Ein Ende des Scooter-Chaos?

Solange der Stadtrat nicht tätig wird, wird die Verwaltung nur müde lächeln.

Abstellchaos am Primark mit Scootern auf dem Gehweg neben der Abstellzone und Kinder (max. 12 Jahre) auf einem Leihscooter

Seit Anfang Oktober 23 müssen Wuppertaler und deren Nerven für einen „Pilotversuch“ bezüglich der Leihscooter über sich ergehen lassen. Scooter stehen kreuz und quer auf Fahrbahnen, Rad- und Gehwegen [1], neben den eigentlichen Abstellzonen (Hbf/Primark), die Vorgaben der Politik zu Auflagen wurden von der Verwaltung teilweise nicht umgesetzt [2].

Falschparker Auto vs. Leihscooter

Für Kraftfahrzeuge wie Autos und Motorräder gilt die Halterhaftung für Drittschäden aus § 7 Straßenverkehrsgesetz (StVG). [3] Fällt ein Blinder über ein quer auf dem Gehweg abgestelltes Motorrad, kann der Verletzte den Kradhalter zu Schadenersatz mit Verdienstausfall und Schmerzensgeld heranziehen.

Für Leihscooter aus der Gruppe der Elektrokleinstfahrzeuge [4] gibt es keine Halterhaftung (§ 8 (1) StVG). Stattdessen kann nur derjenige haftbar gemacht werden, der den Scooter zuletzt ordnungswidrig abgestellt hat. Das hat auch ein blinder Bremer erfahren müssen, der sich beim Sturz über zwei quer auf dem Gehweg abgestellt Leihscooter einen Oberschenkelhalsbruch zuzog und mit seiner Klage u.a. auf Schmerzensgeld vor dem Landgericht und Oberlandesgericht Bremen gescheitert ist (Urteil vom 15. November 2023 – 1 U 15/23). [5] [6]

Bestehende Auflagen bieten keinen Anreiz für Verleiher

Die bestehenden Maßnahmen der Verleiher wie Mindestalter in den AGB dienen bestenfalls zum eigenen Schutz zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht. Sie sind weder geeignet, das Falschparken zu verhindern, noch den tatsächlichen Fahrer hinreichend festzustellen. Vielmehr begünstigt die aktuelle Situation, daß Fahrerflucht mit dem Leihscooter im Sinne des Täters erfolgreich verläuft. [7]

Festzuhalten ist: Das Abstellchaos ist ein Verleihproblem. Private E-Scooter stehen schon alleine wegen der Diebstahlgefahr selten unangeleint auf dem Gehweg; noch weniger verkehrsgefährdend.

Beschlüsse der Politik begrüßenswert…

Die CDU fordert in der aktuellen Sitzungsrunde mit einem eigenen Antrag [8] von der Verwaltung, bei fortwährenden Verstößen des Verleihers gegen Punkt 4 der Sondernutzungserlaubnis [9], diese zu entziehen. Diese Beschlüsse gehen allerdings, genau wie die an sich begrüßenswerten Bestrebungen der SPD-Fraktion in der BV Elberfeld [10], ins Leere und verursachen in der Verwaltung bestenfalls ein müdes Lächeln.

… aber Entzug der Sondernutzungserlaubnis bleibt Sache der Verwaltung

Zum einen hat der Stadtrat mit dem Durchwinken der in Teilen widersprüchlichen „Generalvollmacht“ [11] mit minimalen Ergänzungen [12] der Verwaltung einen eigenen Ermessensspielraum bei der Suche nach Verleihern und der Umsetzung der Verträge gegeben. Will die Politik dieses Ermessen einschränken bzw. zusätzliche Auflagen und ihrer Anwendung durchsetzen, muß sie der Verwaltung zu [11] konkrete Vorgaben wie in [12] machen, wie die Sondernutzungserlaubnis auszusehen hat und unter welchen Bedingungen diese zu entziehen ist.

Zum anderen muß der Entzug der Sondernutzungserlaubnis auf Basis der aktuellen Auflagen hinreichend begründet werden.

Politik wie Verwaltung haben sich mit den von den Verleihern getroffenen Maßnahmen zu Punkt 4 der Sondernutzungserlaubnis begnügt. Dazu gehören Vorgaben in den AGB, die Einrichtung von Sperrzonen in der Verleihapp wo kein Verleihende möglich ist, das Abschiedsfoto am Verleihende sowie der mehrfachen Erklärung der Vertreterin von LimeBike zum Beispiel in den Bezirksvertretungen Elberfeld und Cronenberg, daß diese Abschiedsfotos nur stichprobenhaft überprüft werden – wie nach konkreten Beschwerden.

Die Entleiher werden über die Verleihbedingungen zur Einhaltung der Straßenverkehrsordnung aufgefordert und Falschparken führt – sofern überhaupt gemeldet – beim Entleiher zu einer Vertragsstrafe. Gesetzlich oder per Sondernutzungserlaubnis wird weder eine „KI“ gefordert, die das Falschparken anhand des Abschiedsfotos wirksam verhindert, noch eine Feststellung der Identität des konkreten Fahrers und damit dessen Alters.

Die Verleiher haben damit ihre gesetzlichen Verpflichtungen (Verkehrssicherungspflicht) wie vertraglichen Bedingungen der Sondernutzungserlaubnis erfüllt. Ein Entzug derselben erfordert daher schwerwiegende Gründe. Daß die Verwaltung von sich aus nicht an einer Entziehung interessiert ist, hat sie bereits in diversen Anregungen klargemacht. [13]

Wer also ernsthaft dem Scooter-Abstellchaos begegnen will, muß der Verwaltung und damit den Verleihern konkrete Vorgaben in die Sondernutzungserlaubnis hineinschreiben und diese ausreichend begründen. Im Beschluß des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen [7] finden sich hierfür hinreichend Anknüpfungspunkte.

Eine der notwendigen wesentlichen Auflagen ist die Identitätsfeststellung des Fahrers durch die Verleiher. Damit wird Unfallflucht weniger attraktiv, das gesetzliche Mindestalter von 14 Jahren wird sichergestellt, und Geschädigte müssen nicht mehr ihrem Schadenersatz und Schmerzensgeld hinterherlaufen.

Bei der Gelegenheit kann der Stadtrat auch die Widersprüche mit den Abstellzonen in der Fußgängerzone (wo die Erlaubnis nicht gilt) und am Hauptbahnhof (immer stehen die Scooter neben der Abstellfläche) kümmern.

Quellen, Hin- und Wegweise(r)

[1] vgl. zahllose Leserbriefe in der Wuppertaler Rundschau
https://www.wuppertaler-rundschau.de

[2] Zwischenfazit Lime-E-Scooter-Verleih: Mit Zitronen gehandelt

Zwischenfazit Lime-E-Scooter-Verleih: Mit Zitronen gehandelt

[3] Straßenverkehrsgesetz § 7
(1) Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
https://dejure.org/gesetze/StVG/7.html

[4] Elektrokleinstfahrzeug-Verordung (eKFV)
https://www.buzer.de/eKFV.htm

[5] OLG Bremen, 15.11.2023 – 1 U 15/23,
https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=OLG%20Bremen&Datum=2023-11-15&Aktenzeichen=1%20U%2015/23

[6] Blinder Mann bekommt kein Sch­mer­zens­geld für schwere Ver­let­zung nach Sturz, LTO, mit ausführlicher Erläuterung des Falls und der Rechtslage, auch zur Verkehrssicherungspflicht
https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/olg-bremen-1u1523-e-scooter-unfall-blinder-sturz-schmerzensgeld/

[7] „E-Scooterverbot“ in Gelsenkirchen und das Abstellchaos in Wuppertal – wie geht das?, mit Auflistung von Unfällen mit eKF-Beteiligung inkl. Fahrerflucht

„E-Scooterverbot“ in Gelsenkirchen und das Abstellchaos in Wuppertal – wie geht das?

[8] Genehmigung von Pedelec- und Elektrokleinstfahrzeug-Verleihsystemen in Wuppertal (VO/0799/23/1-Neuf.), Antrag der CDU-Fraktion vom 28.05.2024, VO/0687/24,
https://ris.wuppertal.de/vo0050.asp?__kvonr=31897

[9] Text der Sondernutzungserlaubnis im Artikel unten:

Auf den „Lime“ gegangen

[10] Verbesserung der E-Scooter-Situation in Wuppertal – Antrag der SPD Fraktion, VO/0811/24
https://ris.wuppertal.de/vo0050.asp?__kvonr=32032

[11] Genehmigung von Pedelec- und Elektrokleinstfahrzeug-Verleihsystemen in Wuppertal, VO/0354/23, widersprüchlich sind hier 10 Stellplätze in Fußgängerzone, in denen die Sondernutzungserlaubnis gar nicht gilt und – im Gegensatz zur Praxis – weder Verleihbeginn noch -ende stattfinden dürfen,
https://ris.wuppertal.de/vo0050.asp?__kvonr=30042

[12] Ergänzung zu 10, VO/0799/23/1-Neuf.,
https://ris.wuppertal.de/vo0050.asp?__kvonr=30531

[13] Gründung einer Mobilitätsgesellschaft, VO/0720/24, Bedingungen des E-Tretroller-Verleihs, VO/0724/24,
https://ris.wuppertal.de/getfile.asp?id=332206&type=do
https://ris.wuppertal.de/getfile.asp?id=332202&type=do

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Kommentare

  1. Norbert Beutel sagt:

    Kann mir irgend jemand mal erklären, was diese Fußgänger-Terror-Geräte zum Klimaschutz beitragen sollen?
    Benützt werden diese Spielgeräte nicht von Autofahrern, die dafür ihr Fahrzeug in der Garage stehen lassen, sondern in der Hauptsache von Jugendlichen zum Spaß.
    Dadurch wird also durch das Einsammeln und Laden dieser Spielzeuge zusätzlich Energie verbraucht, anstatt eingespart.
    Woran hier gespart wurde, ist an Kompetenz im Rat und der Verwaltung.

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