11.05.2018Gedenkbuch Wuppertal
Der Elberfelder reformierte Theologe Helmut Hesse (1916-1943)
Vor 75 Jahren verhaftete die Gestapo den jungen Elberfelder Pfarrer Helmut Hesse und seinen Vater Hermann Albert Hesse wegen „staatsfeindlicher Einstellung“ und wegen ihres öffentlichen Gebets für die Juden. Der Vorwurf: Hermann Hesse habe in einem Gottesdienst den verheerenden Bombenangriff auf Barmen am 30. Mai 1943 als Gottesgericht und Reaktion auf die Judenverfolgung interpretiert. Helmut Hesse soll öffentlich folgendes gesagt haben: „Als Christen können wir es nicht länger ertragen, dass die Kirche in Deutschland zu dem, was heute gegen die Juden geschieht, schweigt.“
Ein anonym bleibender Elberfelder Bürger denunzierte anschließend Hermann und Helmut Hesse in einem Brief an die Kriminalpolizei:
„Ich bitte Sie höflichst, Ihr Augenmerk auf den Pastor Hesse in der Alemannenstr zu richten, welcher ein ganz großer Hetzer und Mißmacher [sic] ist. Die Heimsuchung unserer Heimatstadt [gemeint ist die Bombardierung Barmens] versucht dieser Herr in einer schmutzigen Weise für kirchliche Proppaganda auszuschlachten. (…) Sein Söhnchen Helmut, (…) scheint ein großer Verehrer der Juden zu sein. Es wäre doch zweckmäßig, einmal seine Abstammung zu überprüfen. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit verherrlicht er die Juden und kritisiert an den Maßnahmen des Staates zur Lösung der Judenfrage. Beide Personen sind in der Lage, den Widerstandswillen des Volkes nachhaltig zu beeinflussen. (…) Machen Sie diese beiden Personen unschädlich, ehe ihr Unheil nicht mehr gut gemacht werden kann.“ (LAV NRW R, RW 58 Nr. 47308.)
Nach monatelanger Haft wurden beide Theologen in das KZ Dachau überführt, wo Helmut Hesse nach wenigen Tagen am 24. November 1943 im Alter von 27 Jahren verstarb.
Der Pfarrer Helmut Hesse, war zusammen mit seinem Vater Hermann Hesse, eine herausragende Figur des kirchlichen Widerstands gegen das NS-Regime. Sie lebten zusammen im Gemeinde- und Pfarrhaus Alemannenstr. 40 in der Elberfelder Nordstadt. Als Mitglied der Bekennenden Kirche hielt Hesse bis zuletzt konsequent an den kirchenoppositionellen Beschlüssen von Barmen und Dahlem (1934) fest. In seinem kurzen Leben ging der junge Theologe immer wieder bis zum Äußersten – und noch ein paar Schritte darüber hinaus. Das führte ihn in den christlichen Widerstand gegen das NS-Regime. Dietrich Bonhoeffer, Martin Niemöller oder Sophie Scholl kennt heutzutage nahezu jeder – aber wer kennt Helmut Hesse? Allzu viele „stille Helden“ aus dem christlichen Widerstand gegen den Nationalsozialismus sind in der Nachkriegszeit weithin vergessen und zu wenig gewürdigt worden. Helmut Hesse war einer von ihnen. Angesichts der Katastrophe von Hitler und Holocaust nimmt Hesse unter den Protestanten der NS-Zeit eine nahezu singuläre Stellung ein. Er schwieg nicht zur Judenverfolgung, sondern protestierte. Es ist überfällig, mehr an diesen mutigen Bekenner zu erinnern und ihn durch öffentliches Gedenken zu würdigen.
Helmut Hesse
Manfred Gailus ist Professor für Neuere Geschichte an der TU Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte: Protestantismus und Nationalsozialismus, Antijudaismus und Antisemitismus, Religionsgeschichte im 20. Jahrhundert
VeranstalterInnen:
Verein zur Erforschung der sozialen Bewegungen im Wuppertal e.V.
Ev. CityKirche Wuppertal-Elberfeld
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