16.04.2024N. Bernhardt
Der Döppersberg – Top_Design einer lebendigen Stadt
Müllermaîerkunz-Tralala, Bruchsteinchenbesitzer der Bürgeraktie „Klagemauer“ [2], lobte in einem Interview die ausgezeichnete Bahnhofseinfaltigkeit:
„Mit dem Eingang im Kellergeschoß ist uns eine wunderbare Symbiose gelungen. Erstmalig kann man ohne unterzugehen unten durchgehen – welch eine Schöpfung. Wir haben den Klassizismus in das einundzwanzigste Jahrhundert verfrachtet, dem Bahnhofsgebäude eckige Fenster erschaffen, eine sich verkrümelnde Klagemauer davor gesetzt und den Bau dabei fast zwei Meter tief eingegraben. Dies fällt durch die Designmauer gar nicht auf.“
Diese Exklusivität sei weltweit einmalig, so Müllermaîerkunz-Tralala. Auch wenn Archimedes bereits 236 vor Christus seinen ersten Aufzug baute, dauerte es bis ins Jahr 2016, um dem Hauptbahnhof seinen ersten modernen Aufzug zur Bahnsteigunterführung zu realisieren – „barrierefrei wohlgemerkt.“ – Das Problem der Fahrgäste, von der Unterführung auf den Bahnsteig zu gelangen, sei dann selbstverfreilich das Designproblem der Deutschen Bahn.
Die Klagemauer mit ihrem Pepita- oder auch Hahnentrittmuster passe ideal zur „bergisch pepita“ genannten Kleinkariertheit und dem pietätischem Geist der großen Pina Bausch. [1] Man könne nicht sehenden Auges mit ansehen, wie der Verkehr auf der Nord-Süd-Achse plötzlich auf der Ost-West-Achse geführt wird und bei den dadurch verursachten Verkehrsstaus der wertvolle Blick auf, aber nicht in die stylishe Konsumbrücke geworfen werden kann.
Der dunkelblau eingezeichnete Bereich ist die Ebene des Erdgeschosses, wo man früher – vgl. Foto oben – über die Treppe in den Bahnhof gelangt ist. Unbarrierefrei – wie uncool!
Der Ex-Elektrokleinstfahrzeugbusmitfahrer [3] Tim Tokwer bezeichnete einmal sein Heimatdorf als eine „Stadt auf den zweiten Blick“. Was liegt also näher, als das für ein Dorf überdimensionierte Bahnhofsgebäude stylisch einfach zwei Meter einzugraben? Die emotionale und lange Rede eines bekannten Wuppertaler Architekten im Döppersberg-Ausschuß wurde durch die demokratisch gewählte politische Mehrheit willentlich mit wichtigen Handygescrolle überstimmt, sonst wäre aus der Definition „im modernen Klassizismus werden Bogenfenster eckig dargestellt“ womöglich noch rund geworden.
Müllermaîerkunz-Tralala dazu: „Ein Unverfrorentum. Einfach so die moderne Definition von Klassizismus umzudeuten.“
Auch der Blick auf die Konsum-Brücke (Betonung historisch auf der ersten, modern-designistisch auf der zweiten Silbe) verhüllt modern-stylisch den Anblick auf den altbackenen, denkmalgeschützten Köbo-Bau von 1929 mit der Schwebebahnstation Döppersberg. Leider ließ sich die Magnetschwebebahn zur Uni aus Kostengründen nicht realisieren.
Müllermaîerkunz-Tralala weiter: „Auch ostwärts setzt sich das geniale Kunstwerk der ‚Klagemauer‘ fort.“ Einmal klage eine unbekannte Partei gegen den Bau dieses wundervollen Objektes – daher der Name –, andererseits verändere sich das Design durch die Selbstauflösung ständig.
Es folgt der preisgekrönte Taxenplatz mit angeschlossenem Nachrückplatz in einer einer einmaligen Symbiose mit einer Feuerwehrzufahrt. „Hat auch nicht jeder“, meint Müllermaîer-Wissenschon: „Ein Taxenplatz, der tatsächlich für Taxen genutzt werden kann. Das ist in einer Welt des Designs nicht üblich.“
Bei Brandeinsätzen, die zum Glück nur äußerst selten auftreten, muß die Feuerwehr die Taxen zunächst bitten wegzufahren, bevor mit dem Löschangriff begonnen werden kann – aber das wird angesichts des herausragenden Designs von der Dorf-Verwohltätigung für zumutbar gehalten, wöllchen?
Dank des freundlichen Investors, der – auf Händchenheben des demokratisch legitimierten Döppersdorfausschusses – freundlicherweise seinen Kubus 25 Meter weiter westwärts errichtet hat, sollte an dessen östlicher Seite ein großzügiges, begrüntes und bewirtschaftetes Radhaus zum Ab-, Unterstellen und Übernachten der ökologisch vorteilhaften „Fah-Räder“ entstehen. Leider hat das zuständige Landrad übersehen, daß dieses Grundstück rechtlich ein Privatparkplatz ist und damit eine öffentliche Nutzung ausgeschlossen ist.
Form Follows Design: Nur eine offene Laderampe ist eine gute Rampe in Funktionseinheit mit dem Designobjekt „Gehweg“. Müllermaîer-Hastenichgesehn: „Wir mußten nicht nur Bushaltestellen zusammenfassen. Der Gehweg ist so auch Parkplatz, Taxenplatz, Entsorgungsplatz – nicht jede Stadt weist eine solche Vielfalt an einem Platz auf.“
Müllermaîer-Hastenichgesehn zur Barrierefreiheit: „Auf Ebene 1 haben wir – analog zum Spießrutenlauf mit dem Antrag auf Erteilung eines Antragsformulars zur Bestätigung des grützeverschmutzten Ungültigkeitsvermerks des Erteilungsamtes – einen völlig barrierefreien Parcours aufgebaut. Die scheinbar plötzlich auftretenden Treppenstufen sind nach dieser amtlichen Definition selbstvergewiß keine Treppenstufen, sondern lediglich eine mit entsprechend sportlicher Geschwindigkeit barrierefrei überwindbare Parabel. Wer das nicht möchte, kann sich gerne auf die schiefe Ebene wagen. Was ist in unserem Leben noch im Gleichgewicht?“
Die alte Situation vor dem Döpsumbau ordnete mit einer düsteren „Harnröhrenlösung“ (Dünnsch-ähm… dagegen hilft Zwieback!) die wesentlichsten Bedürfnisse der Menschen dem Nichtdürfen unter. Das Trotzdemmüssen roch entsprechend. Jetzt haben wir ein kostenlos nutzbares – und mit dem goldenen TOITOI preisgekrönten! – WC am Rande des Eingangstores zur Stadt, welches im urbanen Raum mit vielen kommunikativen Menschen erlebbar geworden ist.
Vielleicht hilfreiche Hin- und Verweise:
[1] „So trauert Wuppertal um Pina Bausch“, WELT.de, veröffentlicht am 04.07.2009,
https://www.welt.de/kultur/article4055150/So-trauert-Wuppertal-um-Pina-Bausch.html
„Bergisch pepita“ bedeutet keineswegs grundloses Moppern.
[2] Realer Irrsinn: Die Klagemauer von Wuppertal, Sendung vom 02.09.2020,
https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/extra_3/Realer-Irrsinn-Die-Klagemauer-von-Wuppertal,extra18208.html
[3] Elektrokleinstfahrzeugbusmitfahrer: Da die Wuppertaler Spaßwerke (WSW) sich undezidiert der VDV-Pressemitteilung angeschlossen haben, ist die Beförderung von Elektrokleinstfahrzeugen (Amtsdeutschabkürzung eKF) , im Umgangsdeutsch: E-Scooter, in den Feuer… äh Fahrzeugen der WSW ausgeschlossen. Zu dem Thema: Die Hamburger Hochbahnen, die – ohne Satire – auch für die U-Bahnen zuständig sind, haben eine über frag-den-staat.de abrufbare Studie in Auftrag gegeben. Die Frage lautete: Kann der Transport von eKF in den Hamburger U-Bahnen empfohlen werden? – Die Antwort lautet (auftragsgemäß): nein. Das Gutachten selbst beschäftigt sich allerdings ausschließlich mit Unfällen und Bränden von E-Bikes (Pedelecs) und weist darauf hin, daß ein Großteil der Brände beim Laden passiert. Laden ist im ÖPNV untersagt, das Problem tritt also hier nicht auf. Die angeblichen Unterschiede bei den einzuhaltenden Normen sind nicht fahrzeug-, sondern akkubedingt. Nämlich: Wechselakkus müssen zusätzlich einer Fallprüfung unterzogen. Da die meisten Pedelecs über Wechselakkus verfügen, eKF aber nicht, müssen letztere bei fest eingebauten Akkus auch nicht die Fallprüfung der Wechselakkus nachweisen.
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