13.01.2023Gedenkbuch Wuppertal
Ausstellung und Veranstaltungsreihe „1933 – Niemals vergessen!
Das komplette Programm:
„Die nationalsozialistische Machtdurchsetzung und der Terror gegen die Arbeiter:innenbewegung in Wuppertal“
Auch 90 Jahre nach der „Machtübergabe“ an die NSDAP sind viele lokale Ereignisse noch unbekannt. Das Wuppertaler Stadtgedächtnis verbindet mit dem Jahr 1933 meist nur noch die antifaschistische Demonstration am 30. Januar 1933, die Ermordung politischer Gegner wie Oswald Laufer und Alfred Meyer, die Bücherverbrennungen und schließlich die Existenz des KZ Kemna am Rande der Stadt. Andere Ereignisse sind vergessen oder sie waren noch nie Gegenstand von Gedenkfeiern und (wissenschaftlicher) Aufarbeitung.
Unsere Forschungen ermöglichen jetzt einen genaueren Blick auf die lokale Topographie des NS-Terrors, auf die NS-Täter und auch auf die ersten Toten des NS-Regimes. Die Auswertung der Wuppertaler Presse und der Nachkriegsprozesse gegen lokale NS-Täter ergab neue seltene Einblicke in das Verhältnis der konkurrierenden SA und SS zueinander, wir „entdeckten“ in der Aue sogar eine eigene SS-Kaserne in direkter Nachbarschaft zur SA-Kaserne Aue, die bisher in der Wuppertaler NS-Topographie noch nicht bekannt war.
So können wir zum ersten Mal das Ausmaß des lokalen NS-Terrors im Jahre 1933 halbwegs vollständig darstellen. Insbesondere die Überprüfung der Sterbeurkunden im Stadtarchiv Wuppertal und die Auswertung der bergischen Tageszeitungen machte die Ausarbeitung einer neuen Opferliste mit jetzt 20 Toten und aktualisierten Todesdaten möglich. Die auch im reichsweiten Vergleich hohe Zahl der der SA- und SS-Morde in Wuppertal hatte seine Vorgeschichten in den bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen der 1932/1933. Der frühe NS-Terror in Wuppertal und die folgenden barbarischen Verhältnisse im KZ Kemna sind nur in diesem Kontext zu verstehen.
Wir möchten mit unserer neuen Ausstellung die NS-Verfolgten und Widerstandskämpfer:innen würdigen und ihre Leidens- und Kampfgeschichten erzählen. Am Gravierendsten ist die Unkenntnis über die mindestens 20 Menschen, die in dem sehr kurzem Zeitraum von März 1933 bis Ende Juli 1933 in Wuppertal von SA und SS-Männern z.T. am hellichten Tag ermordet oder aus ihren Wohnungen gekidnappt und später getötet wurden. Ein zentraler Bestandteil der Ausstellungen sollen, soweit möglich, die Lebensgeschichten dieser 20 Menschen sein.
Wir möchten uns mit dieser mobilen Ausstellung gezielt in die Stadtteile und Quartiere zu einer historisch-politischen Spurensuche begeben. Unsere Adressat:innen sind insbesondere die Bewohner:innen der Quartiere und die anliegenden Schulen, Gemeinden und Vereine. Mit der Ausstellung streben wir eine Rekonstruktion der im Stadtgedächtnis vergessenen Verfolgungsorte und Verfolgten-Gruppen an. Angedacht sind auch Stadtteilbroschüren mit Stadtteilquiz und speziellen Arbeitsblättern für die Schulen, aber auch temporäre Gedenkinstallationen, die vielleicht dafür sorgen, dass das Schicksal der ein oder anderen Widerstandskämpfer:in aus dem Viertel in Erinnerung bleibt.
Darüber hinaus haben wir für das 1. Halbjahr 2023 bis zur Gedenkveranstaltung des Jugendrings am KZ Kemna am 9. Juli 2023 verschiedene Veranstaltungsformate (Gedenkfeiern, Pedelec-Fahrradtouren, Seminare, wissenschaftliche Vorträge und Stadtteilrundgänge mit weiteren Kooperationspartner:innen entwickelt und terminiert.
Besonders erfreut sind wir, das Prof. Daniel Siemens von der Universität Newcastle, der Verfasser des aktuellen Standardwerkes zur SA, unserer Einladung nach Wuppertal gefolgt ist.
Sehr gerne begrüßen wir auch Prof. Micha Brumlik (Berlin), der anlässlich des 90. Jahrestages der nazistischen Bücherverbrennungen, in der Citykirche Elberfeld zu uns sprechen wird.
Hinzu kommen auch unsere schon „traditionellen“ Veranstaltungen zum Jahrestag der Deportation der Wuppertaler Sinti und Roma nach Auschwitz am 3. März 2023 und die Gedenkwanderung in Erinnerung an das Burgholz-Massaker am 19. März 2023.
Wir würden uns sehr freuen, wenn unsere Veranstaltungen auf Interesse stoßen und Teil einer lebendigen und emanzipatorischen Erinnerungskultur im Gedenkjahr 2023 werden.
Unsere Veranstaltungsreihe, unsere Ausstellung und unsere diversen Stadtteilaktivitäten konnten erst in letzter Minute ausfinanziert werden. Wir danken daher unseren Förder:innen und Projektpartner:innen sehr herzlich: Barmenia Krankenversicherung AG, KNIPEX-Werk, Johannes Rau Stiftung, Stiftung Erinnerung, Lindau, Stiftung Kalkwerke Oetelshofen, Stadtsparkasse Wuppertal. Wir danken der Stadt Wuppertal für die Zuwendungen im Rahmen des kommunalen Förderprogramms „Gemeinsam im Quartier“, wir danken einmal mehr der Bethe-Stiftung für die erneute Möglichkeit für eine Spendenverdopplungsaktion.
Verein zur Erforschung der sozialen Bewegungen im Wuppertal e.V.
www.wuppertaler-widerstand.de
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