25.09.2013Georg Sander
Bürgerbeteiligung zum Haushalt der Stadt gerät zum Flop
Zwei Drittel der Deutschen wünschen sich einer aktuellen Umfrage von infratest dimap zufolge mehr direkte Mitwirkung an politischen Entscheidungsprozessen. Werden solche Partizipationsmöglichkeiten dann konkret angeboten, ist die Beteiligung jedoch oft ernüchternd gering.
Wuppertal bildet in dieser Hinsicht keine Ausnahme, wie die zweite Phase der Bürgerbeteiligung zum Doppelhaushalt 2014/15 zeigt. „Nach der Öffentlichkeitsarbeit hatte ich mir eine höhere Beteiligung in der zweiten Runde erhofft“, gab auch Stadtdirektor Dr. Johannes Slawig bei der Bürgerdiskussion in der Elberfelder CityKirche in der vergangenen Woche unumwunden zu. Dort hatten sich nach Rathausangaben immerhin rund fünfzig Interessierte eingefunden, um zum Beispiel über die Mehrkosten für den Döppersbergumbau zu diskutieren.
Kritik an Politik und Verwaltung, die angeblich an den Bürgern vorbei entscheiden, wird vor allem im Internet geäußert. Doch gerade auf der Online-Plattform haushalt.wuppertal.de fällt die Beteiligung ausgesprochen mager aus, wie die Stadt mitteilt. Dort finden sich kaum Vorschläge der Bürger zum Haushaltsplan-Entwurf und auch mit Kommentaren zu den Stellungnahmen der Verwaltung halten sich die Wuppertaler zurück.
Bis zum 7. Oktober besteht noch die Möglichkeit, über den Haushaltsplan-Entwurf 2014/15 zu diskutieren. Dass bis dahin wesentlich mehr Menschen ihre Chance, sich einzumischen, auch wahrnehmen werden, darf bezweifelt werden. Stadtdirektor Dr. Slawig ruft jedoch unverdrossen zur Teilnahme auf: „Ich kann nur an die Bürger appellieren, ihre Chance zu nutzen, sich einzubringen.“
Am 18. November wird der Stadtrat den Haushalt beschließen und viele Wupertaler, die bislang in Deckung geblieben sind, werden dann wieder über die Politiker schimpfen, die angeblich über die Köpfe der Bürger hinweg regieren.
Weiter mit:
Gerade das Projekt Umbau Döppersberg (Kostenexplosion) und Vollsperrung der B7 ( wovon vorher NIE die Rede war) zeigt doch wieder einmal, dass die Stadtspitze erst an Bürgerbeteiligung interessiert ist, wenn schon alles entschieden ist. Es entspricht also durchaus den Tatsachen, dass über unsere Köpfe hinweg entschieden wird.
In der ersten Phase der Bürgerbeteiligung war sehr gut spürbar, dass die Anregungen der Bürger abgebügelt wurden und es nur um Rechtfertigung der Verwaltung ging. Daher werde ich mich nicht ein zweites Mal daran beteiligen. Ich behalte diese Vorgehensweise allerdings bis zur nächsten Kommunalwahl im Hinterkopf.
Auch wenn es noch recht zäh anläuft, scheinen sich Verwaltung und einige engagierte Bürger/innen nun auf das Experiment Bürgerbeteiligung einzulassen. Das ist gut so! Die Felder Haushalt 2014/2015 und Strategieprozess 2025 sind dazu m.E. gut geeignet, da sie eine – große – Schnittmenge aufweisen.
Also wohl zumindest ein erster Schritt in die richtige Richtung!
Wie ernst dies gemeint ist und ob es dabei um Information, Beteiligung oder Kollaboration (echtes Zusammenwirken) gehen soll, wird sich zeigen.
Dabei geht es nun um (Wieder)Aufbau einer echten Vertrauensbasis und Bereitschaft, auch die umstrittenen Großprojekte (zB Döppersberg, IKEA-Einkaufszentrum, Erweiterung City-Arkaden…) und das Thema Stadtentwicklung ehrlich in diese Prozesse einzubinden!
Warum Lokalpolitik(er/innen) – bisher – nicht aktiv werden und diese Chance nutzen, vermag auch ich nicht nachzuvollziehen!
Wofür wir Bürger/innen die Lokalpolitiker/innen mit Entscheidungsbefugnis ausgestattet (gewählt) haben, konnte ich allerdings schon 2009 nicht verstehen, als sämtliche Lokalpolitiker/innen zum 35-jährigen Jubiläum der Ausstellung Eigenheim und Garten nach W-Nord eingeladen worden waren und dies mehrheitlich schlicht ignorierten. Auch fehlte mir eine echte Debatte im Ratssaal – v o r der Entscheidung für das höchst umstrittene Großprojekt, das den gesamten Stadtbezirk verändern soll(te)!
Ohne mir ein eigenes Bild zu verschaffen und die Argumente – im Gesamtkontext – zu kennen, würde ich jedenfalls keine Entscheidungen dieser Tragweite treffen wollen.
Zurück zur Bürgerbeteiligung: Einige wenige Lokalpolitiker/innen waren in die City-Kirche gekommen und diskutierten engagiert mit. M.E. haben aber alle Lokalpolitiker/innen eine Verpflichtung, sich zu informieren und in die Diskussion einzubringen, bevor sie über den Stadthaushalt entscheiden!
Im letzten Absatz wird ein sehr interessanter und wichtiger Aspekt angesprochen: Welche Rolle hat eigentlich die Politik im laufenden Beteiligungsverfahren? Das Kompetenznetz Bürgerhaushalt hat vor einigen Monaten alle Ratsfraktionen danach gefragt. Nicht alle Fraktionen haben geantwortet. Die Antworten derer, die geantwortet haben, geben nicht gerade zu Hoffnung Anlass. http://www.buergerhaushalt-wuppertal.de/wp/2013/05/nachgefragt-die-rolle-der-politik-im-beteiligungsverfahren/
Bisher hat keine Fraktion eine Informations- oder Diskussionsveranstaltung zum Haushalt angeboten. Warum eigentlich nicht? Warum helfen die Kommunalpolitiker den Bürgerinnen und Bürgern nicht, die komplexe Haushaltsmaterie zu verstehen? Warum übernehmen sie keine Verantwortung und zeigen kein Engagement für ein glaubwürdiges Beteiligungsverfahren? „Diese Plattform wird kein Ideen- oder Datenfriedhof sondern unterstreicht den lebendigen Dialog zwischen dem Bürger, der Stadtverwaltung und nicht zuletzt der Politik,“ schrieb die CDU im Juni. http://www.njuuz.de/beitrag20830.html Wenn solche vollmundigen Erklärungen nicht mit Leben gefüllt werden, tragen sie nur dazu bei, das Beteiligungsverfahren unglaubwürdig zu machen.
Die Passivität der Politik entbindet die Bürgerinnen und Bürger, denen die kommunale Demokratie am Herzen liegt, jedoch nicht von der Pflicht, wieder und wieder mehr Transparenz und mehr Bürgerbeteiligung in haushalt- und stadtentwicklungspolitischen Angelegenheiten einzufordern. Nur durch aktives Mitwirken und einen gemeinsamen Lernprozess kann eine Weiterentwicklung gelingen.
Die erste Phase der Bürgerbeteiligung (Spar/Ausgabevorschläge benennen) ist für die meisten Beteiligten sehr enttäuschend verlaufen, die die Verwaltung die meisten Vorschläge ziemlich direkt abgebügelt hat, ohne großartig auf Anregungen einzugehen. Das nimmt die Lust, an der Teilnahme zur zweiten Phase. Zudem erfordert die Durchsicht, eine 2000 Seiten langen Haushaltsentwurfes mehr Zeit und Fachwissen, als die meisten Leute haben.
Einen Barmer bekommt man dazu schwer nach Elberfeld. Die Erfahrung hab ich mit dem Förderverein Adlerbrücke gemacht.