20.10.2024N. Bernhardt
Knöllchen: Manche sind offenbar gleicher als gleich
Foto: Seit Jahren verkehrswidriges, aber vom Ordnungsamt „geduldetes“ Gehwegparken. [8]
Der Bericht in der Wuppertaler Rundschau über vorgebliches „Parken in zweiter Reihe“ [1] zog zahlreiche Leserbriefe nach sich. Auch die WZ hatte bereits 2022 berichtet [2]. Nach drei(!) verlorenen Prozessen möchte die Verwaltung nun lt. Rundschau Halteverbotsschilder aufstellen.
Dabei ist die Rechtslage klar: Es ist platzsparend zu parken, § 12 (6) StVO. Der BGH hat bereits 1962 entschieden, daß ohne den Verkehr zu behindern das Fahrzeug sowohl am Fahrbahnrand parallel oder als auch schräg nebeneinander in Fahrtrichtung abgestellt werden kann [3]. Zahlreiche Urteile zur „modernen“ StVO zitieren das BGH-Urteil [4][5]. Das Amtsgericht Wuppertal urteilte in der konkreten Situation drei Mal entsprechend.
Umso unverständlicher ist die Verteidigung der Ahndung oder Nichtahndung von verkehrswidrig abgestellten Fahrzeugen mit dem Argument des „hohen Parkdruck“ [6]. Der Begriff des „hohen Parkdrucks“ ist weder gesetzlich definiert, noch der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) als verkehrlicher Maßstab bekannt.
Zwar steht dem Ordnungsamt beim Knöllchenschreiben ein „pflichtgemäßes Ermessen“ nach Opportunitätsprinzip zu – sachfremde Erwägungen wie „hoher Parkdruck“ dürfen aber nicht in die Erwägungen einbezogen werden und führen regelmäßig zu einem Ermessensfehlgebrauch und damit zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung. Der Falschparker-Erlaß [9] definiert die Pflichten wie folgt:
„Auch im Ordnungswidrigkeitenrecht gilt trotz des Opportunitätsprinzips der Grundsatz, dass gesetzwidrige Taten im Regelfall zu verfolgen sind. Daher bedarf auch nicht das Eingreifen des Amtsträgers einer Begründung, sondern die Nicht-Ahndung braucht als Ausnahme eines zusätzlichen Kriteriums, welches zu dokumentieren ist. Pauschale Vorgaben, bestimmte Ordnungswidrigkeiten nicht zu verfolgen, oder Verkehrsdelikte in bestimmten Gebieten oder auf bestimmten Straßenabschnitte nicht zu ahnden, haben einen Ermessensausfall und damit die Rechtswidrigkeit der Entscheidung zur Folge und stehen mit den Pflichten der Verfolgungsbehörden nicht im Einklang.“
Die Duldung des verkehrswidrigen (Gehweg-) Parkens [6] durch das Ordnungsamt wie im Foto oben führt dann zu weiterem verkehrswidrigen Verhalten und Schaffung neuer Gefahrenlagen. – Zum Beispiel, wenn Fußgänger auf die Fahrbahn ausweichen (müssen) und sich dadurch selbst in Gefahr bringen. Diese Art der „Ermessensausübung“ widerspricht darüber hinaus dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz, wenn nämlich einmal verkehrswidriges Gehwegparken geduldet, woanders aber geahndet wird.
Foto: Der „Tatort“. Der Straßenverkehrs-Ordnung ist es gleich, ob platzsparend längs oder quer geparkt wird, solange niemand behindert wird.
Sollte die Stadt Wuppertal im konkreten Fall tatsächlich ein Halte- oder Parkverbot anordnen, glaubt sie offenkundig selbst nicht an ein bestehendes Parkverbot. Denn in VO/1240/21 behauptet das für die Anordnung zuständige Amt 104: „Eine bloße Wiedergabe bestehender gesetzlicher Regelungen durch Beschilderung und/oder Markierungen ist weder zulässig noch sinnvoll.“ [7]
Verweise
[1] Ärger um Parkplatz: „Fühle mich juristisch gestalkt“, Wuppertaler Rundschau vom 12. Oktober 2024,
https://www.wuppertaler-rundschau.de/-120031567
[2] Falschparken in Wuppertal: „Ich bin nicht gewillt, diese Ungerechtigkeit hinzunehmen“, WZ vom 21. Dezember 2022,
https://www.wz.de/-81706839
[3] Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.05.1962 – 4 StR 93/62 – (BGHSt 17, 240 ff.), https://www.verkehrslexikon.de/Texte/Rspr5551.php
[4] Kammergericht Berlin v. 23.12.1991: Auch ohne entsprechende Parkflächenmarkierungen darf ausnahmsweise schräg oder quer zum Fahrbahnrand geparkt werden, wenn die örtlichen Verhältnisse es erlauben oder wegen des Gebots, platzsparend zu parken, sogar nahelegen.
https://verkehrslexikon.de/Texte/ParkVerstoss08.php
[5] AG Viechtach v. 23.08.2005: Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHSt 17, 240 ff.) ist ein Querparken zulässig, wenn dies aus verkehrstechnischen Gründen, namentlich zur besseren Ausnützung des vorhandenen Parkraums bei genügend breiter Straße zweckmäßig ist und zu keiner Gefahrerhöhung für den fließenden Verkehr führt.
https://verkehrslexikon.de/Texte/ParkVerstoss13.php
[6] Vorlage 0511/20, Zitat: „Wenn das Ordnungsamt hinsichtlich des Gehwegparkens konsequent einschreiten sollte, würden ca. 1/3 aller zurzeit genutzten Parkplätze wegfallen.“ – Darunter fallen allerdings auch die als Parkplatz verkehrswidrig benutzten Gehwege.
https://ris.wuppertal.de/getfile.asp?id=256016&type=do
[7] Vorlage VO/1240/21,
https://ris.wuppertal.de/getfile.asp?id=287459&type=do
[8] Parkregelung Sophienstraße, VO/1073/21, Zitat: „Durch die vorhandene Beschilderung und der allgemeinen verkehrlichen Situation, sind die potentiellen Einschränkungen für Fußgänger als sehr gering anzusehen, da in der Regel lediglich Anwohner ihr Fahrzeug dort abstellen.“ – Weder existiert eine Parkmarkierung, noch Zeichen 315 StVO (Gehwegparken), das Schrägparken oder Gehwegparken an dieser Stelle erlaubt.
Zum Parken in zweiter Reihe, Zitat: „Durch die baulich abgesetzten Parkflächen neben der Fahrbahn und den daneben parkenden Fahrzeugen auf der Fahrbahn wird die Sophienstraße in keiner Form beeinträchtigt…“
https://ris.wuppertal.de/vo0050.asp?__kvonr=25830
[9] Falschparker-Erlass Baden-Württemberg:
https://www.aktivmobil-bw.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Regelwerke/2020_Erlass_zu_Ueberwachung_Sanktionierung_von_Ordnungswidrigkeiten_im_ruhenden_Verkehr.pdf
Präsentation hierzu:
https://vm.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-mvi/intern/Dateien/Praesentationen/211004_Pr%C3%A4sentation_Strassen_aufwerten_Workshop_4_Christina_Schulthei%C3%9F_und_Bianca_K%C3%A4pplinger_Ministerium_f%C3%BCr_Verkehr_Baden-W%C3%BCrttemberg_.pdf
Weiter mit:
Das Zeichen 254 auf der B7 entspringt demselben Geist wie die ehemalige Fußgängerzone in der Friedrichstraße zwischen Neumarkt und Karlstraße. Nachdem dieser Geist 104 entgeistert hat, sind auch die 254er verschwunden. Ebenso die 237er-Lollis auf den viel zu schmalen Hochbord-Radwegen am Hofkamp und der Kasinostraße/Mäuerchen.
Dem Geiste von Bergisch Sizilien folgend wohnt in der Sophienstraße vermutlich jemand von der Verwaltung. Sonst würde man wohl dort nicht Landrecht anwenden, während man sich in der Weststraße völlig geistreich nicht vorliegende Tatbestände aus dem Bußgeldkatalog zieht („Parken in zweiter Reihe“). – Was ja mehrfach vom AG bestätigt wurde.
Nachvollziehbar sind die Entscheidungen des Ordnungsamtes bezüglich des Weststraße-Falls und der Sophienstraße nicht. Denn die Ordnungsbehörde hat alleine nach OWiG, StVG und StVO zu verfahren und nicht nach Landrecht, Würfel, oder „ich kenne da wen“.
Das kann sich Wuppertal nur erlauben, weil die Aufsichtsbehörden in NRW im Gegensatz zu Baden-Württemberg pennen oder gebetsmühlenartig die kommunale Selbstverwaltung für ihr Nichtstun hochhalten.
„Nach drei(!) verlorenen Prozessen möchte die Verwaltung nun lt. Rundschau Halteverbotsschilder aufstellen.“
Dass die Verwaltung Schilder aufstellt, um Recht zu behalten statt den Verkehr zu regeln, passiert leider nicht zum ersten Mal.
Ich erinnere mich da an zahlreiche Radfahrverbotsschilder, die 2015 plötzlich rings um die B7-Busspur zwischen Kasinostraße und Robert-Daum-Platz aufpoppten. Jemand hatte offenbar nach VwV-StVO zu Zeichen 245 die Busspurfreigabe für den Radverkehr beantragt. Um dem Antrag nicht entsprechen zu müssen, wurden lieber die Zufahrten zu dem B7-Abschnitt Stück für Stück für den Radverkehr gesperrt. Das war zwar schlecht für alle Radfahrer, aber so what? – dem Antragsteller hat man’s damit gezeigt.
Solange Verwaltung und Ordnungsamt Spielräume für solche Sperenzchen haben, haben sie auch Spielräume für die Kontrolle von E-Scootern.