Leihscooter im Tal demnächst mit angehefteter Kladde?

Warum die Identitätsfeststellung durch den Verleiher angemessen und durchsetzbar ist.

Grüner Leihscooter, mitten auf dem Gehweg stehend, mit angehefteter Kladde „Fahrtenbuch“.

Der Verkehrsausschuß befaßt sich in der kommenden Sitzung am 3. September mit einer Reihe Vorlagen zum Thema Leihscooter. Während andere Städte Konsequenzen ziehen bis hin zum Entzug der Sondernutzungserlaubnis für den Verleiher, dreht die Wuppertaler Verwaltung angesichts permanenter Verstöße gegen die Nutzungsbedingungen Däumchen. [1]

Dreh- und Angelpunkt ist die Tatsache, daß ein Fahrzeugführer eines Leihscooters im Nachhinein praktisch nicht ermittelbar ist – mit der Folge zahlreicher Unfallfluchten mit Verletzten und Sachschaden. Die Maßnahmen der Verleiher sind zur Fahreridentifikation ungeeignet. Weder ein Paypal-Konto, noch SIM-Karte sagt darüber aus, wer ein Fahrzeug geführt hat. Die Maßnahmen stellen lediglich hinreichend sicher, daß der Vermieter seine Kohle bekommt.

In Wuppertal hängen wir allen Leihscootern eine Kladde mit Fahrtenbuch an den Lenker, oder was?

Bei einem Verkehrsverstoß, sei es Falschparken oder eine Geschwindigkeitsüberschreitung, hört die Ordnungsbehörde in der Regel zunächst den Halter an und fragt, wer der Fahrer des Fahrzeugs zum Tatzeitpunkt war. Bereits dieses behördliche Ersuchen läuft bei Scooter-Verleihern mangels gesicherter Datenerhebung regelmäßig ins Leere. Im Vergleich dazu legt der Mieter dem Vermieter bei „Leih ein Auto“ seinen Führerschein vor und bestätigt mit seiner Unterschrift die vertragliche Regel, daß nur er das Fahrzeug fahren wird.

Bei wiederholten Verkehrsverstößen kann die Ordnungsbehörde dann dem Halter das Führen eines Fahrtenbuches anordnen, § 31a der Straßenverkehrs-Zulassungsordnung (StVZO). Der Verleiher müßte dann an jeden Leihscooter eine Kladde mit Fahrtenheft kleben und könnte beten, daß die Mieter nicht nur Strichmännchen darauf malen.

Wie man sieht, ist in der Praxis das Fahrtenbuch bei Leihscootern ein untaugliches Mittel zur Fahreridentifikation. Hier setzt die Auflage der Sondernutzungserlaubnis an, den Verleiher in die Pflicht zu nehmen, aktiv mitzuwirken und jederzeit in der Lage zu sein, den entsprechenden Fahrzeugführer eindeutig zu benennen. Der Sinn und Zweck dieser Auflage entspricht im wesentlichen dem Sinn eines Fahrtenbuchs und ist damit auch; die Auflage ist damit auch verhältnismäßig.

Daß den Verleihern dieser Aufwand nicht schmeckt, sieht man an deren sofortigen Rückzug in Gelsenkirchen. Das zuständige Verwaltungsgericht hat keineswegs Scooter „verboten“, wie es in den Medien häufig kolportiert wird. Sondern es hat lediglich im vorläufigen Verfahren ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Identitätsfeststellung durch den Verleiher zwecks „der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, mithin dem Schutz von Leib und Leben (Art. 2 Abs. 1 GG) der am Gemeingebrauch des Straßenraums teilnehmenden Dritten“ festgestellt. [2][3]

Hinweise und Verweise:

[1] Beispiele:
– ständige Überschreitung der maximal fünf Scooter pro Stellplatz am Döppersberg (Primark) mit
– ständiger Aufstellung der Fahrzeuge neben dem ausgewiesenen Stellplatz,
– regelwidrige Aufstellung in der Fußgängerzone, in der die Sondernutzungserlaubnis explizit nicht gilt.

[2] VG Gelsenkirchen, Beschlüsse vom 15.04.2024 – 2 L 444/24 und 2 L 495/24,
https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_gelsenkirchen/j2024/2_L_444_24_Beschluss_20240415.html

[3] Nach Auskunft der Stadt Gelsenkirchen liegt ihr (Stand Juno) noch kein Termin für das mündliche Hauptsacheverfahren vor.

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Kommentare

  1. N. Bernhardt sagt:

    Ein Verleiher kann einem Kunden über die AGB Strafgebühren für falsch abgestellte Scooter aufbrummen. Wird zum Beispiel ein solcher Verstoß über das „Meldeportal“ der Verleiher und nicht über das der Stadt Wuppertal angezeigt, macht der Verleiher sogar noch ein Geschäft damit. Denn er kassiert dann zwar vom Kunden, muß aber keine OWi-Gebühr an die Stadt Wuppertak zahlen.

    Darüber hinaus hat man „vergessen“, Verstöße gegen die Sondernutzungserlaubnis (SNE) mit Sanktionen zu belegen. Dadurch sind die Auflagen der SNE quasi wirkungslos, solange kein direkter Verstoß gegen die Vorschriften der StVO vorliegt. Laut SNE ist das Abstellen in der Fußgängerzone verboten (weil dort die SNE nicht gilt), ebenso das Abstellen auf Gehwegen, sofern die Restbreite weniger als 2 Meter beträgt. Im Bußgeldkatalog (BKat) wird aber nur bestraft, wer ein Elektrokleinstfahrzeug behindernd oder gefährdent abgestellt hat (Tatbestandsnr. 101133, 20,00€ bzw. 101134, 30,00€).

    1. Susanne Zweig sagt:

      Ein Verleiher, der seine Nutzer mit Strafgebühren in die Arme der Konkurrenz treibt, die das lässt, macht kein Geschäft.
      Erst wenn die Stadt Verstöße gegen die SNE bei allen Verleihern konsequent sanktioniert, kann es sich für die Verleiher auszahlen, rücksichtsvolles Verkehrsverhalten ihrer Nutzerschaft zu fördern.

  2. Susanne Zweig sagt:

    Es ist ein Problem, wenn das Geschäftsmodell eines im Wettbewerb stehenden Unternehmens mangelndes Sozialverhalten im Straßenverkehr fördert.
    „Steig irgendwo auf, steig irgendwo ab. Um den Scooter kümmern sich andere. Du bleibst anonym.“
    Leute, die das ausnutzen und Leute, die sich im Griff haben, zahlen das Gleiche.

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