Der Feind steht links! – Polizeigewalt in Wuppertal
Der Feind steht links! – Polizeigewalt in Wuppertal
„Extremisten verraten die Werte der Polizei“, erklärte jüngst der Wuppertaler Polizeipräsident Markus Röhrl angesichts der Entdeckung von rechten Netzwerken in der Polizei in der WZ. „Falls es solche Vorfälle in Wuppertal geben sollte, so Röhrl, würde dies „zu schärfsten disziplinarischen Konsequenzen führen“. (WZ, 21.9.2020)
Es ist bezeichnend, dass Röhrl nicht von Rechtsextremisten, sondern von Extremisten spricht. Denn zu den gegenwärtigen Debatten über Polizeigewalt und rechte Netzwerke in der Polizei gehört auch, dass die Polizei mit zweierlei Maß misst: Rüde gegen links, lasch gegen rechts. Wobei Röhrl den Begriff links sehr weit ausgelegt. Dazu gehören für ihn all diejenigen, die gegen Demonstrationen von Nazis auf die Straße gehen. Nachdem der Leiter des Jobcenters Thomas Lenz bei einer Gegendemo gegen die Demonstration der Nazipartei „Die Rechte“ mit rüder Gewalt festgenommen wurde, erklärte Röhrl in der Lokalzeit Bergisch Land im WDR, Lenz habe sich an einer Sitzblockade beteiligt und einen Platzverweis nicht akzeptiert. Diese Behauptung wird durch ein Video klar widerlegt.
Eine solche Praxis gehört offenbar zu Röhrls Verständnis der Durchsetzung von „Recht und Gesetz“ und war in den letzten beiden Jahren in Wuppertal oft zu beobachten. Dazu nur einige Beispiele aus diesem Jahr:
Am 1. Mai wurden zwei Väter in der Gertrudenstrasse, nachdem sie Maßnahmen der Polizei kritisiert hatten, an eine Hauswand gedrückt. Ihren weinenden und aufgelösten Kindern teilte die Polizei mit, ihre Väter würden in Polizeigewahrsam genommen und sie dem Jugendamt übergeben.
Am 18. September löste die Polizei den Parking Day auf der Friedrich-Ebert-Straße in Elberfeld auf. Sie begründeten ihr Vorgehen mit der Nichteinhaltung von Coronaschutzauflagen. Der Veranstalter Reinhold Weber vom ADFC Wuppertal/Solingen wies die Vorwürfe zurück und war empört, „dass die Polizei den einzelnen Dunkelhäutigen aus der Masse herauspickt, um ihn aufzufordern, die Maske richtig zu tragen“ (WZ, 18.9.2020)
Am 22. September untersagte die Polizei der Initiative „Osterholz bleibt“ einen genehmigten Stand vor der Unihalle, wo eine Anhörung der Bezirksregierung stattfand. (Radio Wuppertal, 22.9.2020)
Alle diese Einsätze haben eines gemeinsam: Das aggressive Agieren des Einsatzleiters und Polizeihauptkommissars G. Dieser Einsatzleiter war auch im Jahr 2015 in ein dunkles Kapitel der Wuppertaler Polizei involviert. Am 11. April 2015 wurde ein Besucher des Autonomen Zentrums von einem Hogesa [Hooligans gegen Salafisten] – Anhänger lebensgefährlich verletzt. Die Polizei behauptete, die Autonomen hätten die Rettungskräfte nicht ins AZ gelassen. Tatsache war jedoch, dass die Autonomen zunächst nicht die Polizei, wohl aber die Rettungssanitäter ins AZ gelassen, die sich nach eigenen Angaben vor Gericht, nicht bedroht gefühlt hatten. Der Einsatzleiter G. sagte vor Gericht aus, er habe aufgrund der „Gefahrenlage“ in Absprache mit der Notärztin die Entscheidung getroffen, die Notärztin nicht zu dem Verletzten zu lassen und die Rettungssanitäter – gegen ihren Willen, wie sie später vor Gericht aussagten – aus dem AZ abgezogen. Der lebensgefährlich Verletzte wurde daraufhin von medizinisch nicht ausgebildeten Polizeibeamten aus dem AZ geschafft.
Zu dieser Praxis passte auch, dass die Polizei in ihrer Pressemitteilung den Eindruck vermittelte, dass AZ-Besucher zum Kreis der Täter gehörten und diese noch als Beschuldigte vorgeladen wurden, nachdem der Täter schon festgenommen war. Darüber hinaus wurden Zeugen gefährdet, deren Namen in den Ermittlungsakten auftauchen
Der größte Skandal wurde während der Gerichtsverhandlung bekannt. Dem Staatsschutz war schon im Januar 2015 bekannt, dass die späteren Täter einer Chatgruppe angehörten, in der Angriffe auf das AZ bis hin zu einem Brandanschlag diskutiert wurden. Überflüssig zu erwähnen, dass die Polizei das AZ nicht informierte. Zu dieser Geschichte gehört auch, dass der Richter am Landgericht, Robert Berling, es nicht nötig fand, dieser nicht unwichtigen Information nachzugehen, mit der Begründung: „Das betrifft nicht das Kerngeschehen“.
Mit dieser Vorgehensweise hat die Wuppertaler Polizei vielleicht nicht die „Werte der Polizei verraten“, aber zweifelsohne die Werte einer Polizei in einem demokratischen Staat. Ob dies auch die Werte des Polizeipräsidenten Röhrl und des Einsatzleiters G. sind, darf stark bezweifelt werden.
Dieter Nelles
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