Der Weg für „Primark“ ist frei

Am Dienstag stimmte der Rat darüber ab, ob der Investor „Signature Capital“ den Platz vor dem Hauptbahnhof entwickeln soll. Indirekt ging es dabei auch um die Ansiedlung der wegen ihrer Produktionsmethoden umstrittenen Textilhandelskette „Primark“.

Die Ratssitzung, in der über die Vorlage “Private Investitionen im Rahmen der städtebaulichen Neuordnung Döppersberg/Hauptbahnhof“ abgestimmt werden sollte, begann mit dem Besuch des Kinderprinzenpaars der Stadt Wuppertal. Hanna I. und Finn I. geben sich die Ehre und riefen den Stadtverordneten zu: „Hallo Ihr Narren groß und klein“. Ob die Anwesenden sich angesprochen fühlten, war ihnen nicht anzumerken. Im Anschluss an die karnevalistische Eröffnung wurde darüber diskutiert, ob der Investor „Signature Capital“ den Platz vor dem Hauptbahnhof entwickeln soll. In den sog. „Investorenkubus soll „Primark“ als Ankermieter einziehen.

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2011-05-23 Wuppertal Barmen Rathaus Stadtverwaltung (01)

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Michael Müller sagte, das Investorenvorhaben am Döppersberg sei „eine städtebauliche Aufwertung für Wuppertal“. Das ohnehin schon große Einzelhandelssortiment werde wachsen und weitere Kunden in die Stadt locken. „Wir sind davon überzeugt, dass dieses Gebäude der Stadt gut tun wird.“ Die CDU gehe davon aus, dass „Primark“ seiner Verantwortung auch in den Produktionsländern gerecht werde

SPD-Fraktionsvorsitzender Klaus Jürgen Reese: „Die Beschlussvorlage bildet den letzten Mosaikstein für das städtebaulich schlüssige Gesamtkonzept ‚Umgestaltung Döppersberg‘“. Hauptmotivation für den Umbau sei die Heranführung des Bahnhofs an die Innenstadt gewesen. Das Investorenprojekt trage dazu bei, dies mit Leben zu erfüllen und umzusetzen. Mit Köbo-Haus und beidseitig bebauter Geschäftsbrücke werde die Anbindung der Innenstadt vollständig. „Ich denke, jeder, der die städtebauliche Bedeutung der Umgestaltung des Döppersbergs bejaht, kann dieser Gesamtkonzeption nur so zustimmen.“ Dieses Projekt werde Wuppertal deutlich nach vorne bringen. Im Umfeld des Döppersberg seien schon heute zunehmende Investitionstätigkeiten festzustellen. Die Arbeitsbedingungen der Zulieferer von „Primark“ würden zu Recht diskutiert, aber dieses Problem betreffe nicht ein Unternehmen. „Primark“ könne daher auch nicht alleine an den Pranger gestellt werden. Die Entscheidung für einen Ankermieter am Döppersberg werde durch die Diskussion über die Produktionsbedingungen bei „Primark“ nicht beeinflusst.

Anja Liebert, Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen führte aus, die Menschen erwarteten eine Hinwendung zu schwachen Verkehrsteilnehmern. Die Partei habe das Projekt Döppersberg deshalb von Anfang an unterstützt. Früher seien Menschen in der autogerechten Planung nicht vorgesehen gewesen. Die Grünen hätten sich seit den neunziger Jahren dafür eingesetzt, die Belange des ÖPNV, der Fußgänger und der Radfahrer am Döppersberg zu berücksichtigen. CDU und SPD hätten es aber wieder einmal geschafft, „aus einem guten ein höchst umstrittenes Projekt zu machen“. Die emotionale Bindung der Wuppertaler an den neuen Döppersberg sei verloren gegangen. Für den Investor sei es außerdem ein leichtes Spiel gewesen, seine Interessen gegenüber einer innerlich zerstrittenen Großen Kooperation durchzusetzen. Zu „Primark“ sagte sie, man könnte die Kette zwar boykottieren, dann sei die Filiale bald wieder geschlossen. Doch ob der nächste Mieter nachhaltiger produziere, sei nicht garantiert. „Wir möchten, dass über den Konsum insgesamt gesprochen wird.“ Liebert abschließend: „Wir stehen zu dem Projekt Döppersberg, wir können aber nicht akzeptieren, dass ‚Primark‘ dabei die Hauptrolle spielen soll.“

Bernhard Sander, Die Linke, kritisierte, „Primark“ sei einer der „übelsten Billigdiscounter“, der der Stadt von Kolping und Engels nicht würdig sei. Sander stellte das Unternehmen auf eine Stufe mit den Manchester-Kapitalisten des 19. Jahrhunderts. Die billigen Preise bei „Primark“ würden auch zu Lasten der „miesen Jobs“ in den deutschen Filialen gehen. Es sei auch fadenscheinig, einen Billigdiscounter an den Döppersberg zu setzen, nachdem man den Bürgern jahrelang erzählt habe, dort entstehe das Filetstück Wuppertals. Den Grünen warf Sander eine „scheinheilige Doppelmoral“ vor. Deren Entscheidung, sich zu enthalten, mache den Weg frei für „Primark“. Sander sieht in der Ratsvorlage erhebliche Kostenrisiken. So wären zum Beispiel spätere Schadenersatzforderungen von „Primark“, die sich aus einer Bauverzögerung ergeben könnten, nicht abgedeckt.

Für Alexander Schmidt, den Fraktionsvorsitzenden der FDP, geht es darum, eine hohe Qualität des Döppersbergs als Eingangstor für Wuppertal zu erreichen. Leider habe es die Stadt versäumt, den Investor zu einem Architektenwettbewerb zu verpflichten. Schmidt kritisierte, dass das Gebäude um 23 Meter nach Westen verschoben werde und damit den Blick von der Poststraße auf das Bahnhofsgebäude versperre. . Ein Billigdiscounter mit fragwürdigen Produktionsmethoden sei dem Ziel eines attraktiven Eingangstors ebenfalls abträglich. Auch Schmidt betont die finanziellen Risiken, die sich aus der Beschlussvorlage ergeben würden. Mit sehendem Auge mute man dem Bürger zu, das Budget für den Döppersbergumbau ein weiteres Mal zu erhöhen. Die FDP werde die Drucksache daher ablehnen.

Dorothee Glauner kündigte an, dass auch die Freien Wähler die Vorlage ablehnen werden. Aus der Beschlussvorlage würden sich zwangsläufig neue finanzielle Belastungen für die Stadt ergeben. „Nähern wir uns langsam der Prognose von Herrn Schmersal an, der von Kosten in Höhe von 300 Millionen Euro ausgeht?“ Die WfW könnten nicht zustimmen, da die Einzelheiten des Vertrages mit dem Investor nicht bekannt seien. Auch Glauner zog Parallelen zwischen „Primark“ und dem Frühkapitalismus. Sie appellierte an die Grünen, sich nicht zu enthalten, sondern die Vorlage abzulehnen. An den Oberbürgermeister wandte sie sich mit dem Hinweis, dass es doch nicht an ihm „vorbeirauschen“ könne, dass es noch nie so viele kritische Bürgerinitiativen gegeben habe wie zur Zeit.

Pro NRW und Republikaner kündigten an, dem Ratsvorlage zuzustimmen. Die AfD lehnte wegen der Kostenrisiken ab.

Über die Ratsvorlage “Private Investitionen im Rahmen der städtebaulichen Neuordnung Döppersberg/Hauptbahnhof“ wurde auf Antrag der LINKEN namentlich abgestimmt. Das Ergebnis 42 mal Ja, 13 mal Nein, 10 mal Enthaltung.

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Kommentare

  1. Gert Bender sagt:

    Vielen Dank für dieses Abstimmungsergebnis. Wuppertal geht vorwärts und lässt die ewig gestrigen hinter sich. Gut so.

  2. döppersberger sagt:

    Welch peinliches Abstimmungsverhalten der Grünen, nicht klar und entschieden gegen die Ansiedlung eines solch ausbeuterischen Wirtschaftsmodells zu stimmen. Da sind sogar WfW und FDP kritischer, wenn auch aus unterschiedlichen Motiven. Letztlich bleibt als Erkenntnis, dass es mal wieder nur DIE LINKE ist, die sich glaubwürdig für eine ökologische und soziale Stadtentwicklung sowie für faire Arbeitsbedingungen einsetzt.

  3. Ich hab mich als Wuppertaler Bürger noch nie so verraten und verkauft gefühlt wie durch unsere „Stadtregierung“ in Sachen Döppersberg.

  4. Anne D. sagt:

    Auch ich schäme mich für Euch Ratsmitglieder, die mit „Ja“ gestimmt haben! Zutiefst enttäuscht, ernüchtert, desillusioniert! Das ist nicht mehr meine Stadt!
    Wann und und wo auf dem Weg habt Ihr Euer Gewissen verloren???

    Bedenket: Alles, was Ihr gebt, kommt 3fach zurück zu Euch!

  5. TottiWZ sagt:

    Ich schäme mich für alle Ratsmitglieder, die mit „Ja“ gestimmt haben und für die damit verbundene moralische, soziale und humane Inkompetenz. Diese Leute sind sicherlich exquisit beraten, ihren diesjährigen Jahresurlaub zur Besichtigung der Primark Produktionsstätten zu verwenden. Pfui!

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