspektive auf seine besondere Rolle im Bergischen Land und der Scharnierfunktion in der Rhein-Ruhr-Region sinnvoll ist. Zusammen mit der Wirtschaftsförderung Wuppertal und der Bergischen Struktur- und Wirtschaftsfördergesellschaft BSW ist 2022 daher die ideale Gelegenheit, um das Profil des Wirtschaftsstandortes Wuppertal weiter zu schärfen.
Die BUGA als Dach für die Zukunftsgestaltung der 2020er-Jahre
Die Bundesgartenschau in ihrer aktualisierten Konzeption könnte für alle diese Themen von der „Nachhaltigen Mobilität“ über den Klimaschutz bis zur „Circular Economy“ ein gemeinsames Dach bieten. Sie wäre 2031 das Schaufenster, das rund zwei Millionen Besucherinnen und Besuchern die Chance gibt zu sehen, was Wuppertal in diesen 20er-Jahren an Zukunftsthemen auf den Weg gebracht.
Hierin steckt eine gewaltige Chance für die Einwerbung von Fördergeldern und privaten Investitionen. Der Mut zu einer BUGA wäre der besondere Ausdruck des neuen Selbstbewusstseins der Stadt.
Lassen Sie uns 2022 zu einem Jahr machen, in dem Wuppertal beweist, was es kann. Ein Jahr, in dem Wuppertal Akzente setzt und sich neu erfindet. Zu einem Jahr, in dem ganz viele Menschen für ein kraftvolles Wuppertal zusammenstehen
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in das neue Jahr!
Uwe Schneidewind“
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