17.01.2017Bea
Freihandelsverträge: Einladung zur Bewertung und Diskussion
CETA, TiSA, TTIP – fairer Handel oder nur Investorenschutz?
Während die Europäische Union mit CETA, TiSA und TTIP neue Freihandelsverträge durchsetzen will, bleibt weitgehend unbeachtet, dass solche Handels- und Investitionsschutzverträge mit anderen Regionen der Welt, z.B. Mittelamerika, schon lange abgeschlossen wurden und bereits (negative) Folgen haben.
Einladung zur Information und Diskussion
am 18.1.2017, um 19 Uhr, Die Färberei,
Peter Hansen Platz 1 (W-Oberbarmen)
Veranstalter:
Informationsbüro Nicaragua, ATTAC Wuppertal, BUND Kreisgruppe Wuppertal, BI EnergiE zum Leben – auch in W-Nord. In Zusammenarbeit mit dem Wuppertaler Aktionsbündnis gegen TTIP und andere Freihandelsfallen.
Bewertung der Freihandelsverträge
Was sind die Grundzüge der EU-Freihandelspolitik?
Welche Auswirkungen haben die Freihandelsverträge der USA (CAFTA) und der EU (AdA) in Mittelamerika nach 10 Jahren gezeigt?
Was sind die Ergebnisse des Monitorings von 24 sozialen und Umweltorganisationen Mittelamerikas?
ALBA: „Vertrag der Völker unseres Amerika“.
In diesem Jahr sind es 10 Jahre her, dass der von der USA geplante kontinentale Freihandelsvertrag ALCA (Área de Libre Comercio de las Américas) durch einen breiten Widerstand abgelehnt wurde. Eine lateinamerikanische Gegenbewegung schuf mit ALBA den „Vertrag der Völker unseres Amerika“. Welche Wirkung hat dieses Gegenmodell der neoliberalen Freihandelsverträge in Lateinamerika, z.B. in Nicaragua, erzielt?
Diskussion: Bedingungen an Alternative Handelsverträge
Im Anschluss wollen wir diskutieren, welche Bedingungen wir selbst an Alternative Handelsverträge stellen. Können Handel und Wirtschaftsent-wicklung positiv gestaltet werden? Wir orientieren uns dabei am Alternativen Handelsmandat, welches von ATTAC und weiteren über 50 Nichtregierungsorganisationen entwickelt wurde.
Referenten: Klaus Hess, Informationsbüro Nicaragua*
und Hans Jürgen Kleine, Attac Köln.
*) Das Informationsbüro Nicaragua steht in langjährigen Austausch mit Partnerorganisationen in Mittelamerika.
Siehe dazu auch „NAFTA Freihandelsabkommen oder Blaupause des neoliberalen Investitionsregimes“, ein Dossier des Deutschlandfunks
Weiter mit:
Im Zusammenhang mit den aktuellen Diskussionen um CETA und TTIP wollten die Veranstalter die Auswirkung schon länger existierender Handelsabkommen darstellen und diskutieren.
Die Einführung befasste sich mit den Zielen und Merkmalen der EU-Freihandelsabkommen, nachzulesen seit 10 Jahren im Strategiepapier als „Global Europe – Competing in The World!“. Hier konnten die Bezüge zu TTIP und CETA hergestellt werden. Die aktuellen „Aufreger“ Investitionsschutz, Privatisierung von Dienstleistungen, öffentliches Beschaffungswesen sind bereits ein Bestandteil aller Abkommen, die USA und EU in Mittel- und Südamerika abgeschlossen haben.
Bei den Auswirkungen der Abkommen AdA und CAFTA in Zentralamerika fällt die Bilanz weitgehend negativ aus: Im assymetrischen Handel zwischen Ungleichen hat Mittelamerika einen langsam steigenden Export von landwirtschaftlichen Produkten zu verzeichnen, während für die EU gut bezahlte Exporte für die Automobilbranche, Maschinen- und Anlagentechnologie, Investitionsmöglichkeiten in Dienstleistungen, Finanzwirtschaft, Telekommunikation und Transportwesen resultieren. Im Handel mit den USA verzeichnete Mittelamerika seit 10 Jahren eine jährliche Importsteigerung um knapp 10%, während die Exporte nur um 7,6% stiegen, demzufolge sich das Handelsdefizit verdoppelt hat. Etwa 95% der mittelamerikanischen Exportprodukte wie Lebensmittel, Textil oder Agrosprit sind „Produkte auf dem Rückzug“ oder „sinkende Sterne“, weil das internationale Handelsangebot steigt bzw. die Nachfrage in den EU bzw. USA zurückgeht. Einer Zunahme von Arbeitsplätzen stehen Umweltbelastungen, schlechte Arbeitsbedingungen in den Weltmarktfabriken und sinkende Ernährungssouveränität gegenüber. Die besten landwirtschaftlichen Flächen werden für Exportmonokulturen wie Erdnüsse, Ananas, Zucker oder zur Agrospritproduktion genutzt. Während Grossunternehmen profitieren, werden Kleinbauern zu Saison- oder Wanderarbeitern, da sie mit den subventionierten Nahrungsmittelimporten nicht konkurrieren können. Die Region hat die Fähigkeit zur Selbstversorgung verloren. Die heftigsten Auseinandersetzungen gibt es um die bergbauprojekte, die hohe Gewinne versprechen, aber nur wenig zum Bruttoinlandsprodukt beitragen und hohe Umweltschäden, Verseuchung des Trinkwassers mit Zyanid und Vertreibung der lokalen Bevölkerung hervorrufen. In einigen extremen Fällen konnten Bergbaulizenzen verhindert werden. Spektakulär die Klage des australischen Konzerns OceanaGold gegen den Staat El Salvador auf 315 Mio US$ Schadenersatz, weil eine Goldabbaulizenz nicht erteilt wurde; sie wurde im Oktober vor einem Wirtschaftssondergericht der Weltbank abgelehnt. In der Diskussion ging es darum, warum Staaten solche Abkommen eingehen, die absehbar negative Aspekte haben.
Dies war ein guter Übergang zum Gegenmodell des von Venezuela 2002 angestossenen „Wirtschaftsvertrags der Völker“ (ALBA) und dem Anwendungsbeispiel Nicaragua. Der gedankliche Ansatz des Abkommens: Solidarität, Komplementarität, Gegenseitigkeit, Kooperation beeindruckte zunächst, weil die Vorteile für die Partner nicht mit offensichtlichen Nachteilen verbunden schienen. Es sollte zu einer multipolaren Weltordnung führen und die partizipative Demokratie und soziale Bewegungen stärken. Das Anwendungsbeispiel Nicaragua machte jedoch skeptisch. Der Geldfluss von Venezuela nach Nicaragua ist intransparent und lädt zu Vetternwirtschaft und Korruption ein. Zwar haben viele von den Sozialprogrammen profitiert, allerdings ist auch eine neue Wirtschaftselite um neue Geschäftsideen und 60 neue Unternehmen entstanden. Völlig unklar ist die Rückzahlung der entstehenden Verschuldung, die sich mittlerweile auf 1,75 Mrd. US$ beläuft. Es ist davon auszugehen, dass mit der extremen Wirtschaftskrise in Venezuela auch die Basis für die Sozialpolitik in Nicaragua beendet ist, da sie nicht auf einer nachhaltigen internen Umverteilung beruht.
Im letzten Teil ging es um Anforderungen an internationale Abkommen, die im Rahmen von Attac entwickelt wurden. Wichtige Kriterien sind u.a. transparente, demokratische Aushandlungsmechanismen, Beachtung der Menschenrechte, Einbeziehung und Einhaltung von Sozialstandards und Arbeitnehmerrechten, keine Biopiraterie, Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung. Der Teil endete mit dem interessanten subjektiven Versuch, die unterschiedlichen Abkommen nach diesen Kriterien zu bewerten. Die Referenten regten zum positiven Weiterdenken an, weil auch andere internationale Beschlüsse und Vertragswerke abgeschlossen worden sind, die schliesslich zu Mindestanforderungen für jegliches neue Handelsabkommen gemacht werden müssten. Wenn Normen der ILO, Empfehlungen der WHO, Verträge zum Klima und Umweltschutz berücksichtigt würden, könnten die „Kollateralschäden“ des Freihandels eingeschränkt und statt dessen vielfältige positive Effekte erreicht werden.
Allen Anwesenden war klar, dass dies nicht ohne ein breites politisches Engagement erreicht werden kann. Neben der Verhinderung der aktuellen Abkomen CETA und TTIP gilt unser Engagement auch der Unterstützung der sozialen und Umweltbewegungen Mittelamerikas in ihren Auseinandersetzungen um die Veränderung der bestehenden Abkommen.
Das ist ein Kommentarfeld und nicht ein „Ich schreibe noch Mal eben einen ganzen Text“-Feld.