18.01.2019

Interview mit Panagiotis Paschalis zum heutigen Urteil

Das interview führte Marcus Kiesel

Kiesel:          Herr Paschalis, das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat soeben Ihre Klage abgewiesen, welche den Zweck hatte festzustellen, dass Ihre Abwahl als Beigeordneter im Juni 2017 durch den Rat der Stadt Wuppertal rechtswidrig war. Fühlen Sie sich als Verlierer?

Paschalis:    Eigentlich nicht, weil ich juristisch damit gerechnet habe. Der Grund der Abberufung liegt aus meiner Sicht ausschließlich in den von mir eingeleiteten Prozessen rund um „ASS“. Diese befinden sich ein einem Stadium, erstinstanzliches Urteil durch das Landgericht Bochum, staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen Verantwortliche usw., welche mein Bestreben nach juristischer Aufklärung der Angelegenheit bestätigen. Ich werde das ausführliche Urteil des Verwaltungsgerichts in aller Ruhe mit meinem Anwalt überprüfen und ggfs. Berufung einlegen.

Kiesel:          Das Gericht hat mehrfach betont, dass für eine Erfolgsaussicht Ihrer Klage nur dann bestünde, wenn es dem Gericht möglich sei, in die 52 Köpfe der Stadtverordneten zu schauen, welche Sie abgewählt haben. Anders sei nicht zu klären, on Ihre Abwahl ausschließlich der Bestrafung und Verhinderung weiterer Aufklärung in Sachen ASS geschuldet sei. Im Übrigen berief sich das Gericht auf die Tatsache, dass es eben vom Gesetzgeber genau nicht vorgesehen sei, Gründe für eine Abwahl benennen zu müssen. Schreit dies in Ihren Augen nach einer Reform dieser Gemeindeordnung?

Paschalis:    Die Gemeindeordnung gibt dem Rat eine große Macht eröffnet aber auch seiner Manipulation durch die Verwaltung Tür und Tor. Genau das ist hier passiert  und hat zum Bruch zwischen Oberbürgermeister, Rat und mir geführt. Der Oberbürgermeister hat eine besondere Macht, zudem besitzt er die Informationshoheit. Dies beinhaltet zwangsläufig ein hohes Risiko gerade in Fällen, in denen ein Oberbürgermeister selbst oder die Stadtspitze Bestandteil von Korruption oder des aufzuklärenden Fällen ist.

Kiesel:          Halten Sie das laufende Strafverfahren der Staatsanwaltschaft Wuppertal in Sachen ASS sowie der von Ihnen eingereichte Strafantrag vom 12.10.2018 für geeigneter, die Zusammenhänge aufzuklären, als das heutige Verfahren?

Paschalis:    In dem heutigen Verfahren ging es um die grundsätzliche Frage der Abberufbarkeit  eines Beigeordneten nach der Gemeindeordnung bei sachfremden Motiven bei der Abwahl. Das Ergebnis kennen Sie. Der verlangte Beweis sachfremder und damit rechtswidriger  Motive im Kopf eines jeden Stadtverordneten ist praktisch nicht zu erbringen. In Fällen wie meinem bleibt ein ungutes Gefühl.  Vielleicht kann eine Berufung das Ergebnis korrigieren, in jedem Fall ist eine verfassungskonforme Überarbeitung der Gemeindeordnung notwendig. Dies verlangt meines Erachtens die Funktion eines Rechtsdezernenten, welcher die Einhaltung der Gesetze zu achten, überwachen und ggf. zu beanstanden hat. Viel wichtiger für die Stadt sind mit Blick auf den Korruptionsfall ASS allerdings die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und mögliche gerichtliche Entscheidungen.

Kiesel:          Sehen Sie ein spezielles Problem in der Wuppertaler Politikkultur oder wäre ähnliches in anderen Kommunen auch denkbar?

Paschalis:    Ich kenne Wuppertal kommunalpolitisch tatsächlich intern nur aus meiner knapp zweijährigen Amtszeit. Ich vermute eher ein prinzipiell strukturelles Problem in der Kommunalverwaltung. Darin, wie Politik auf kommunaler Ebene funktioniert. Tatsächlich ist Wuppertal gezeichnet durch die Korruptionsaffäre aus den 1990er bis 2010er Jahren. Und leider hat man aus dieser Erfahrung die falschen Schlussfolgerungen gezogen. Hier hat man sich offensichtlich entschieden: Was schief läuft, darf nicht mehr an die Öffentlichkeit. Hier hätte  Politik und Verwaltung aus ihrer Vergangenheit lernen müssen.

Kiesel:          Der Richter hat heute salopp formuliert, dass es nach Ihrer Darstellung den Vorwurf an den Oberbürgermeister gibt, zweifach die Angelegenheit „ASS unter den Teppich zu kehren“. Tatsächlich gab es wohl eine Anweisung des OB´s, welche Ihnen vorschrieb, nicht mehr in der Angelegenheit aktiv zu werden. Ist dieser Vorwurf Bestandteil Ihrer Strafanzeige vom 12.10.2018?

Paschalis:    Der Fall ASS und die von mir zur Anzeige gebrachten Sachverhalte betreffen den Zeitraum 2004-2016 und den Zeitraum 2016 bis Oktober 2018. Der erste Zeitraum liegt eher nicht in der Verantwortlichkeit des amtierenden Oberbürgermeisters. Aus meiner Sicht betreffen die Dinge vielmehr den Stadtkämmerer und Stadtdirektor Dr. Slawig, sowie den Geschäftsführer der WMG, Herrn Bang. Offen bleibt ob die Versuche des Oberbürgermeisters ab 2016 die Angelegenheit niederzuschlagen strafbar sind. Fest steht: Hätte ich die Niederschlagungsversuche akzeptiert, hätten sowohl ich, als auch der Oberbürgermeister  uns strafbar gemacht. Nun zeigt sich, dass trotz meiner seinerzeitigen juristischen Empfehlungen, trotz eines erstinstanzlichen Urteils des LG Bochum, trotz Rechtsgutachten von Compliance-Anwälten Entlastungen von mutmaßlich Verantwortlichen ausgesprochen wurden und auf Regressansprüche  gegen diesen Personenkreis verzichtet wurde. Dieses ist Bestandteil meiner Strafanzeige. Die Vorlage des Oberbürgermeisters, die Entlastung zu wiederrufen ist von einer Mehrheit der CDU und SPD im Rat abgelehnt worden. Diesen Beschluss hätte der Oberbürgermeister beanstanden müssen, da er m.E. nach rechtswidrig ist.

Kiesel:          In einer gestern bekannt gewordenen Intranet-Mitteilung des Rathauses vermitteln der OB, der Kämmerer sowie der Gesamtpersonalrat der Stadt Wuppertal den Mitarbeitern gegenüber das Gefühl, dass die von Ihnen im letzten Jahr eingereichte Strafanzeige auch die normalen Mitarbeiter treffen könne. Alle 3 Genannten erklären Ihre Solidarität und schließen auch juristische Schritte nicht aus.

Paschalis:    Mein Strafantrag richtet sich gegen keine einzelne Personen und erst Recht nicht  normale Mitarbeiter. Dies habe ich gestern auch bei facebook und Twitter deutlich gemacht. Ich musste zu meiner großen Überraschung zur Kenntnis nehmen, dass bisher kein Ermittlungsverfahren gegen den aus meiner Sicht Hauptverantwortlichen in Sachen ASS, den Stadtkämmerer, eingeleitet worden ist. Dies ist nach meiner Kenntnis der Sachverhalte nicht nachvollziehbar. Die Verantwortung für die Abläufe in Sachen ASS liegt aus meiner Sicht bei der Führungsspitze der Stadt. Letzten Endes bleibt abzuwarten, zu welchem Ergebnis die Staatsanwaltschaft kommt. Fakt ist, dass Ermittlungen nur aufgenommen werden, wenn  ein Anfangsverdacht besteht. Der Kreis verantwortlichen Personen  ist m.E. größer als der gegen den bereits seit Mai 2017 ermittelt wird.

Kiesel:          Insofern teilen Sie also nicht die Auffassung Radio Wuppertals vom heutigen Morgen, in welcher die Ansicht verbreitet wurde, der Stadt sei aus jetziger Sicht kein strafbar relevantes Verhalten vorzuwerfen, vielmehr handele es sich vermutlich um „Schlamperei“?

Paschalis:    Radio Wuppertal hat mit mir keine Gespräche zu der Sache geführt. Ich kann die Einschätzung daher nicht beurteilen. Fakt ist jedoch, dass es ein Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft Wuppertal gibt. Hier geht es u.a. um Untreue, Betrug und Bestechlichkeit. Dies sind Vorsatztaten. Dies nur als „Schlamperei“ einzuordnen ist Berichterstattung auf Stammtischniveau.  Ich empfehle Radio Wuppertal die Lektüre des Urteils des LG Bochum und eine Anfrage bei der Staatsanwaltschaft Wuppertal, um die Dinge richtig einzuordnen.

Kiesel:          In der letzten Ratssitzung im Dezember, spielte Ihr Strafantrag, welcher zum Sitzungszeitpunkt dem Oberbürgermeister vorlag, eine große Rolle. Der Fraktionsvorsitzende der CDU, Michael Müller, verlangte die Herausgabe des Schriftsatzes durch den OB, Herr Schulz, Fraktionsvorsitzender der Grünen, beantragte die Absetzung eines Tagesordnungspunktes, weil er zu dem Zeitpunkt nicht beurteilen konnte, ob er möglicherweise befangen sei, also Bestandteil Ihres Strafantrages. Gibt es hierzu neue Entwicklungen?

Paschalis:    Ich habe hierzu keine Erkenntnisse. Ich realisiere mit Erstaunen, dass das Rechtsamt komplett aus der Bearbeitung  der Sache ASS herausgenommen wurde und die Zuständigkeit auf den Geschäftsbereich des Kämmerers und Stadtdirektors übergegangen  ist. Also auf den Geschäftsbereich desjenigen, dem m.E. im Zusammenhang mit dem ASS-Deal von 2004 bis heute die Hauptverantwortung zukommt.

Kiesel:          Herr Paschalis, vielen Dank für dieses Gespräch

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