27.09.2024N. Bernhardt
CDU/SPD/FDP: Mehr Schnelligkeit statt Sicherheit im Straßenverkehr
Vergangene Woche schießt die CDU-geführte Berliner Verkehrsverwaltung den Vogel ab: Während andere Kommunen sich zusätzliche Möglichkeiten zur Einrichtung von Tempo 30 wünschen, [13] stellt die Berliner Verwaltung Tempo 30 vor Kitas, Kindergärten, Spitalen und Altenheimen infrage. [1] Bei Kitas müsse zudem eine „qualifizierte Gefahrenlage“ nachgewiesen werden. [2]
Das Satiremagazin „Der Postillion“ fragt, was seine Leser davon halten. 25 Prozent sagen: „Wahrscheinlich die einzig bezahlbare Maßnahme um für ausreichend Kitaplätze zu sorgen.“ – Das nennt sich dann schwarze Bevölkerungsminimierung, oder was? [3]
Monatelang vorbereitete vierte Runde des Lärmaktionsplans wird mit Fraktionsantrag fünf Tage vor der Ratssitzung torpediert
Die Wuppertaler Ampel mit defektem (schwarzem) Grünlicht aus SPD/FDP/CDU [4] sorgen sich mit einem hastig zur Ratssitzung am 16. September 24 eingebrachten Fraktionsantrag plötzlich um die armen Kraftfahrer, die seit mehr als 10 Jahren zwecks Lärmschutz mit Tempo 30 „gegängelt“ werden. Offenbar hat selbst der Verkehrsausschuß die vierte(!) Runde des Lärmaktionsplanes noch in der Sitzung am 3. September 24 durchgewunken [5], während der Rat mit VO/1097/24 die Verwaltung beauftragt, anstelle der elf neuen Tempo-30-Strecken doch mal den Verbau offenporigen Asphalts zu prüfen. [6]
Ergebnis des Prüfungsauftrags = monatelange Verzögerung
Was zum Teufel soll die Verwaltung prüfen? Bereits die vergangenen drei Runden des Lärmaktionsplanes wurde Tempo 30 aus Kostengründen verzichten bzw. eine Fahrbahnsanierung mit „lärmminderndem Fahrbahnbelag“ nur dort durchgeführt, wo sich dies aufgrund des Straßenzustandes lohnt. Denn offenporiger oder „Flüster“-Asphalt (OPA), wie ihn der Fraktionsantrag fordert, kostet nicht nur das Doppelte eines normales Asphalts, sondern hält in der Regel nur halb so lange. [7] Im übrigen wird vom innerörtlichen Einsatz von OPA abgeraten.[12]
Die Nevigeser Straße zwischen Egenstraße und Westfalenweg wurde ab 2016 auf 800 Meter Länge für rund 950.000 Euro mit Splittmastixasphalt (SMA, Gußasphalt [9]) erneuert. [8] Während die Haltbarkeit wohl länger ist als bei offenporigem Asphalt, beträgt die Lärmminderung lediglich 1 dB(A) bei 50 km/h. [10] Dies deckt sich auch mit Feststellung von Anwohnern. [11] Subventioniert wurde die Maßnahme durch das Gesetz zur Förderung von Investitionen finanzschwacher Kommunen (KlnvFG). [8]
Gesetzliche Vorgaben – egal?
Seit mindestens 2017 verpflichtet die Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung die Kommunen, eine Liste mit schützenswerten Einrichtungen zu erstellen, an denen Tempo 30 anzuordnen ist. Die Kriterien sind also fix; es steht einer freidrehenden Berliner Verkehrsverwaltung keine Änderung dieser Kriterien zu.
Analog dazu verpflichten § 47 ff. Bundesimmissionsschutzgesetz die Kommunen alle fünf Jahre zur Aufstellung bzw. Aktualisierung von Lärmaktionsplänen, und zwar bereits seit 2008. Rechtsgrundlage dafür ist die Umgebungslärmrichtlinie 2002/49/EG. Dies versucht die kaputte Ampel in Wuppertal durch einen plötzlichen „Prüfauftrag“ zu torpedieren.
Tempo 30 bringt nicht nur kostengünstigen Lärmschutz, sondern trägt auch zu mehr Verkehrssicherheit und – zumindest theoretisch – eine höhere Leistungsfähigkeit durch geringeren Abstand der Fahrzeuge und gleichmäßigen Verkehrsfluß bei. ■
Hinweise, Quellen und Verweise:
[1] „Berliner Verwaltung gegen Tempo 30: Senat will schnelleren Autoverkehr vor Kitas und Altenheimen“, Tagesspiegel vom 18. September 2024,
https://www.tagesspiegel.de/-12377888.html
[2] „Tempo 30 in Berlin: Die Geduld ist am Limit“, taz vom 18. September 2024,
https://taz.de/Tempo-30-in-Berlin/!6034442/
[3] „Sonntagsfrage: Was halten Sie davon, dass die CDU in Berlin Tempo 30 vor Schulen und Kitas abschaffen will?“, Der Postillion,
https://www.der-postillon.com/2024/09/sonntagsfrage-tempo-30-vor-schulen.html
[4] in der Ampel-Reihenfolge von oben nach unten.
[5] TOP 23: Fortschreibung des Lärmaktionsplanes für den Ballungsraum Wuppertal – Lärmkartierung und Lärmaktionsplanung der Runde 4 – Mündlicher Bericht mit Präsentation, Herr Schreiber von der Firma Ramboll – VO/0946/24 – Beschluss: zur Beratung und Entscheidung verwiesen.
Ein Sitzungsprotokoll ist im RIS (ris.wuppertal.de) bi 2024-09-27 08.18h nicht verfügbar.
Sitzung: https://ris.wuppertal.de/si0057.asp?__ksinr=22147
[6] Änderungsantrag zur Fortschreibung…, VO/1097/24 vom 11. September 2024,
https://ris.wuppertal.de/getfile.asp?id=337004&type=do
Sitzung: https://ris.wuppertal.de/si0057.asp?__ksinr=22028
[7] [5] Arbeitsgemeinschaft Autobahngeschichte, Zitat: „Heutiger – Geräusche mindernder – offenporiger Asphalt (OPA), hat hierbei eine Haltbarkeit von etwa 7 bis 8 Jahren, meist übliche Asphaltsorten halten etwa 12 bis 15 Jahre und bei Betondecken erhofft man eine Lebenserwartung von 30 bis 40 Jahren.“
[8] Landtag NRW, Vorlage 16/4408, PDF-Seite 37,
Erneuerung von ca. 8.300 qm Deck-, Binder- und Tragschicht der Nevigeser Str. (von Egenstr. bis Westfalenweg) mit einem geräuschmindernden Fahrbahnbelag zur Verminderung von Lärmbelastungen einschI. erforderlicher Straßenrandeinfassungs- und Markierungsarbeiten. 5treckenlänge ca. 800 m, gewähltes Material: lärmoptimierter Splittmastixasphalt, SMA 8 SLADie
Maßnahme ist Bestandteil des kommunalen Lärmaktionsplans v. 03.11.2013
950.000 € Investitionsvolumen
https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV16-4408.pdf
[9] Gußasphalt, Wikipedia,
https://de.wikipedia.org/wiki/Gussasphalt
[10] Lärmmindernde Fahrbahnbeläge für Innerortsstraßen, Ulrich Peschel, Umweltbundesamt,
Zitat: „Die Lärmminderung des SMA 5 S bzw. SMA 8 S erreicht bei 50 km/h -1 dB(A).“
https://pub.dega-akustik.de/DAGA_2014/data/articles/000053.pdf
[11] „Ärger über Baumängel auf der Nevigeser Straße“, WZ vom 3. Oktober 2022,
Zitat: „Steht man am Übergang zwischen der alten, mit Standard-Asphalt verbauten Strecke und dem angeblich geräuschdämmenden neuen Asphalt, zum Beispiel gegenüber der Einmündung Egenstraße, hört man in den Überfahrgeräuschen keinen Unterschied.“
[12] Aus einer Publikation des Landesbetriebs Straßenbau Nordrhein-Westfalen von 2010: „Seitens Straßen.NRW wird der Einsatz von Offenporigem Asphalt auf Straßen mit innerörtlichem Charakter generell nicht empfohlen. Die wichtigsten Gründe hierfür stellen sich folgendermaßen dar.
Der Lärmminderungseffekt einer Asphaltdeckschicht aus Offenporigem Asphalt auf innerörtlichen Straßen ist aufgrund der niedrigen Fahrgeschwindigkeiten deutlich geringer. In Kombination mit den hohen Herstellungskosten, u.a. verursacht durch die aufwändige Abdichtung der Unterlage und die Anpassung der Entwässerungseinrichtungen, wird hierdurch ein schlechtes Kosten-Nutzen-Verhältnis erzielt. Aufgrund der schnelleren Verschmutzungsneigung lässt der lärmmindernde Effekt deutlich schneller nach als auf Autobahnen. Des Weiteren werden durch nachträgliche Aufgrabungen Störstellen (Anschlüsse, Nähte, Fugen, etc.) in dem offenporigen Gefüge dieser Belagsart hergestellt, die zum Einen den lärmmindernden Effekt und zum Anderen aber auch das Drainagevermögen stark beeinträchtigen.
Asphaltdeckschichten aus Offenporigem Asphalt werden zusätzlich im kommunalen Bereich erhöhten Horizontalkräften (z.B. Brems-/Beschleunigungsvorgänge, Lenkbewegungen mit kleinem Radius) ausgesetzt. Diese mechanischen Beanspruchungen führen zu einer deutlichen Verkürzung der bautechnischen Lebensdauer.“
[13] „Verwaltung will sieben neue Tempo-30-Abschnitte“, Rundschau vom 23. Mai 2023,
Zitat: „Der Rat soll demnach an den Bund appellieren, dass Städten erlaubt wird, aus eigener Kraft Tempo-30-Zonen unabhängig von besonderen Gefahrensituationen festzusetzen und auch ein generelles Tempo-30-Limit im gesamten Stadtgebiet anzuordnen.“
https://www.wuppertaler-rundschau.de/-90903155
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