28.07.2024N. Bernhardt
Baustellensicherung: Gehirn einschalten verboten
Seit Jahrzehnten gibt es für Baustellen im Verkehr Richtlinien, wie diese abzusichern sind. [1] Der in beiden Richtungen von Radfahrern verpflichtend zu nutzende Designradweg auf der Industriestraße mit nur 12 Ausfahrten endet in nordwestlicher Richtung mit einem Abflug, weil dessen Ende weder angekündigt, noch entsprechend ausgeleuchtet wird: wenn überhaupt Funzeln vorhanden, bleiben diese dunkel. Wir sind so frei und haben das entsprechende Zusatzzeichen „Radfahrer abfliegen“ und „Gehirn verboten“ als Designpreis ergänzt.
Einschlägig ist stattdessen Regelplan B II/8.
In der anderen Richtung wird direkt der gesamte Gehweg zum Radweg erklärt. Wie das geht? –
Eine nach Landrecht zum Standard definierte Unart ist das „Anordnen“ von Zusatzzeichen aus dem heimischen Drucker. StVO-konforme reflektierende Zusatzzeichen würden ja Geld kosten und Aufwand bedeuten.
Eine Warnlampe ohne Beleuchtung kann ja gar nicht funktionieren. Daß Baustelleneinrichtungen mindestens täglich auf die Einhaltung der RSA [1] zu untersuchen ist, verursacht ja auch einen Arbeitsaufwand, der für Behörden und Auftragnehmer offenbar völlig unzumutbar ist.
Vor dem Gaskessel endet der Zweirichtungsradweg so plötzlich wie er anfängt. Der Bordstein – hier im Vergleich zum 10-Zoll-Rad eines E-Scooters – ist natürlich nicht abgesenkt. Wer also da ordnungsgemäß den Radweg benutzen will und etwas seitlich auffährt, rutscht am Bordstein aus und fliegt voll auf die Fresse. Oder macht sich seine Bereifung kaputt.
Im Gegensatz dazu: Wenn Kfz-Verkehr über Gehwege geführt wird, dann geht das immer und ganz plötzlich völlig vollkommen barrierefrei. Beispiele: links aktuell auf der Uellendahler Straße zwischen Albert-Schweitzer- und Leipziger Straße, rechts die 80-statt-8-Wochenbaustelle am Islandufer.
Plötzlich endet der Radweg Richtung Eugen-Langen-Straße pünktlich an der letzten der 12 Ausfahrten. Ein Gehweg-Radweg mit vielen querenden Ausfahrten ist ja nur viel gefährlicher und unfallträchtiger als die Fahrbahnbenutzung (3,4-fach [4]). Ein Zweirichtungsradweg erhöht die Gefahr noch einmal wesentlich (11-fach [4]). Und nicht vergessen: Der Radweg liegt ideal im Bereich der Autotüren. Wer also einmal wie Bugs Bunny einen „Bumms“ erleben will – “it’s the suspense that gets me!” [2] –, ordnet bei einem dutzend Ausfahrten auf 600 Meter Länge einen benutzungspflichtigen Radweg an, oder benutzt diesen.
Mit Verkehrssicherheit und Straßenverkehrs-Ordnung hat dies natürlich nichts zu tun. Denn einmal dürfen nach § 45 Absatz 9 StVO benutzungspflichtige Radwege nur dort angeordnet werden, „wo das auf Grund der besonderen Umstände [im Sinne der Verkehrssicherheit] zwingend erforderlich ist“ und eine besondere Gefahrenlage besteht. Und nicht, damit Autos schneller fahren können. [3]
Um das ganze zu toppen: Der Parkstreifen am Autobahnkreuz ist ein linksseitiger, benutzungspflichtiger Radweg. Wie gut, daß das entsprechende „Verkehrtzeichen“ schon weit begrünt und damit kaum lesbar ist. Ganz nebenbei wird der Fußgänger auf den „eingeschränkten Winterdienst“ aufmerksam gemacht, was selbstredend auch für den Radweg gelten dürfte. Der Winterdienst klappt ja schon mit Radwegen im Innenstadtbereich nicht.
Fahren wir die Eugen-Langen-Straße Richtung Kaiserstraße, sprießt die nächste phantasievolle B̶a̶u̶ Staustelle aus dem Boden: Eine Anordnung von „Radweg, Ende“ ohne Radweg – ein Schutzstreifen ist kein Radweg. …
Der gemeinsame Geh- und Radweg ist der einsamen Baustelle gewichen. Während fast die gesamte Grünfläche selbstverfreilich als Bauplatz zur Verfügung steht, ist für einen Behelfsgehweg natürlich kein Platz – oder die Einrichtung für die studierten Fachkräfte zu aufwendig. Man hätte ja nur mal die Regelpläne durchgehen [1] und den passenden aussuchen müssen.
Von Vohwinkel endet der Radweg hinweislos mit einem roten „Sparschwein“ (Verbot der Einfahrt) unterhalb der Schwebebahnstation Hammerstein. Das Foto entstand in Höhe der Schillerstraße. Ein Behelfsradweg ist ja auch zu viel verlangt, s. Bild A. [1] – Und nein, ein Umleitungsschild 400 Meter vor einer Baustelle ohne Text und damit Zuordnungsmöglichkeit, wofür diese Umleitung ist, ist sinnfrei.
Das ganze zeigt nur, welche Priorität Rad- und Fußverkehr und deren Sicherheit für die zuständigen Behörden hat: ganz unten, ganz weit hinten. Wie die Anregungen im Verkehrsausschuß. Kein Wunder, wenn dann immer mehr Radfahrer selbst nach Landrecht fahren und zum Beispiel vermeintlich sichere Gehwege nutzen.
Quellen und Verweise:
[1] Richtlinien für die verkehrsrechtliche Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen, Ausgabe 2021, Regelpläne mit Radweg: B/I ff.
https://www.fgsv-verlag.de/pub/media/pdf/Regelplaene_B_Auszug_RSA_2021_FGSV%20370.pdf
[2] Fahrradstadt: Wuppertal feiert die nächsten 50m „Radweg“
→ https://www.njuuz.de/home/politik/fahrradstadt-wuppertal-feiert-die-naechsten-50m-radweg/
[3] BVerwG, 18.11.2010 – 3 C 42.09,
https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=BVerwG&Datum=18.11.2010&Aktenzeichen=3%20C%2042.09
[4] Radverkehrsanlagen auf Wikipedia.
→ Kritik
https://de.wikipedia.org/wiki/Radverkehrsanlage#Kritik_wegen_stark_erh%C3%B6hter_Unfallgefahr
→ juristische Einschränkungen
https://de.wikipedia.org/wiki/Radverkehrsanlage#Juristische_Einschr%C3%A4nkungen_(Deutschland)
“For the record”, wie man in England sagt: Die Bau-/Staustelle bei Nacht auf der Industriestraße. Wie Sie sehen, sehen Sie nichts. Auch keine funktionierenden Warnlampen.
Weiter mit:
Richtig: irgendwelche Radfahrer mit dem Ziel Irgendwo sollen irgendwohin umgeleitet werden. Dazu zähle ich mich aber nicht, ich habe ein konkretes Ziel und nicht Irgendwo oder Nirgendwo.
Das ist derselbe Schrott wie bei der Sperrung der Laurentiusstraße zwischen Friedrich-Ebert- und Laurentiusstraße. Erster Akt: Geradeaus wird die Durchfahrt gesperrt und Fußgängerzone ausgeschildert. Daß das erst Jahre später entsprechend gewidmet wurde – geschenkt. Akt zwo: Sperrung der Laurentiusstr wegen „Baustelle“. Akt 3: Man kündigt nicht etwa schon auf der Kasino-und Neumarktstraße die Sperrung an (weil das die Umfahrung der Fußgängerzone ist), sondern stellt ein einsames „U“ in der Friedrich-Ebert-Straße auf. Die Leute sollen also ernsthaft „ummen Laurentz cruisen“ (wie von Sascha Gutzeit besungen) und einmal wieder um den Block fahren, damit sie das Navi erneut in die Umleitung lotst. Gehirn einschalten verboten.
Das ist natürlich eine Steilvorlage, gleich noch ein paar Torfköppe zu ermutigen, direkt über die Fußgängerzone zu brettern oder den DB-Parkplatz die Baustelle zu umfahren.
Wenn man weder die Umleitung ankündigt, noch sagt wohin die führt, nutzt sie keiner. Vielleicht wollte auch nur „jemand“ schauen, was bei dem „Kreisverkehr“ passiert – “it’s the suspense that gets me”.
An der Baustelle Hammerstein haben Sie einiges verpasst.
Das Schild „Nur Geradeaus für Lkw“ hatte nicht immer einen schwarzen Klebestreifen auf dem Zusatzschild. Darunter steht nämlich das Wort „frei“. Aber psst!
Das „Verbot der Einfahrt“ von der Westseite wurde extra nachgepflanzt. Davor konnte man Radfahrer mit großen Augen im Gegenverkehr durch die Baustelle irren sehen. Vom Betrieb der Fußgängerampel oder der abknickenden Vorfahrt wussten nämlich nur die anderen.
Selber schuld, bedeutet ja „Radweg Ende“ allein schon, dass alle vom Rad absteigen und traurig nach Hause schieben sollen. Außerdem werden Radfahrer an der Schillerstraße umgeleitet. Wer sagt denn, dass man für Umleitungen zwingend eine Sperrung braucht? Sperrung ohne Umleitung geht ja auch.
Ich bin sicher: bei der nächsten Schilderlieferung sieht die Welt wieder anders aus.