Diskussion um City-Arkaden: Bürger beteiligen, öffentlichen Raum erhalten

Die Kritiker der umstrittenen Erweiterung der City-Arkaden boten am Donnerstag hochrangige Redner auf, die vor den Gefahren der Center-Ausdehnung warnten und mehr Mitspracherechte für die Bürger einforderten.
Mit Kommentar von njuuz-Herausgeber Georg Sander.

Die Initiative „Die Wuppertaler“ hatte am Donnerstag zur Informationsveranstaltung über die Erweiterungspläne der City-Arkaden eingeladen. Die Kirche am Kolk war bis auf den letzten Platz besetzt.

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Anke Schulz, seit 23 Jahren Inhaberin der Schneiderei Burscheid und Gründerin von „Die Wuppertaler“, gab in ihrem Eröffnungsstatement freimütig zu, aus persönlicher Betroffenheit zur Erweiterungskritikerin geworden zu sein. Als Inhaberin der Schneiderei Burscheid sei ihre Existenz bedroht, wenn der Center-Betreiber ECE  seine Expansionspläne wahrmache. Für so viel Offenheit gab es donnernden Applaus des Publikums. Anke Schulz: „Ich bin offen für Veränderungen, doch diese sollten im Sinne der Bürger sein. Bei der Erweiterung habe ich das Gefühl, dass dies nicht der Fall ist.“ Die Veranstaltung solle dazu dienen, die emotional geführte Diskussion zu versachlichen.

Die Kirche am Kolk war bis auf den letzten Platz besetzt.

„Bürger werden bei der Stadtentwicklung nicht ernst genommen.“

Raumplaner Haimo Bullmann vom Rheinischen Verein für Denkmalschutz und Landschaftspflege „liegt die Erhaltung einer schönen Innenstadt am Herzen.“ Die Pflege des Stadtbildes sei wichtiger als die Erweiterung eines ohnehin großen Centers. Bullmann plädierte für eine unverwechselbare City, „eine kleinteilige Stadt der Begegnung und der Kultur und des Handels“. Plätze und Straßen sollten zum Verweilen einladen. Er forderte einen Wechsel im Verständnis von Stadtpolitik. Die Interessen von Großinvestoren dürften nicht länger über der Sorge der Menschen um eine lebendige Innenstadt stehen. Die Bewohner müssten stärker beteiligt werden. „Die Bürger werden bei der Stadtentwicklung in Wuppertal nicht ernst genommen“, so Bullmann.

Wuppertal habe kein planerisches Konzept für die Gestaltung der Innenstadt. Ein Masterplan müsse unter Beteiligung der Bürger und gemanagt von unabhängigen Experten Verbesserungsmöglichkeiten und kreative Ideen zusammenfassen. Bisher würden die Pläne von Investoren beinahe ohne Änderung von der Stadt als Satzung beschlossen.

Die Erweiterungsgegner befürchten, dass der Platz am Kolk verloren geht.

Raumplaner Bullmann erwartet „brutalen Verdrängungswettbewerb“

Die erweiterten City-Arkaden, die Bundesbahndirektion, der „Investorenkubus“ am Bahnhof sowie der IKEA-Homepark würden die Verkaufsfläche Wuppertals um rund 50.000 Quadratmeter erhöhen. Zusammen mit den Erweiterungsplänen in den Nachbarstädten führe dies zu einem „brutalen Verdrängungswettbewerb“. Der von der Stadt erwartete Kaufkraftzufluss für Wuppertal sei deshalb in Frage zu stellen: „Wir fordern von der Stadt Wuppertal, aus dem Wettbewerb mit den Nachbarstädten um Einkaufszentren auszusteigen.“ Statt auf Fächenerweiterungen solle auf die Verbesserung der Qualität gesetzt werden. Außerdem müssten Baudenkmäler wie die Kirche am Kolk, die Hauptpost und das „Rex“ erhalten und gepflegt werden. Der Raumplaner forderte ein Verkaufsverbot öffentlicher Flächen in der Innenstadt, um die wenigen Angebote für die Bürger zu erhalten.

Ökonomin Walter bestreitet, dass Center Kaufkraft in die Innenstädte bringen

Die Ökonomin Monika Walter hat sich wissenschaftlich mit den Auswirkungen von Centern wie den City-Arkaden auf die Innenstädte befasst. Sie vertrat, unterlegt mit einer Vielzahl von Schaubildern, die These, dass Städte mit Einkaufszentren in den zurückliegenden Jahren keinen signifikanten Vorteil gegenüber Städten ohne eine Mall aufweisen konnten. Das gelte auch für Wuppertal. Die Magnetfunktion einzelner angesagter Filialisten, die häufig in den Centern zu finden seien, dürfe nicht gleichgesetzt werden mit der Attraktivität von Malls, denn diese Marken könnten sich auch in Straßenlagen ansiedeln.

Aus Sicht von ECE sei die aktuelle Situation in Elberfeld nicht optimal, räumte Monika Walter ein, weil man nur auf der zweiten Ebene durch das ganze Center gehen könne. Mit der Erweiterung könne ein sogenanntes „Triangelkonzept“ realisiert werden, dass es den Kunden erlaube, sich länger in den City-Arkaden aufzuhalten, weil die schlauchförmige Form durch eine eher flächige Architektur abgelöst würde.

Wilhelm Achelpöhlers Vortrag wenig aussagekräftig für Wuppertal

Als dritter Centerkritiker ergriff Wilhelm Achelpöhler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, das Wort. Er hat bereits in Münster an der Verhinderung einer Mall mitgewirkt. Der Jurist kritisierte pauschal, dass Stadtplanung zunächst nur anlassbezogen auf Investorenanfragen reagiere, anstatt aktiv eine eigene Konzeption für die Innenstädte zu entwickeln. Er schilderte zahlreiche Anekdoten aus Münster, deren Relevanz für Wuppertal sich allerdings nicht immer erschloss. Offenbar lag seinen Ausführungen die Vermutung zugrunde, dass auch im Wuppertaler Rathaus nur so getan werde, als würden die Vor- und Nachteile eines Centers sorgfältig abgewogen. Tatsächlich stünden aber einseitig die Investoreninteressen im Vordergrund. Der wiederholte Szenenapplaus aus dem Publikum zeigte, dass auch viele der Anwesenden diese Ansicht teilten. Im Anschluss erläuterte er das Planungs- und Genehmigungsverfahren unter besonderer Berücksichtigung juristischer Aspekte. Am Ende blieb der Eindruck eines rhetorisch glänzenden Vortrags ohne besondere Aussagekraft für die Situation für Wuppertal.

Die Grafik von ECE zeigt die bestehenden City-Arkaden und das geplante Erweiterungsgebiet.

Praktiker aus Viersen sieht in Wuppertal Sanierungsbedarf

Winfried Tackenberg ist Investor und Center-Betreiber aus Viersen. Er bezeichnete sich selbst als „Praxismann“ und führte recht selbstbewusst aus, die Innenstadt von Viersen „saniert“ zu haben. Den Erfolg seiner Arbeit machte er an der deutlich gestiegenen Zahl der Kurzparker in seiner Stadt fest. Die Verkleinerung und Konzentration der Einkaufszonen in der Innenstadt beschrieb er als Grund für die positive Entwicklung in Viersen. Tackenberg vertrat die Ansicht, dass in Wuppertal vor allem die Verbesserung der Bausubstanz in Angriff genommen müsste. Er habe jedoch in der Stadt keine nennenswerten Vorhaben erkennen können, die dafür sprechen, dass dieses Problem angegangen werde. Er plädierte ferner dafür, das betriebswirtschaftliche Fachwissen der Kaufleute zu verbessern. Bei einem Rundgang durch die Elberfelder City will Tackenberg erkannt haben, dass das fehlende kaufmännische Know-How auch in unserer Stadt zu zahlreichen Insolvenzen führen werde.

„Ein Center bietet auch große Chancen“

Seine Arbeit in Viersen beschrieb Tackenberg als einen „täglichen Kampf“ gegen parkende Lieferfahrzeuge, Wandschmierereien, Taubendreck und Bettler. Er äußerte sich „fassungslos“ angesichts der zahlreichen Graffitis in Elberfeld. Die City-Arkaden bezeichnete er dagegen als „extrem sauber, ganz im Gegenteil zu den angrenzenden Bereichen“. Wenn die Händler nicht selber an den genannten Punkten arbeiten könnten, die Center-Betreiber könnten es, so Tackenberg. Er sei „sowohl Gegner als auch Fan“ von Malls. Ob diese der Innenstadt schaden oder nützen, müsse im Einzelfall beurteilt werden. Es müsse aber darauf geachtet werden, dass die gesetzlich erforderlichen Expertisen keine Gefälligkeitsgutachten für die Betreiber seien. Außerdem müsse überprüft werden, ob die von den Investoren angegebenen Quadratmeterangaben realistisch seien. So würden oft geringere Verkaufsflächen angegeben als später tatsächlich realisiert würden. Häufig würden auch die Auswirkungen auf das Umland von den Investoren unzutreffend beziffert. Er bescheinigte Wuppertal, dass die Qualität der Innenstadt den Vergleich mit den Cities ähnlich großer Städte nicht standhalte. Es sei ein Trauerspiel. „Deshalb überlegen sie sich ganz genau, was sie machen. Wenn sie das Ruder selbst herumreißen können, machen Sie es. Ansonsten bietet ein Center auch große Chancen.“ Tackenberg führte das Beispiel Braunschweig an, wo der Bau der „Schloss-Arkaden“ die Händler angespornt habe, in ihr Geschäft zu investieren. Pikanterweise wurde dieses Center vom jetzigen Wuppertaler Baudezernenten Frank Meyer realisiert, der auch der Erweiterung der Elberfelder City-Arkaden wohlwollend gegenübersteht.

Morianstraße: „Ein Angstraum, durch den man nicht durchgehen mag“

Erweiterungsfläche der City-Arkaden „nicht mehr begreifbar“

Schlussredner Prof. Klaus Schäfer von der Hochschule Bremen sprach zum Thema „Wem gehört die Stadt?“. Er gab zu, Wuppertal nicht besonders gut zu kennen. Die City-Arkaden will er dennoch als Schwäche der Stadt ausgemacht haben. Die Größe der Erweiterungsfläche kritisierte Schäfer als „nicht mehr begreifbar“. Es entstünde eine regelrechte „Ersatz-Innenstadt“ Elberfelds. Er kritisierte den Verlust an öffentlichem Raum, der „ein wichtiges Element für Kommunikation“ sei. Mit dem Bau eines Centers ginge das kleinteilige Gefüge einer Innenstadt und damit ihre Fähigkeit zu Wandlung und Weiterentwicklung verloren. Er würde es bedauern, wenn die Blickbeziehung von der Morianstraße in Richtung „Rex“ dem Umbau der Arkaden geopfert werde. Ähnlich verhalte es sich mit der Kirche am Kolk.

Als eklatanten städtebaulichen Mängel der City-Arkaden nannte Schäfer deren Sackgassenprinzip“. Er kritisierte auch die Überführung über die Morianstraße („ein Angstraum, durch den man nicht durchgehen mag“) und die hermetische Abgeschlossenheit der Fassade. Im übrigen würden viele Besucher des Centers die Stadt nur noch von oben (Parkdeck) oder durch Glas (Gastronomie im Innenbereich) wahrnehmen. Schäfer bemängelte auch andere Neubauten wie das Saturn-Gebäude, das sich nach außen abweisend präsentiere.


Kommentar von njuuz-Herausgeber Georg Sander

Der Abend in der Kirche am Kolk brachte eine Fülle von Argumenten gegen eine Expansion der City-Arkaden und für mehr Beteiligung der Bürger an großen Stadtentwicklungsprojekten. Allerdings fehlten sowohl Redner des Center-Betreibers ECE als auch Vertreter der Stadt, so dass das Meinungsbild insgesamt einseitig ausfiel. Lediglich Winfried Tackenberg aus Viersen sprach sich dafür aus, auch die positiven Aspekte, die eine Center-Erweiterung mit sich bringen kann, zu prüfen. Für die öffentliche Debatte um die Vergrößerung der City-Arkaden war die gut besuchte Veranstaltung dennoch wichtig. Sie machte deutlich, dass viele Elberfelder den Heilsversprechen von Investor und Rathaus nicht trauen und Angst vor einer weiteren Verschandelung der City haben. ECE, Politik und Stadtverwaltung wären gut beraten, wenn sie dieses Signal ernst nehmen würden.

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Fotos: Wilma Schrader, Georg Sander
Grafik: ECE

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Kommentare

  1. Wir freuen uns über die sehr ausführliche und differenzierte Würdigung der Veranstaltung. In diesem Artikel sind die Kernthesen der jeweiligen Referenten auch nach unserer Ansicht in allen wesentlichen Punkten zutreffend beschrieben.
    Ergänzen möchten wir lediglich die ermutigenden visionären und perspektivereichen Gedanken von Professor Klaus Schäfer: Neben den Ideen seiner Studenten für die Gestaltung des Platzes am Kolk zeigte er auch, wie scheinbar utopische Ideen für einen Paradigmenwechsel in der Stadtplanung in Städten wie Paris, Seoul, Ulm, Hannover oder Cottbus erfolgreich umgesetzt werden konnten. Hier wurde deutlich, dass auch auf den ersten Blick „Unmögliches“ bei ausreichendem Willen und Sachverstand politisch machbar ist.
    Die im Kommentar kritisierte „Einseitigkeit“ des Meinungsbildes ist im wesentlichen der Komplexität des Themas geschuldet: Hier lag es uns vor allem am Herzen, dem Aspekt der„Information“ vor einer klassischen Pro- und Contra-Diskussion zunächst den Vorrang zu geben: Ohne die hier vorgetragenen Aspekte und Argumente aus vielerlei Blickwinkeln wäre die Gefahr sehr groß gewesen, dass es ausschließlich zu einem Austausch vorgefertigter Plattitüden aller Interessensvertreter in der Art von Talk-Show-Inszenierungen gekommen wäre.
    Schade fanden wir jedoch, dass persönlich eingeladene Vertreter der Politik wie OB Jung, Baudezernent Frank Meyer oder Stadtkämmerer Johannes Slawig der Veranstaltung ferngeblieben sind. Zumindest in der anschließenden Diskussion hätten sie doch Gelegenheit gehabt, Gegenpositionen darzustellen und das an diesem Abend erlebte Meinungsbild zu erweitern.
    Aus diesem Grund freuen wir uns umso mehr über den Appell Georg Sanders, „ECE, Politik und Stadtverwaltung wären gut beraten, wenn sie dieses Signal ernst nehmen würden“. Wenn es tatsächlich so käme, könnte es möglicherweise gelingen, Vertreter aller Fraktionen dafür zu gewinnen, eine (auch von Professor Schäfer angeregte!) Pro- und Contra-Podiumsdiskussion am gleichen Ort zu führen: Somit wäre die Informationsveranstaltung am 6. Juni als Auftakt für eine von allen Seiten gewünschte öffentliche Diskussion mit unterschiedlichen Positionen zu verstehen. Dies wäre absolut in unserem Sinne und böte die Chance, tatsächlich die für Wuppertal beste Lösung zu finden!
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