13.01.2025N. Bernhardt
Das goldene Zeitalter des Tunnelblicks
Bild A: Scheuklappenblick aus der Parkhausausfahrt der City-Arkaden auf die Straße Kipdorf. So geplant, daß man von der Haltelinie aus weder den Fahrzeug- und erst recht nicht Fußgängerverkehr davor sehen kann.
Kreuzungen und Ausfahrten sollen so gebaut werden, daß sich alle Verkehrsteilnehmer sehen können und sich dabei nicht im Wege stehen. Dieser Grundsatz der Verkehrsplanung ist seit Beginn dieses Jahrhunderts in Wuppertal „verlorengegangen“, wie das prominente Beispiel der Parkhausausfahrt City-Arkaden (Kipdorf) zeigt. Auch die Parkhausausfahrt „Hofaue City“ ist so dämlich gebaut, daß man als Autofahrer quasi um die Ecke schauen muß, um Fußgänger auf dem Gehweg erkennen zu können.
Bild B: Ausfahrt mit Scheuklappenblick (orange) von der Haltelinie aus (1), durch den fehlenden Gehweg (dunkelblau) rechnet man nicht mit Fußgängern (2), und an der Sichtlinie (rot) blockiert man dann zwangsweise den Gehweg (3). Ist das Absicht oder Unvermögen?
Diese grundlegenden Regeln schiebt man sich seit Beginn des Jahrhunderts dahin, wo die Sonne nicht schein. Erst einmal werden gleich zwei Fahrspuren geplant, und zwar so eng wie möglich. Das gibt dann einen schönen Tunnelblick und damit eine Gefahrenlage, weil Autofahrer beim Ausfahren nichts sehen können. Dasselbe gilt für Fußgänger, die wenigstens „um die Ecke luken“ können, bevor sie ohne einen Zentimeter Vorwarnung über den Haufen gefahren werden (können).
Dann wird der einst vorhandene Gehweg abgebaggert, damit der Eindruck entsteht, daß es sich bei der Ausfahrt um eine Straßeneinmündung mit rechts-vor-links-Regelung handelt. Und schließlich muß man als Autofahrer, selbst wenn man sich vorsichtig nach Straßenverkehrs-Ordnung herausgetastet hat, noch den Gehweg blockieren, bis die Straße frei ist und man ausfahren kann. Als Krönung wird noch ein STOP-Schild angeordnet, das aber nur den Fahrverkehr regelt („Vorfahrt achten“), denn Fußgänger können zwar Vorrang haben, aber keine Vorfahrt.
Da man als ausfahrender Autofahrer vor der Haltelinie eh nichts sieht, fährt man konsequenterweise direkt bis zur Sichtlinie vor, wenn vor einem keine Fußgänger sind. Mehr und mehr Fußgänger trauen sich ja eh nicht mehr über die Ausfahrt, ohne um die Ecke zu linsen, und warten lieber. Die Vorrangregeln werden also kontinuierlich herumgedreht.
Verkehrsspiegel? Nein, das ist kein Verkehrszeichen!!eins11
Man kann also sagen, daß dieser verkehrsrechtliche Murks eine Gefahrenlagen schafft, bei der immer mehr Fußgänger auf ihren Vorrang verzichten und Autofahrern mit Wartepflicht (§ 10 StVO) die Vorfahrt lassen. Amt 104 sonnt sich derweil in Unschuld und verweist regelmäßig auf das Ordnungsamt. [1]
Bild C: Verkehrsspiegel, wie sie zu Dutzenden im und um das Stadtgebiet zum Einsatz kommen. Nur nicht gegenüber unübersichtlichen Parkhausausfahrten. Das geht laut 104 nicht.
Hanebüchen wird die Sache aber dann, wenn sich das Amt 104 nicht nur einen feuchten Staub um eine Entschärfung der Gefahrensituation kümmert, sondern vielmehr mit dummen Ausreden jede Lösung verhindert. Man könnte nämlich gegenüber der Ausfahrt einfach einen oder zwei Verkehrsspiegel anbringen, wie er dutzendfach an unübersichtlichen Stellen in und um Wuppertal steht (Foto C). Denn das würde den Autofahrern die Ausfahrt erleichern und die Verkehrssicherheit ein kleines bißchen erhöhen.
In VO/0091/21 heißt es stattdessen von der Straßenverkehrsbehörde: „Verkehrsspiegel sind keine Verkehrszeichen oder Verkehrseinrichtungen im Sinne der Straßenverkehrsordnung (StVO) und können daher nicht nach § 45 StVO von der Straßenverkehrsbehörde angeordnet oder genehmigt werden.“ Spiegel könnten beschlagen, von Dritten verdreht und beschädigt werden, das verzerrte Bild eine falsche Entfernung und Geschwindigkeit von Verkehrsteilnehmern vortäuschen.
Was zum Teufel hat das damit zu tun, daß ein Spiegel gegenüber der Ausfahrt einem Autofahrer das Aussteigen erspart, da er ansonsten nicht „um die Ecke“ schauen kann? Ausfahren und damit verantwortlich ist damit noch der jeweilige Fahrzeugführer und nicht das Amt 104. Verkehrsspiegel sind natürlich keine Verkehrszeichen (oh bitte, macht die Satiriker nicht arbeitslos!), sondern Teil der Straßenausstattung und -möblierung.
Grundlegende Regeln der Verkehrsplanung nicht beachtet: Sehen und gesehen werden
Bild D: Die Parkhausausfahrt gegenüber, designed and built before 1973, erlaubt es Ausfahrern, bereits vor dem Gehweg anzuhalten und den Verkehr auf der Straße zu beobachten. Die Verkehrsteilnehmer können sich gegenseitig sehen. Es erübrigt sich also, bis zur Bordsteinkante vorzufahren und den Gehweg zu blockieren.
Vor 50, 60 Jahren hat man freilich noch ganz anders gebaut, obwohl es vermutlich nicht halb so viele Vorschriften und Richtlinien gab: Das Parkhaus gegenüber (Foto C), das Kaufhof-Parkhaus, das am Kasinogarten etc. sind sie so gebaut, daß man als Autofahrer den fließenden Verkehr sehen kann und umgekehrt. Heute plant man mit Scheuklappen.
Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Vielleicht sind die neuen Dezernenten in der Lage, diese Scheuklappen abzulegen und finden einen Weg, gegenüber der Einfahrt ein oder zwei Verkehrsspiegel zu installieren, respektive die Ausfahrt auf einen Fahrstreifen zu beschränken. Damit die Hoffnung zuletzt stirbt und nicht noch der ein oder andere Fußgänger.
▖
Quellen und Verweise
[1] Bürgerantrag §24 GO Verkehrssicherheit Zu- und Abfahrt City-Arkaden, VO/0091/21;
https://ris.wuppertal.de/vo0050.asp?__kvonr=24771
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