Grüne: Kein gemeinsamer Atomausstieg!

Die Ratsfraktion von Bündnis 90/DIE GRÜNEN hat vorgeschlagen, im Rat am Montag einen gemeinsamen Antrag aller Fraktionen zum Atomausstieg und zur Energiewende in Wuppertal zu beschließen. Einen eigenen Antrag mit dem Titel „Wuppertal steigt aus und schaltet um“ hatte die GRÜNE Fraktion dazu bereits im April eingebracht (siehe Anlage). Auch die Ratsmehrheit aus CDU und SPD hatte zwischenzeitlich einen eigenen Antrag gestellt.

„Wir wollen im Rat eine Geschäftsordnungsdebatte darüber vermeiden, welcher Antrag denn nun der zu beschließende sei“, so Peter Vorsteher, Fraktionsvorsitzender der GRÜNEN. „Möglicherweise werden wir im Rat länger darüber diskutieren, welcher Antrag der weitergehende ist als über die Inhalte.
Deshalb haben wir einen Kompromissantrag vorgelegt, den die große Koalition leider nicht mittragen will. Die SPD ist nicht bereit, mit den anderen Fraktionen zu verhandeln und besteht auf ihrem gemeinsamen Antrag mit der CDU. Wenn der beschlossen wird, gibt es nur weichgespülte Absichtserklärungen zum Atomausstieg, ein Festhalten an der Stromerzeugung aus Kohlekraftwerken und kein verbindliches Bekenntnis zur Energiewende. Diese Art Realpolitik von CDU und SPD ist weder Maßstab GRÜNER Ratspolitik, noch entspricht sie der gesamtgesellschaftlichen Erwartung auch an kommunale Politik, aus der Atomenergie auszusteigen und eine Energiewende einzuläuten.“

„Die Menschen in Wuppertal wollen den Atomausstieg und eine zu 100% regenerative Energieversorgung. Entscheidend ist, dass der Rat am Montag für Wuppertal ein neues Zeitalter der Energiepolitik startet. Wir wollen, dass Wuppertal aus der Atomenergie aussteigt und die Versorgung aus Wind- und Solarenergie sowie die Kraftwärmekopplung beschleunigt fördert“, so Klaus Lüdemann, Stadtverordneter und Mitglied im Aufsichtsrat der WSW Energie und Wasser GmbH.

Anlage:
Der Antrag der GRÜNEN Fraktion

Wuppertal steigt aus und schaltet um

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

sehr geehrter Herr Reese,

die Katastrophe in Japan, verursacht durch den Tsunami und die Erdbeben und in ihrer Folge die atomare Katastrophe in Fukushima ruft auch in Wuppertal Fassungslosigkeit und Mitgefühl für die Opfer hervor.

Die Nuklearkatastrophe in Japan zeigt darüber hinaus in dramatischer Weise, dass der Bau und Betrieb von Atomkraftwerken nicht verantwortbar ist. Die Folgen sind heute noch nicht absehbar. Es drohen noch über lange Zeit gravierende Gesundheitsschäden und die radioaktive Verseuchung einer ganzen Region. Die Ereignisse in Fukushima müssen auch in Deutschland vor Ort zu einer Neubewertung der Atomkraft und ihrer Rolle in der künftigen Energieversorgung führen. Die Katastrophe hat den Druck auf einen schnellen Ausstieg erhöht, wie ihn die Mehrheit der Bevölkerung auch will. Das Umweltbundesamt hat inzwischen ausgerechnet, dass der Atomausstieg unter Wahrung der Energiesicherheit und der Klimaschutzziele bis 2017 möglich ist.

Auch die  politischen Landschaften  haben sich geändert, das zeigt nicht nur das zunächst von Bundeskanzlerin Merkel ausgerufene Moratorium. Alle Parteien sind sich mittlerweile einig, dass es eine Neuausrichtung der Energiepolitik geben muss.

Deutschland braucht genauso wie die Weltgemeinschaft einen neuen Entwurf in der Energiepolitik, der ein schnelles Umsteuern auf 100% Erneuerbare Energien ermöglichen kann. Die Möglichkeiten für die Energiewende sind heute so erfolgsversprechend wie nie. In vielen Kommunen sind Hersteller und Betreiber von Anlagen im Bereich der Erneuerbaren Energien ein wichtiger Wirtschafts- und Arbeitsfaktor für die ganze Region.

Jetzt wird es zudem darauf ankommen, binnen weniger Jahre die Energieinfrastruktur auch in Wuppertal auf erneuerbare Energien auszurichten. Stromnetze müssen aus- und umgebaut und Verteilnetze intelligent gemacht werden. Zudem müssen neue und dezentrale Speichermöglichkeiten erschlossen werden.

Es macht ein Umdenken erforderlich, auf Seiten der Netzbetreiber, auf Seiten der staatlichen Regulierung, aber auch auf Seiten der Planungsbehörden und nicht zuletzt der Politik, die gefordert ist, die Menschen angemessen zu beteiligen um die Akzeptanz für den Bau der erforderlichen Infrastruktur in der Bevölkerung zu erhöhen und akzeptierte technische Lösungen, wie etwa Erdkabel zu ermöglichen. Es fordert aber auch von den Bürgerinnen und Bürgern ein Bewusstsein, dass die notwendige Energiewende nicht ohne Eingriffe und große Veränderungen vonstattengehen wird.

Der beschleunigte Umbau der Stromversorgung wird zusätzliche private, wie öffentliche Finanzmittel in Anspruch nehmen. Diesen stehen aber sofortige finanzielle Entlastungen an anderer Stelle gegenüber. Mit jedem öffentlichen Euro in Wuppertal werden in mehrfacher Höhe Einnahmen für Industrie und Gewerbe sowie Aufträge für das Handwerk vor Ort ausgelöst. Dennoch: Strom muss bezahlbar bleiben. Doch: Stabile Strompreise erhält man nicht durch die Zementierung der überkommenen Energieversorgungsstruktur, sondern durch mehr Wettbewerb und das Aufbrechen der Vormachtstellung der vier Atomkonzerne im Land.

Energiepolitik muss heute neu gedacht werden. Ein Weiter so gibt es nach den Geschehnissen in Fukushima nicht. Die Energieversorgung muss schneller als bislang angenommen umgebaut werden, wir brauchen die Energiewende. Wenn wir diese Chance konsequent nutzen, ist es möglich, das Atomzeitalter in Deutschland binnen weniger Jahre endgültig zu beenden.

Wir haben uns an dem Ausstiegsszenario des Flensburger Professors Olav Hohmeyer orientiert. In seinem Szenario geht der zwischenzeitliche Ausbau der fossilen Energieträger mit einer forcierten Erweiterung der erneuerbaren Stromerzeugung einher. Vom Jahr 2023 an könnten dann Kohle und Gas zurückgefahren werden. In seinem Szenario wird Strom aus regenerativen Quellen im Jahr 2030 die komplette Versorgung übernehmen. Hohmeyer sagt selbst, dass das „ein sehr sportliches Ziel ist, dass es gleichwohl aber machbar ist“.

Daher beantragt die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN, die Mitglieder des Finanzausschusses, des Hauptausschusses und des Rates mögen beschließen:

1. Wuppertal wird atomstromfrei

Der Rat fordert die WSW auf, bei Einhaltung bestehender langjähriger Lieferverträge auf den Bezug von Atomstrom ab sofort völlig zu verzichten. Alle städtischen Dienststellen und Tochter- sowie Enkelgesellschaften werden angewiesen, so schnell wie möglich auf Atomstrom zu verzichten. Die Verwaltung wird beauftragt, die Bürgerinnen und Bürger über die Umsetzung zu informieren und sie zum Verzicht auf Atomstrom und zum Bezug von Ökostrom zu animieren.

2. Wuppertal spart Energie

Energie sparen ist ein wichtiger Beitrag zum Ausgleich der Kapazitäten der abgeschalteten AKWs. Der Rat beauftragt die Verwaltung, regelmäßig in Zusammenarbeit mit den WSW, dem Wuppertal Institut, der Energieagentur NRW, der Verbraucherzentrale NRW und örtlichen Firmen Öffentlichkeits-Kampagnen  (z.B. Wuppertaler Energiesparwochen o.ä.) zu organisieren.

3. Wuppertal fördert erneuerbare Energien

Der Rat bittet die WSW, regenerative Energien weit stärker als bisher zu fördern und in großem Umfang in Blockheizkraftwerke mit Kraftwärmekopplung und Windkraftanlagen zu investieren. Die WSW sollen sowohl in Offshore-Windparks wie in Anlagen im Binnenland (besonders in der bergischen Region) investieren.

Der Rat weist die WSW an, bei den Überlegungen für den Ersatz des Heizkraftwerkes Elberfeld sicherzustellen, dass mindestens die gleiche Jahresstrommenge wie bisher in Wuppertal oder in Windkraft- und Solaranlagen mit Beteiligung der WSW erzeugt wird. Eine Fortführung als Kohlekraftwerk wird ausgeschlossen.

4. Wuppertal macht das Stromnetz zukunftsfähig

Der Rat bittet die WSW, stärker in die Modernisierung des Stromnetzes zu investieren. Mit Smart Grids kann die Lastverteilung im Stromnetz über den Tag geglättet werden. Der Rat bittet die WSW über die Beteiligung an Pumpspeicherkraftwerken (auch in Deutschland) einen Beitrag zur Speicherung von Windstrom zu leisten.

5. Wuppertal diskutiert mit GDF Suez über Möglichkeiten eines Atomausstiegs

Der Anteilseigner der WSW, GDF Suez,  betreibt in Tihange und Doel in Belgien Atomkraftwerke . Der Rat bittet die WSW, im Rahmen einer öffentlichen Informations- und Diskussionsveranstaltung mit Vertretern von GDF Suez über ein Ausstiegskonzept für die AKWs in Doel und Tihange zu sprechen.

6. Wuppertal entwickelt eine Energiestrategie für kommunale Gebäude

Der Rat fordert das Gebäudemanagement auf, seine bundesweit vorbildlichen Anstrengungen bei der Umsetzung seiner Energieeffizienzrichtlinie zu verstärken.

Neben der Strategie des GMW, die kommunalen Gebäude energetisch optimal zu sanieren, sollte beim Strom- und Wärmebezug der Anteil aus Erneuerbaren Energien und/oder Kraft-Wärme-Kopplung deutlich erhöht werden. Die Stadtverwaltung wird aufgefordert, dem Rat der Stadt mitzuteilen, unter welchen Bedingungen die kommunalen Gebäude mit Ökostrom versorgt werden könnten.

Der Rat fordert die Verwaltung auf, auf der Grundlage des schon bestehenden Solarenergiekatasters eine Liste kommunaler Gebäude im gesamten Stadtgebiet zu erstellen und öffentlich zu machen, die für die Gewinnung von Solarenergie geeignet sind. So wird es Investoren ermöglicht, gegen eine kostengünstige Verwaltungsgebühr beispielsweise Photovoltaikanlagen zu errichten und betreiben zu können. Darüber hinaus soll diese Liste als Grundlage zur Erstellung eines städtischen Entwicklungsplanes zur Erzeugung erneuerbarer Energien für den eigenen Strombedarf städtischer Gebäude dienen. Dies soll insbesondere in Zusammenarbeit mit Bürgersolarvereinen, Genossenschaften und anderen Institutionen erfolgen.

7.         Wuppertal baut planungsrechtliche Hemmnisse ab

Der Rat fordert die Verwaltung auf, in Zusammenarbeit mit dem Land NRW planungsrechtliche Hemmnisse für den Ausbau der Erneuerbaren Energien und Energieeinsparinvestitionen, z.B. beim Bau von Windkraftanlagen und zur Ausweisung von Vorrangflächen mit hohem Energieerzeugungspotenzial vor Ort abzubauen. Mit Inkrafttreten des neuen Windenergieerlasses der rot-grünen Landesregierung sollte die Suche nach Vorrangflächen in Wuppertal und der Region seitens der Verwaltung aktiv aufgenommen werden. Solaranlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden sollen so weit wie möglich genehmigt werden.

Mit freundlichen Grüßen

Peter Vorsteher                                                                     Klaus Lüdemann
Fraktionsvorsitzender                                                            Stadtverordneter

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Kommentare

  1. Es geht den Energiekonzernen immer nur ums Geld. Sie kümmern sich nicht um die Umwelt, Hauptsache sie bekommen ihren Profit. Nun sprechen die Energiekonzerne davon, dass nicht ausreichend Strom produziert würde ohne die Atomkraft, aber das ist wieder nur eine Ausrede um den Atomausstieg zu verhindern. Auch die Bundesregierung will den Kraftwerksbetreibern entgegenkommen, indem sie ihnen erlaubt, die Stromkontingente der sieben Atommeiler, die ab sofort deaktiviert werden sollen, auf neuere Kraftwerke zu überschreiben. Ich finde die großen Firmen und die Politiker sollten nicht nur auf ihren Profit achten, sondern mehr auf die Umwelt. Ich werde weiterhin gegen die Atomkraft vorgehen.

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