19.03.2010ADI
Auf dem richtigen Weg?
Die Diskussion zwischen der Freien Szene auf der einen und dem OB, dem Kulturdezernenten und der Leiterin des Kulturbüros am 16. März in der Börse war engagiert und z.T. auch emotional, aber in keiner Weise „aufgebracht“ (Zitat WZ).
Auch gab es bei den städtischen Vertretern keine „betretenen Gesichter“ angesichts der kleinen Einlage einiger sich zu Boden werfender Akteure. Und es kam schon gar nicht zum „Eklat“, wie es eine Meldung auf der website der Lokalzeit BergischLand suggerierte.
Ob in China ein Sack Reis umfällt, oder in der Börse zwölf KünstlerInnen – beides macht auf OB und Dezernent gleich wenig Eindruck (zumal die Stadtspitze von der Aktion wissen musste).
Herr Jung und Herr Nocke gerieten auch nicht in „Erklärungsnot“, wie die WZ schrieb. Vielmehr hat der OB den Vortrag, den er seit Veröffentlichung des HSK in allen Gremien und auf allen Versammlungen zur Rechtfertigung des Konzeptes hält, auch in der Börse gehalten. Routiniert und souverän, natürlich.
Und über allen Gipfeln war Ruh´.
Was auch auf dieser Versammlung überhaupt nicht zum Ausdruck kam, war eine Frage, die in der März-Ausgabe der Zeitschrift DIE DEUTSCHE BÜHNE so formuliert wird:
Die Frage, wie viel Geld für die Kultur noch übrig ist nach dem Aderlass zugunsten schlecht geführter Banken und Unternehmen, ist eine Frage politischer Prioritäten und nicht jener Sachzwänge, hinter denen sich Politik gern versteckt. So schreibt die Münchner Unternehmensberatung actori in einer aktuellen Studie, es werde „entscheidend auf die Reaktion der Politik ankommen, ob das Niveau der bisherigen öffentlichen Kulturfinanzierung gehalten werden kann“. Allein die Differenz der Dimensionen führt ohnehin jede Sachzwang-Behauptung ad absurdum: Einerseits sollen Sparten oder womöglich ganze Theater zugrunde gehen, damit man ein paar Millionen spart; andererseits wurden allein für den „Rettungsschirm“ der Banken 500 Milliarden Euro bereitgestellt. Davon könnte man die gesamte öffentliche Kulturförderung in Deutschland in gegenwärtiger Höhe auf rund 60 Jahre sicherstellen.
Dabei ist die Situation absurd: Im gleichen Moment, wo die Wirtschaft freudig ihrer Erholung entgegensieht, gehen die öffentlichen Haushalte in die Knie, weil in erster Linie weder die Bürger noch die Gemeinwesen von der öffentlich geförderten „Gesundung“ der Wirtschaft profitieren, sondern Aktienbesitzer, Manager und Banken.
Hier wird deutlich, worum es eigentlich geht: um eine Umverteilung im Sinne ökonomischer Lobbies. Dazu noch ein Zitat aus der genannten Zeitschrift:
Hat sich dieses Wirtschaftssystem in den vergangenen Monaten etwa so gut bewährt, dass man ihm die Kultur, ja ein ganzes Bildungsideal opfern soll, zu dem ja nicht nur die ästhetische Bildung gehört, sondern auch jene zeitlich begrenzte Freiheit des Hochschul-Studiums, die gerade durch die Bologna-Reformen entsorgt wird– damit die Studenten besser in eben jenes Wirtschaftssystem passen?
Diejenigen, die Aktien haben und in den Spitzenpositionen der Banken und Unternehmen sitzen, werden vor dem Schaden, den sie selbst angerichtet haben, mit öffentlichem Geld geschützt. Dieses Geld fehlt in den Kassen der öffentlichen Hand. Zugleich geht die wirtschaftliche „Gesundung“ einher mit dem Verlust von Arbeitsplätzen, weil Betriebe „schlank gespart“ werden. Die damit erwirtschafteten Gewinne kommen einer wohlhabenden Minderheit zugute, während die öffentlichen Haushalte auch noch die Unterstützung der Arbeitslosen und Kurzarbeiter schultern müssen, die beim Schlanksparen aussortiert wurden. Was im Endeffekt nichts anderes bedeutet, als dass die öffentliche Hand ihre Aufgaben immer weiter einschränken muss.
Wem aber kommen die Leistungen der öffentlichen Hand zugute? Natürlich: denen, die sie in Anspruch nehmen, weil sie sich diese Leistungen nicht selber leisten können. Wer Bücher und Medien selbst kaufen kann, kommt ohne öffentliche Bibliothek aus. Wer einen Swimmingpool hat, braucht keine öffentliche Badeanstalt. Und wer seine Theaterbedürfnisse auf Reisen nach Salzburg oder Bayreuth, Berlin oder München befriedigen kann, dem kann das Theater in Köln oder Wuppertal, Hagen oder Oberhausen selbst dann piepegal sein, wenn er in einer dieser Städte wohnt.
All die Menschen aber – und sie bilden in diesem Gemeinwesen die Mehrheit –, die sich all das nicht leisten können, gucken in die Röhre. Und deswegen würde eine Schließung des Schauspiels in Wuppertal, ein Heruntersparen des Schauspiels in Köln auf Provinzniveau, eine Umwandlung des Theaters Hagen in ein Bespielhaus ein Basisargument markwirtschaftlicher Ideologie Lügen strafen: dass der Wohlstand der Wohlhabenden auch dem Gemeinwesen zugute kommt. In diesen Wochen ist zu beobachten, wie die Prosperität im Lande umverteilt wird: Die Reichen werden reicher und die Armen werden ärmer. Und das nicht nur in dem Sinne, dass die Verdienst- und Vermögensdifferenz zwischen beiden Gruppen immer weiter auseinanderklafft; sondern auch in dem Sinne, dass die öffentlichen Einrichtungen, die Ungleichheit durch Leistungen des Gemeinwesens kompensieren, immer schwächer werden.
Ob die Freie Szene in Wuppertal mit 80.000 oder mit 113.000 EURO gefördert wird, ist hier zweitrangig – an den Mitteln des Kulturbüros hat sich ohnehin noch nie ein Künstler gesund gestoßen. Albern ist es angesichts der im Raume stehenden Summen, an dieser Stelle überhaupt von einer Notwendigkeit der Kürzung zu sprechen. Konsequenterweise sollte die Stadt Wuppertal gleich das ganze Kulturbüro und mit ihm auch das Dezernat auflösen. Wirklich gebraucht werden beide nicht mehr. Und das Einsparvolumen wäre zumindest nennenswert. Ich zumindest würde das befürworten.
Interessant und notwendig wäre die Frage nach Formen einer möglichen Gegenwehr. Es ist nicht nur die Freie Szene betroffen, nicht nur das Schauspielhaus, nicht nur die Kultur, sondern auch soziale Arbeit, Bildung und demokratische Grundstrukturen. Dies alles gehört ohnehin zusammen und es ist nicht sehr schlau, etwa zwischen Kultur (minus 30%) und Bildung (wichtiger, deshalb „nur“ minus 10%) zu trennen. Kultur ist Bildung ist Soziale Arbeit ist Zivilisation!
Bedauerlich ist, dass wir als „Freie“ es nicht geschafft haben, das Thema von der eigenen Betroffenheit weg und hin zum großen Ganzen zu öffnen.
Die seit Jahren als schleichender Prozess laufende Kapitalisierung und Ökonomisierung des Gemeinwesens ist das eigentliche Thema. Und hier müsste man endlich einmal aufstehen und STOPP rufen. Wer, wenn nicht die Freie Szene, ist unabhängig und kreativ genug, den nötigen Anstoß zu geben? Intendanten bekommen genauso wie andere städtische Bedienstete vom OB einen Maulkorb umgehängt (und nehmen dies hin). Kommunalpolitiker blicken selten über den Tellerrand hinaus und noch seltener durchblicken sie die Strukturen, die hinter solchen Tendenzen stecken. Landtags- und Bundestagsabgeordnete beugen sich dem Druck von Fraktion und Lobbies (wenn es denn überhaupt nötig ist, sie zu „beugen“).
Noch einmal aus der DEUTSCHEN BÜHNE:
Aber auch das passt wieder auf erschreckende Weise ins Gesamtbild. Was fällt denn als erstes hinten ‘runter, wenn die gymnasiale Schulzeit auf acht Jahre verkürzt wird? Richtig: die viel gepriesene ästhetische Bildung. Was bleibt als erstes auf der Strecke, wenn die Universitäten durch die Bachelorisierung immer mehr unter den Druck wissenschaftlicher Planzielerfüllung geraten? Richtig: ein Bildungshorizont, der über den begrenzten Fachbereich des anvisierten Berufsfeldes hinausgeht. Und hinterher wundern wir uns, wenn Wirtschafts-„Weise“, Banker und Manager demnächst noch fachidiotischer handeln, als sie es bei der Verursachung der Bankenkrise ohnehin schon getan haben.
Hinter vorgehaltener Hand spricht man sogar bei der Wuppertal Marketing GmbH von dem negativen Image, dass dieses HSK der Stadt Wuppertal bundesweit angehängt hat. Und man fragt sich dort verzweifelt, mit welchen Strategien man dies wieder reparieren könne. Interessant in diesem Zusammenhang ist die in der Rheinischen Post verlautbarte Begründung für die gescheiterte Kandidatur unseres Kämmerers in Düsseldorf: „Rückwärts gewandtes Sparen“ werde mit der Person Slawigs verbunden. Sic!
Was für eine positive bundesweite Imagekampagne für Wuppertal wäre aus einer Haltung resultiert, die sich lautstark, aufmüpfig, kreativ und vor allem politisch den Menschen verantwortlich gegen die unsägliche Umwälzung unserer demokratischen Strukturen gestellt hätte. Das wäre ein „vorwärts gewandtes“ Vorgehen gewesen und Wuppertal würde verbunden mit Begrifflichkeiten wie Mut, Avantgarde und Zivilcourage im wahrsten Wortsinne.
So aber spielt Wuppertal weiter mit in einem zynischen Spiel, in dem die Bürger und Bürgerinnen nur die Spielfiguren sind (wie auch die Kommunalpolitiker) und in dem die Stadt nur verlieren kann.
„Wuppertal kackt ab“ heißt ein aktuelles Projekt des Medienzentrums. Der OB äußerte in der Börse sein Entsetzen über diesen Titel. Aber er selbst trägt dazu bei, dass der Titel der Wahrheit entspricht. Den Überbringer der Nachricht anzuklagen, ist schlichtweg Unsinn.
Der Medienunternehmer Jörg Heynkes schrieb in der WZ:
Diese Stadt braucht keine Organisationen, die peinliche Protestaktionen organisieren und damit öffentlich dokumentieren das selbst der Protest nicht wirklich gelingt. Diese Stadt braucht keine Künstler, die Musikvideos mit der martialischen Beschreibung des Untergangs über das Internet weltweit kommunizieren. Diese Stadt braucht keine Bürger, die sich ergötzen in der Beschreibung der Missstände und ihre größte Befriedigung in der sich selbst erfüllenden Prophezeiung suchen.
Peinlich sind aber nicht die Protestaktionen diverser Gruppen, sondern eine derart unreflektierte Haltung eines Unternehmers, der nicht im Entferntesten versucht, hinter die Kulissen zu blicken. Ob Protestaktionen dilettantisch oder professionell aufgezogen werden, kann hier nicht der Maßstab sein. Diese Stadt braucht keine konformistischen Glattbügler wie Heynkes, sondern Menschen, die aufstehen.
Eine Schande, dass auch wir „Freien“ nur punktuell und in Mikroprojekten (wenn überhaupt) dem entgegenwirken. Die Chance einer Initiierung einer wirklich notwendigen Bewegung (die auch über das Wirken von „Wuppertal wehrt sich“ hinausgeht) haben wir in der Börse vertan. Aber vielleicht ist es ja noch nicht zu spät.
Nette Steuergeschenke an die Wohlhabenden, während die kommunale Infrastruktur verrottet – das sollte sich kein Bürger, kein Kommunalpolitiker, kein Theater bieten lassen.
Andy Dino Iussa
Weiter mit:
Guten Tag die Herren,
meckern ist doch wohl das wenigste, was die Bürgerschaft tun darf, angesichts der einmaligen Entwicklung und Schräglage im Tal. Aber, wohlgemerkt einer Entwicklung, die auch viele andere deutsche und europäische Städte trifft.
Wuppertal steht nicht alleine vor dem gähnenden Loch, das sich auftut. Am Ende einer Wachstumsepoche ist Schrumpfen angesagt. Das ist aber keine Neuigkeit. Seit den 1970er Jahren entwickelt sich diese Szenerie, die durch die Wiedervereinigung in den 1990er Jahren etwas verzögert, nun wieder durchschlägt. Mich wundert es, dass Politik und Verwaltung so tun, als hätte man von dieser Entwicklungsperspektive noch nie etwas gehört. Seit 15 Jahren wird die Schrumpfung der Städte untersucht, und das Thema ist mittlerweile so alt, dass sich die Stadtentwicklungsforschung neuen Themen zugewendet hat.
Drei Punkte möchte ich festhalten.
1.) Wuppertal gehört zu den stark schrumpfenden Städten in Deutschland. Dieser Vorgang trifft diese Stadt nicht alleine, ist geschichtlich – aber nicht historisch – in Europa einmalig, und es gibt wenig Erfahrung im Umgang mit dieser Situation.
Eigentlich muss man sagen, dass es auf lokaler Ebene gar keine Erfahrungen gibt. Stadtverwaltung und Politik sind mit der Situation überfordert. Aus ganz verschiedenen Gründen.
Schauen wir mal nach England, dort ist man uns immer ein paar Jahre voraus. Gut, die Insel ist nicht untergegangen, aber was Schrumpfung heißt, kann man dort sehen. Gut die Hälfte, von dem was man in England sehen kann, ist Anlass das einem die Haare zu Berge stehen.
Demnach würde ich sagen, dass lautes Schreien wohl erlaubt ist.
Vielleicht sogar Panik, wenn gar keiner zuhören will.
2.) Das Festhalten und Verteidigen an der veralteten Wachstumsideologie ist, angesichts der globalen Wirtschaftsentwicklung, albern. Obwohl man krampfhaft versucht neue Billiglöhner aufzuziehen, wird ja jetzt schon anderer Orts in Masse produziert und Geld gemacht, das aktuell in Deutschland und damit in Wuppertal fehlt. Die Entwicklungsspirale der schrumpfenden Städte in Europa dreht sich erst mal weiter, und zwar bergab. Oder glaubt man im Tal, das es bei einer Sparrunde 2010 bleibt? Nein, weitere werden folgen. Wer dieses Jahr nicht vom Rotstift erwischt wird, den erwischt es 2011, 2012 oder vielleicht 2016.
Schrumpfung bedeutet Veränderung, aber warum nur Veränderung an der Lebensqualität der Bewohnerschaft, warum nicht auch Veränderungen in der Verwaltung und der Wirtschaft und zwar schmerzhaft?
Warum für immer weniger Lebensqualität, immer mehr zahlen. Während in D´dorf es anders herum ist.
Herr Heynkes hat das Pech, das die WZ ihn immer wieder als erfolgreichen Unternehmer und Stadtteilakteur ausgekramt. Das ‚glatt bügeln‘, was ja offensichtlich nicht seine Absicht ist, erlaubt es der WZ kritische Stimmen abzuschwächen und den berechtigten Protest als ewige bergische Nörgelei erscheinen zulassen.
3.) Politik und Wirtschaft haben die aktuelle Misere verursacht und als Team schon lange kein Spiel mehr für Wuppertal gewonnen. (Vergleiche dazu WSV.)Warum nicht an einen Wechsel denken? Warum nicht eine weitere Größe hinzunehmen? Politik und Wirtschaft, dazu gehört auch irgendwie der wählende Bürger, aber nur in einem gewissen Umfang, sehr begrenzt, nur alle vier Jahre mit einem Kreuz oder als Müllsammler beim Picobello-Tag. Das Duo, Politik und Wirtschaft muss aber ergänzt werden. Den neuen Spieler kann man einfach mal Bürgerschaft nennen. Es gibt, für das, was dahinter steckt viele Begriffe. Ein Spannender ist Governance. Vielleicht kennt der ein oder andere Leser den Begriff und weiß was sich dahinter verbirgt. In so einem neuen Kräftedreieck zwischen Kommune, Wirtschaft und Bürgerschaft könnten neue Dinge geschehen. Aber erst wenn der neue Spieler akzeptiert und mit entsprechender Macht ausgestattet wäre. Zugegeben zu der kommt er aber nicht einfach so. Aber dabei hilft die sich abwärtsdrehende Entwicklung der Schrumpfungsspirale.
Auch aus diesem Grund ist es wichtig eine hörbare Stimme zu entwickeln und zwar nicht nur in der Fankurve, sondern um auf dem Spielfeld Anweisungen zu brüllen.
Leider sind die Gruppe bzw. Gruppen, die für eine selbstbewusste und handlungsorientierte Bürgerschaft stehen, bisher noch nicht in der Lage mit einer Stimme zu sprechen. Das ist das, was Herr Jussa beschreibt. Aber es gab bisher auch keine Beteiligungskultur. Also denke ich das Schimpfen zum Zwecke der Stimmbildung absolut keine Schande ist, sondern notwendiges Training.
Vielleicht sollten wir über eine andere Stadt beginnen nach zudenken: Stadt im Abriss, verwilderte Stadt, kontrahierte Stadt, ausgedünnte Stadt, temporäre Stadt, Pionierstadt, umgedeutete Stadt, Do-it-yourself-Stadt, verwertete Stadt, Sonderstadt, kommunizierende Stadt und imaginierte Stadt.
Die Begriffe sind allesamt Kapitelüberschriften eines Buches über schrumpfende Städte. Vielleicht hilft das beim Nachdenken.
Guten Tag noch
Rolf Martin
Lieber Rolf Martin,
das Thema „schrumpfende Städte“ finde ich für Wuppertal sehr spannend und hätte es gerne nicht „nur“ in den Leserbriefen. Da ist es mir zu versteckt. Könnten Sie sich vorstellen, dazu Artikel zu verfassen? Schrumpfende Städte kann ja auch ein „gesundschrumpfen“ sein. In den USA hat die eine oder andere Stadt dies schon erfolgreich vorgelebt. Ich habe da Pittsburgh im Kopf.
Herzliche Grüße
G. Schrader
Gerne.
Hallo Andy!
Was für ein Zufall. Ich komme komme gerade vom Einsatz und hatte im Stau auf der A 46 wieder ‚mal hinreichend Gelegenheit zum Nachdenken: Diesmal leiteten mich meine Synapsen in die WZ von gestern. Dort war eine sog. Umfrage veröffentlicht, wonach knapp über die Hälfte der Teilnehmer eine kommulale oder öffentliche Förderung freier Kulturarbeit ablehnten, weil es (im Zeichen der Krise) in unserer Stadt dringlichere Probleme gäbe…über den statistisch-methodischen Wert solcher Erhebungen bedarf es ohnehin keiner Diskussion…was mich ärgert, ist die Meinungsmache, die sich hinter solchen Un(!)fragen verbirgt!
Wir alle, ob Wuppertal sich wehrt oder nicht, schauen gerade zu, wie unsere Stadt verottet. Mehr können wir wohl nicht tun, ausser vielleicht nicht mehr hinzuschauen – oder?
Bei allem Respekt vor Engagement und konktruktivem Protest habe ich doch das Gefühl, dass inhaltliche Auseinandersetzungen ins Leere laufen…und wenn ich bei meinem Gefühl bleibe, kann ich mich auch dessen nicht erwehren, dass Männer wie Herr Heynkes diese Diskussion im eigenen Interesse nutzen…
Auf meiner Synapsenbahn war dann noch das m.E. handwerklich wirklich gut gemachte Foto in der WZ von gestern: Unser OB – ist er nicht einer von uns?
Noch nicht genz resigniert, aber (ehrlich gesagt) ziemlich ratlos…und dennoch
mit solidarischen Grüßen
Christian
Gestatten Sie mir einen Hinweis, da Sie mich persönlich angesprochen haben:
Ich reflektiere die Chancen und Probleme dieser Stadt häufig und in vielfältiger Weise. Am Ende komme ich zu einem anderen Ergebniss als Sie. Soviel sollte möglich sein. Ich hatte in der Vergangenheit ja schon häufiger das Vergnügen mit lustigen Begriffen beschimpft zu werden, „konformistischen Glattbügler “ ist allerdings wirklich neu, kreativ und ganz besonders knuffelig. Ich bleibe auch gerne bei den Aussagen die Sie hier ausschnittsweise zitiert haben. Diese Stadt braucht mehr Menschen die sich im positiven Sinne für diese Stadt engagieren. Gerade jetzt, in Zeiten in denen viele Städte wie u.a. Wuppertal große wirtschaftliche Schwierigkeiten haben und ein Veränderungsprozess u.a. auch zur Folge hat, das die Gemeinschaft sich von vielen lieb gewonnenen und angenehmen Dingen für eine Weile entweder verabschieden- oder aber kreative Lösungen für einen neuen Weg finden muss. Es nutzt doch nichts ständig den Verlust zu beklagen und das Verbliebene in den Dreck zu treten! Wer mit offenen Augen und wachem Verstand diese Stadt betrachtet, der kann feststellen, das es hier sehr viel Wertvolles, Schönes und Gutes gibt. Die Chancen sind vielfältig und deutlich umfangreicher als in der Öffentlichkeit manchmal dargestellt. Die BürgerInnen und Bürger sollen sich positiv engagieren. Eine der zentralen Aufgaben ist übrigens die Schaffung neuer Arbeitsplätze, denn wer hier eine gute Arbeit findet, der bleibt, engagiert sich in Vereinen, Clubs, Organisationen, Gemeinden, etc. kauft hier ein und zahlt seine Steuern. Eben sagt jemand zu mir: „Sei aktiv für Wuppertal – denke und handle positiv.“ Das wäre doch mal was, oder? Machen Sie doch mit!
Werter Herr Heynkes, es geht mir nicht darum, Sie zu beschimpfen. Mit der „knuffeligen“ Beschreibung wollte ich den Gegensatz zwischen Ihrer und meiner Haltung verdeutlichen. Das scheint offenbar gelungen. Ihre Ausführungen in der WZ waren jedoch eine Beschimpfung all jener, die sich aufrichtig gegen Tendenzen wehren wollen, die den Interessen der Bürgerinnen und Bürger entgegen stehen. Ob die Protestformen nun effektiv, albern, witzig oder hilflos wirken, steht auf einem anderen Blatt. Ein in meinen Augen dringend notwendiges Aufbegehren ist an sich schon ein positives Engagement für die Stadt und ihre Menschen. Es hilft doch niemandem, die schönen Inseln in Wuppertal zu besingen, wenn drum herum elementare demokratische Strukturen aufgelöst werden. Es geht also nicht darum, das „Verbliebene in den Dreck zu treten“, sondern den ursprünglichen demokratischen Konsens vom Dreck zu befreien. Und: Ja, Arbeitsplätze. Das HSK ist dazu angetan, weitere Arbeitsplätze in der Stadt zu vernichten, das ist offenkundig. Das beginnt ja schon bei solchen Banalitäten wie der Parkraumbewirtschaftung an den Stadträndern. Denke und handle positiv. Ja. Aber nicht blauäugig. Und in aller Unbescheidenheit: Ich mache seit vielen Jahren (nicht nur in dieser Stadt) „mit“ – und das ohne Ihre Aufforderung. Wenn meine Arbeiten und Projekte von Jammerei und Miesmacherei gekennzeichnet wären, dann hätte ich schon längst keine wirtschaftliche Grundlage mehr. Ich verstehe „aktiv sein für Wuppertal“ anders als Sie.
Herr Heynkes,
Ihre Aufforderung, sich „endlich“ positiv für diese Stadt zu engagieren, ist an Zynismus kaum zu überbieten.
Diese Stadt hat Qualitäten, gerade *weil* sich seit vielen Jahren viele Leute derart für diese Stadt engagieren. – Stunden um Stunden ehrenamtlicher Arbeit wurde und wird auch und gerade von den freien Künstlern in Projete hineingesteckt. – Sowas artet auch viel zu oft in Selbstausbeutung aus und wir wollen die Politik nicht von ihrer Verantwortung entbinden. – Der Etat für eine Förderung freier Kunstszene ist schon seit Jahren ein schlechter Witz.
Sie haben ein festes Salär, und wollen *uns* hier etwas über „vielfältige Chancen“ erzählen?
Sie leben in Ihrer Welt, aber bestimmt nicht in dieser Stadt. Bitte gehen sie nach Hause und lassen uns in Ruhe.
Herr oder Frau Engola (warum verstecken sich hier eigentlich manche Leute hinter irgendwelchen Kürzeln????), folgender Hinweis erscheint mir angemessen:
– Sie haben völlig Recht, ja es sind unglaublich viele Menschen die sich seit Jahren vielfältig und positiv für die Zukunft in dieser Stadt engagieren. Ich gehe davon aus, das Sie auch dazu gehören. Das ist es ja auch was mir Mut macht!!! Es gibt nämlich viel mehr Aktive als die öffentliche Debatte meist vermuten lässt. Mich ärgert ja das Genörgel und Gejammer derer, die meist nicht aktiv sind. Da sind wir doch dann nah beieinander.
Ansonsten muss ich Ihnen leider mitteilen das ich trotz Ihrer Bitte die Stadt nicht verlassen werde. Leider gehen schon viel zu viele Menschen hier weg. Sie sollten meiner Meinung nach die Fluchtbewegung nicht unbedingt befördern. Ich jedenfalls würde mich freuen wenn Sie blieben und weiter engagiert wären. Außerdem gestatten Sie mir folgenden dezenten Hinweis bzgl. des festen Salärs: Seit 25 Jahren bin ich selbständig als Unternehmer in dieser Stadt tätig und hatte (leider) noch nie ein festes Salär sondern stets nur das Risiko meine ganze wirtschaftliche Existenz zu verlieren wenn ich meine Arbeit nicht gut genug mache. Das ist ok so, aber ich hatte noch nie das Gefühl mich dafür entschuldigen zu müssen.