04.11.2021Sebastian Schroeder
Bundesgartenschau – „Es soll doch keine Kirmes werden“
dirk.lotze.de
Wuppertal. Das Großvorhaben einer möglichen Bundesgartenschau in Wuppertal 2031 ruft Kritikerinnen und Kritiker auf den Plan, die den Vorschlag und einzelne Ergebnisse einer zugehörigen Machbarkeitsstudie ablehnen. Sie weisen auf Probleme der geplanten Veranstaltungsflächen auf der Königshöhe zwischen Arrenberg und Zooviertel hin, auf mögliche Folgen beim Bau einer Seil-Hängebrücke über das Tal der Wupper und einer zugehörigen Seilbahn.
Den Fragen im Interview stellen sich Akteure, die gegen die vorgeschlagene Gartenschau mobilisieren, die wollen, dass sich die Stadt Wuppertal nicht bewirbt: Anwohnerin Katja Speker aus dem Bereich der Königshöhe hat mit Nachbarinnen und Nachbarn die Bürgerinitiative „Buga in Wuppertal – Königshöhe adé“ gegründet. Sie benennt Umweltschutz als besonders wichtig; er solle auf einer Großveranstaltung dieser Art auf jeden Fall berücksichtigt werden. Monika Schneider-Derenbach ist Anwohnerin gegenüber, auf der Kaiserhöhe, und tätig im Umweltschutz. Sebastian Schröder ist seit der vergangenen Kommunalwahl Mitglied der Bezirksvertretung Elberfeld-West für die Partei Die Linke. Er ist Diplom-Soziologe und berät Gruppen, Initiativen und Einzelpersonen; er ist außerdem einer der Herausgeber des Buchs „Nachts, wenn die Gestapo schellte“, einer Dokumentation über eine Artikelserie zum Wuppertaler Widerstand gegen die Nazidiktatur 1933 bis 1945. Gemeinsam erläutern sie den Hintergrund ihres Engagements und beschreiben Chancen und Risiken, denen sie auf dem Weg begegnen, die Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger überzeugen zu wollen.
Wie sind Sie für sich auf das Thema der Bundesgartenschau gekommen? Wie ist für Sie klar geworden, dass Sie sich engagieren müssen?
Sebastian Schröder: Verwandte von uns haben oben einen Kleingarten in der Anlage Hoffnung e. V. auf der Königshöhe. Unsere Kinder gehen alle zur Grundschule hier unten am Arrenberg , deshalb kennen wir den Bereich Königshöhe sehr gut. Als damals die Pläne raus gekommen sind haben wir sofort gesagt: Das kann so nicht sein. Was da passiert, ist unmöglich auf der Königshöhe zu veranstalten – mit der Hängebrücke, mit der Seilbahn, mit den Menschenmassen, die da hin sollen. Dann hat sich die geplante Abstimmung vom Juni 2020 verschoben. Da es jetzt aber aktuell ist und weiter verfolgt werden soll, bin ich jetzt sehr aktiv, auch als Bezirksvertreter für die Linke in Elberfeld-West.
Katja Speker: Ich bin Anwohnerin, oben an der Zeppelinallee. 2018 ist das zunächst an mir vorüber gezogen. Meine Kinder gehen auf die selbe Schule wie die von Sebastian Schröder, und so sind wir ins Gespräch gekommen. Er hat mich darauf aufmerksam gemacht, was passieren soll. Da habe ich sofort gesagt: Das kann nicht sein. Dann habe ich mich mit einer Bekannten zusammen getan und wir haben die Bürgerinitiative dagegen gegründet.
Monika Schneider-Derenbach: Bin auch Anwohnerin, ich wohne direkt hier am Brill, und habe auch ein persönliches Interesse, dass hier nicht dieser Rummel stattfindet, der mit der Bundesgartenschau und mit der Hängebrücke verbunden ist.
„Das gibt Rummel“ – wie steht das konkret im Widerspruch zu Zielen, die Sie sich vorstellen?
Sebastian Schröder: Wir haben auf der Königshöhe ein Landschaftsschutzgebiet, wir haben auf der Kaiserhöhe ein Naherholungsgebiet für das Quartier, und das ist gut so, wie es ist. Wenn die Bundesgartenschau so gemacht wird, wie sie jetzt geplant wird, mit dieser enormen Hängebrücke, mit der Seilbahn und mit diesen Menschenmassen, dann werden diese Naherholungsgebiete zerstört.
Katja Speker: Die Buga soll unter dem Label Nachhaltigkeit stattfinden und alle Leute hören „Nachhaltig“ und denken: „Yeah, das ist toll! Da sind wir dafür!“ Aber niemand erzählt mal wirklich, dass das ganze gar nicht nachhaltig ist. Zumindest in keiner Weise bei den Dingen, die auf der Königshöhe passieren sollen.
Monika Schneider-Derenbach:Nachhaltig ist es auch nicht in dem Sinne, was an der Kaisershöhe passieren soll. Wenn da erst mal ein Pfeiler in der Gartenanlage steht, dann ist der Beginn vom Aus für die Gartensiedlung. Und das ist ein sehr begehrtes Baugebiet. Ich sehe da auch schon weiter und ich könnte mir gut vorstellen, dass das im Sinne unserer Politiker ist. Aber das ist ein Grüngürtel, den brauchen wir.
Warum verträgt sich aus Ihrer Sicht Nachhaltigkeit nicht mit der vorgeschlagenen Bundesgartenschau?
Katja Speker: Nachhaltigkeit ist heute ein großes Thema, und Naturschutz. Ich mag Bäume sehr, ich mag den Wald sehr, der ist wichtig für uns – nicht nur für jeden Einzelnen, der gern in den Wald geht, vielleicht fürs psychische Wohl, sondern für uns als Menschen. Umweltschutz sollte viel mehr gefördert werden. Eigentlich will die Buga das machen, aber sie verhält sich laut den Plänen überhaupt gar nicht danach. Da oben auf der Königshöhe sollen Wälder abgeholzt werden. Immer, wenn man mal kritisch darauf hinweist, wird man fast belächelt – wenn man den Wald schützen möchte. Das finde ich nicht passend, heutzutage.
Sebastian Schröder: Im Bezug zu Nachhaltigkeit sehe ich ein ganz großes Problem mit dieser Hängebrücke. Das soll die größte Hängebrücke der Welt werden. Wir haben enorme Mengen an Stahl und an Beton, wir müssten enorme Rodungen hier durchführen. Leider wurde im Stadtrat der Antrag der Ratsfraktion der Linken abgelehnt, eine Ökobilanz dieser Hängebrücke vorher zu erstellen. Die Hängebrücke bleibt im Programm und die Buga kann allein schon deshalb nicht nachhaltig sein. Wir haben die massiven Zerstörungen auf den beiden Bergen. Natürlich ist es gut, dass die anfangs geplanten 5000 Parkplätze gestrichen wurden, und dass an der Tesche das Buga-Gebiet verkleinert wurde. Dass da Landwirtschaft bleiben kann, das ist gut, aber das hilft nichts, weil es kein vernünftiges Verkehrskonzept für diese Buga gibt – indem einfach Shuttle-Busse überall durch die Stadt geschickt werden.
Dann ist ja noch ein großes Problem in Wuppertal, dass man nicht wie in Heilbronn den alten Hafen oder wie in Mannheim ein altes Militärgelände wieder herrichtet, was sonst nicht zu nutzen ist. In Wuppertal wird tatsächlich in bestehende, gute Gebiete eingegriffen. Das ist dann was besonderes an dieser Buga – etwas schlechtes besonderes.
Können Sie eine Verbindung aufbauen zwischen Ihrer Position und Dingen, die Befürworterinnen und Befürworter einer Bundesgartenschau genannt haben?
Katja Speker: Es soll schon etwas herum kommen, für die Umwelt, für die Generation, die gerade in Wuppertal heran wächst. Es soll ja keine Kirmes werden. Ulrich Christenn hat in seinem Interview die Brücke über die Wupperpforte mit den Brücken in Nepal verglichen. Das ist mir unangenehm aufgefallen. Die schönen Täler und der „Wow“-Effekt. Das ist der schlechteste Vergleich, den ich bisher gehört habe. Bei uns ist so eine Brücke Kirmes. In Nepal sind die gebaut worden, damit die Kinder zur Schule gehen können, damit sie die Flüsse sicher überqueren können, damit Menschen zum Arzt gelangen. Das Ganze wird da demokratisch entschieden. Die Leute werden gefragt, ob ihr Dorf eine Brücke haben will, es wird nach Geld geguckt. Alle helfen mit. Das war ein mieser Vergleich, finde ich. Damit kann man diese Brücke in Wuppertal nicht schön reden.
Ziehen Sie Unterstützende an, die nicht als Anwohnende oder nachbarschaftlich Betroffene sondern aus anderen Gründen kritisch gegen eine Bundesgartenschau eingestellt sind?
Sebastian Schröder: Ich bin auch aktiv in der Partei Die Linke, und die Linke guckt sehr stark auf die Finanzierung. Wir sind der Meinung, dass diese 152 Millionen Euro eine enorme Summe sind. Auch wenn es für die Stadtkasse nur 70 Millionen Euro wären, glauben wir, dass es ein Minus-Geschäft ist.
Natürlich kann man eine Studie aufstellen und sagen, dass Ausgaben und Investitionen Wohlstand generieren. Das kann man immer machen, diese Multiplikator-Rechnung. Aber hier würde es wohl dazu führen, dass letztlich Schulden für die Stadt übrig bleiben. Und da Wuppertal eine sehr arme Kommune ist, haben wir Sorge, dass dieses Geld dann wo anders weggenommen werden muss.
Es bleiben Schulden, es gibt keine Zukunft und für die Buga muss woanders noch was eingespart werden. Und das lehnen wir ab. Wir haben die maroden Brücken über die Wupper und die zuleitenden Bäche, wie haben so viel kaputte Infrastruktur in dieser Stadt. Andauernd muss man für die Schulsozialarbeit auf die Straße gehen, zum Demonstrieren, damit die Stellen verlängert werden. Für die Jacobstreppe mussten Unterschriften gesammelt werden; das Ganze hat mehr als zehn Jahre gedauert, bis das angegangen wurde. Um diese Baustellen muss man sich kümmern.
Zugleich haben wir mit der Buga kein Zukunftskonzept. Das ist nicht verknüpft mit dem Konzept Schwammstadt (gegen Überflutungsgefahren, Red.), das kann ich nicht sehen. Wenn die Buga hier ist, kann Wuppertal vielleicht auch nicht auf neue Fördertöpfe zugreifen, die mit der nächsten Bundes- und Landesregierung entstehen werden – die tatsächlich auf Nachhaltigkeit und Umweltschutz orientiert sind. Hier ist dann das altmodische Buga-Konzept.
Welche Möglichkeiten sehen Sie, Ihre Sichtweise in der Diskussion nach vorn zu bringen und Leute zu überzeugen?
Sebastian Schröder: Ich glaube, das ist ganz einfach, indem man sich die Pläne anguckt und mal spazieren geht, wo es sein soll. Dann sieht man sofort, dass das dort nicht möglich ist.
Katja Speker: Die Leute müssen informiert werden. Die meisten Leute, die ich kennen gelernt habe – beim Flyer-Verteilen oder die ich angesprochen habe – die sind aus allen Wolken gefallen. Die wissen von einer Brücke, aber niemand macht sich Gedanken, was mit dem Wald passiert. Die Brücke wird ja nicht in den Wald gezaubert. Die Leute wissen nicht, dass Bäume dafür gefällt werden und auch nicht, wie schön es da oben ist. Wer da gewesen ist, der kann es sich vorstellen, aber viele waren nicht da. Die Leute müssen informiert werden, das macht die Stadt nicht. Nicht in dem Sinne; die Stadt macht reine Positivwerbung und erklärt nicht, was da oben passieren soll – dass es mit Umweltschutz überhaupt gar nichts zu tun hat. Ich würde gern mal wissen, was die Buga überhaupt da oben machen will, unter dem Label „Nachhaltigkeit“, „Ressourcen schonen“. Das Passt nicht, wie rechtfertigen die das?
Der Wertung, sie würden ausschließlich Positivwerbung betreiben und die Bürgerinnen und Bürger nicht informieren, werden die Verantwortlichen der Stadtverwaltung voraussichtlich nicht zustimmen …
Katja Speker: Über Naturschutz soll nicht geredet werden und keiner soll sich Gedanken darüber machen.
Es reden aber sehr viele darüber und das Thema Nachhaltigkeit wird in der Neufassung der Machbarkeitstudie angesprochen.
Katja Speker: Nur als Begriff und nie in praktischen Dingen. Die sagen nicht, wo das nachhaltig wird. Wo? Ich sehe das nicht.
Monika Schneider-Derenbach: Es gab ein Interview mit dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Ludger Kineke in der Westdeutschen Zeitung, in dem gesagt wurde: ‚Da ist mehr möglich als dunkler Wald‘. Das sagt ja schon, wie man über Natur denkt – und das von der CDU-Spitze. Ich verstehe das nicht. Das macht mich sehr ärgerlich.
Was wäre aus Ihrer Sicht nötig?
Sebastian Schröder: Wir sind immer bereit zu diskutieren. Vielleicht gibt es die Möglichkeit dazu. Der Verein Aufbruch am Arrenberg plant für den 26. Oktober 2021 eine Veranstaltung in der Aula des Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasiums. Es wäre toll, wenn die Bürgerinnen und Bürger dort ganz offen über das Für und Wider diskutieren würden. Noch besser wäre natürlich eine Podiumsdiskussion mit beiden Seiten, das hat bisher noch nicht stattgefunden und ehrlich gesagt fordern wir genau dies. Dafür würde ich bereitstehen, natürlich.
Dann ist Ihr Ziel womöglich, dass der Stadtrat im November mit Nein stimmt.
Sebastian Schröder: Es gäbe vielleicht auch die Möglichkeit, dass man diese Abstimmung ganz aussetzt und gar nicht darüber abstimmt. Wenn der Vorschlag zur Abstimmung gestellt wird, sollten möglichst viele Stadtverordnete dagegen stimmen.
Und wenn das nicht so kommt?
Sebastian Schröder: Dann gibt es schon Vorbereitungen für ein Ratsbürgerbegehren.
17. Oktober 2021. Der Wortlaut der Antworten wurde autorisiert, die Fragen stellte Dirk Lotze.
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