In letzter Minute. Nationalsozialistische Endphaseverbrechen im Bergischen Land

Anfang November 2015 erscheint der 14. Band unserer Buchreihe "Verfolgung und Widerstand". „In letzter Minute“ heißt dieser Band, der 70 Jahre nach Kriegsende über die nationalsozialistischen Endphaseverbrechen in unserer Region berichten will.

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Donnerstag 5. November 2015, 19:00 Uhr CityKirche Wuppertal-Elberfeld, Kirchplatz 2
In letzter Minute. Nationalsozialistische Endphaseverbrechen im Bergischen Land
Buchvorstellung mit allen AutorInnen und Angehörigen der NS-Opfer

Samstag 7. November 2015, 15:00 Uhr Café Nordbahntrasse/Wicked Woods (Bahnhof Wichlinghausen)
Buchvorstellung mit dem Schwerpunkt Burgholz-Massaker: Abschluss des Memory Mapping-Projekts „Von Wichlinghausen ins Burgholz – Vom Leben und Sterben der ZwangsarbeiterInnen in Wuppertal“ in Zusammenarbeit mit der Jugendwerkstatt Alpha e.V.

 

Noch „In letzter Minute“ tötete ein Heckenschütze am Tag der Befreiung Wuppertals einen amerikanischen Soldaten in der Nähe des Berliner Platzes. Der Name des amerikanischen Soldaten, der so tragisch den Tod in Wuppertal fand, ist nicht bekannt. Wenig bekannt sind auch die Tötungen von deutschen Soldaten, die ebenfalls noch im letzten Moment, bevor der Frieden ausbrach, als Deserteure verhaftet und auf Erbslöh ihr Leben verloren.
Im Mittelpunkt des Buches und unserer Veranstaltungen stehen die Massaker im Burgholz und am Wenzelnberg.

Burgholz
Ende Februar 1945 erschoss ein Hinrichtungskommando aus Gestapo-und Kriminalbeamten 30 sowjetische ZwangsarbeiterInnen im Burgholz. Im ersten Beitrag berichtet Lieselotte Bhatia, Jahrgang 1939, Tochter des Kriminalsekretärs Wilhelm Ober, über ihre ganz persönliche Recherche über die Hintergründe des Burgholz-Massakers. Wilhelm Ober war bei der Wuppertaler Kriminalpolizei tätig und war an den Erschießungen im Burgholz in Wuppertal beteiligt. Er wurde 1948 von einem britischen Gericht zu zehn Jahren Haft verurteilt, die er u.a. im Kriegsverbrechergefängnis Werl verbüßte.
Lieselotte Bhatia erfuhr erst nach dem Tod ihres Vaters von den NS-Verbrechen ihres Vaters, sie fand in seinem Nachlass die Verteidigungsunterlagen des Burgholz-Prozesses. Sie stellte Fragen, auch an ihre Mutter, und begann als Kind eines NS-Täters eine ganz persönliche Spurensuche. Frau Bhatia wollte alles wissen, sie recherchierte, trat öffentlich auf und engagierte sich seither in der historisch-politischen Bildungsarbeit. Zusammen mit anderen GeschichtsaktivistInnen stritt sie für die Entschädigung aller ZwangssarbeiterInnen und beteiligte sich seit 2001 an der Organisation von Besuchsprogrammen für ehemalige ZwangsarbeiterInnen. Zusammen mit Stephan Stracke versucht sie zurzeit das Rätsel der leeren Gruben im Burgholz zu klären und hat die Dortmunder Staatsanwaltschaft aufgefordert, nach weiteren Massengräbern im Burgholz zu suchen. Noch im September recherchierte sie u.a. in the National Archives in London nach möglichen weiteren Verbrechen im Burgholz.

Wenzelnberg
Am Wenzelnberg wurden 71 Gefangene aus dem Zuchthaus Lüttringhausen, aus dem Gefängnis Wuppertal-Bendahl und aus dem Polizeigefängnis Wuppertal von Angehörigen der Gestapo, Kripo und der Schutzpolizei ermordet.
Stephan Stracke rekonstruiert an Hand neuer Archivfunde und aktualisierter Fragestellungen die Ereignisse um das Massaker an der Wenzelnbergschlucht, fragt nach dem Ausbleiben der Strafverfolgung und informiert über die Lebensgeschichten der (vergessenen) Opfer und Täter. Bei der Recherche gab es handfeste Überraschungen. So wird zum ersten Mal die Geschichte der skandalösen Strafvermeidung erzählt, keiner der Täter vom Wenzelnberg wurde jemals bestraft. Auch der Lebens- und Fluchtweg des angeblichen Haupttäters Theodor Goeke konnte erhellt werden. Darüber hinaus wird über den Zuchthausdirektor Karl Engelhardt zu diskutieren sein, der politische Gefangene vor der Tötung am Wenzelnberg schützte und gleichzeitige andere sog. „kriminelle, aber auch politische Gefangene dem Mordkommando der Wuppertaler und Solinger Polizei auslieferte. Engelhardt wurde zudem 1957 wegen der Führung „schwarzer Kassen“ und anderer Betrügereien im Zuchthaus Lüttringhausen aus dem Amt entfernt und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Zudem soll die umkämpfte Geschichte der Wenzelnberg-Gedenkfeier thematisiert werden.
Peter Fey schließlich hat ein Lebensbild seines am Wenzelnberg ermordeten Großonkels Adolf Führer beigesteuert. Sein „Verbrechen“: Er hatte in einem Interview mit einer niederländischen Zeitung über die menschenverachtenden Zustände in deutschen Konzentrationslagern berichtet. Er wurde verhaftet und vom Volksgerichtshof wegen sog. Volksverrates zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt. Adolf Führer habe, so das Gericht, sich der »Schädigung des Ansehens des Deutschen Volkes« schuldig gemacht.

Historisch-politische Bildungsarbeit
Darüber hinaus soll das Buch auch für die historisch-politische Bildungsarbeit nutzbar sein. Wir haben einige wichtige Dokumente zu den Massakern zusammengestellt und mit kleinen Arbeitsaufträgen versehen, die wir ausdrücklich als Diskussionsanregung verstehen.
Insgesamt soll dieses Buch auch eine Anregung für Geschichtsinteressierte, GeschichtsaktivistInnen und HistorikerInnen sein, in neuen Projekten vor Ort zu graben und z.B. die Geschichte(n) der NS-Täter aus Polizei und Justiz und die Strukturen der regionalen Polizeibehörden, Gefängnisse und Zuchthäuser zu erforschen. Und wir wünschen uns, dass diese Erkenntnisse auch in eine lebendige Gedenk- und Erinnerungsarbeit einfließen werden.

Das Buch gibt´s dann auch im gutsortierten Buchhandel:

Bhatia, Lieselotte / Stracke, Stephan: In letzter Minute – Nationalsozialistische Endphaseverbrechen im Bergischen Land
Bildungsmaterial zur Wuppertaler Polizei- und Widerstandsgeschichte Bd. 1.
De Noantri Verlag
ISBN: 978-3-943643-03-9
320 Seiten 18,00 €

 

Verein zur Erforschung der sozialen Bewegungen im Wuppertal e.V. (www.gedenkbuch-wuppertal.de) in Zusammenarbeit mit der CityKirche Wuppertal-Elberfeld

Gefördert von der Landeszentrale für politische Bildung NRW, Siegfried u. Christa Wirtz Stiftung, Stadtsparkasse Langenfeld, Stadtsparkasse Remscheid, Stadtsparkasse Solingen, Stadtsparkasse Wuppertal, Stiftung Kalkwerke Oetelshofen.
Das Projekt “Memory Mapping” wird aus dem Verfügungsfonds der Sozialen Stadt Oberbarmen / Wichlinghausen und durch das Bund-Länder Programm „Soziale Stadt NRW“, mit Mitteln der Städtebauförderung durch das Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes NRW und durch das Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit gefördert.

 

 

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