Leihscooter: Verwaltung und Stadtrat im Winterschlaf

Fußgänger fallen auch 17 Monate nach Einführung der Leihscooter-Anarchie über chaotisch abgestellte Fahrzeuge.

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Leihscooter: Verwaltung und Stadtrat im Winterschlaf

Fußgänger fallen auch 17 Monate nach Einführung der Leihscooter-Anarchie über chaotisch abgestellte Fahrzeuge.

Verkehrsbehindernd auf dem Gehweg abgestellter Scooter.

Foto: Ein sinnlos verkehrsbehindernd abgestellter Leihscooter vor ein paar Tagen. Haftbar für Schäden daraus ist aber weder die Stadt Wuppertal, die sich angesichts der dauerhaften Parkverstöße weigert die Sondernutzungserlaubnis zu widerrufen, noch der Halter. Sondern derjenige, der den Scooter zuletzt bewegt hat – im Ernstfall derjenige, der das Teil beiseitegestellt hat. Oder der Blinde, der darübergestolpert ist. Oder die Mami, die deshalb auf die Fahrbahn ausweichen mußte und vom Auto überfahren wurde.

Seit Oktober 2023 nerven sinnfrei abgestellte Leihscooter, widersprüchliche Vorgaben von Rat und Verwaltung, sowie „vergessene“ Strafen bei Verstößen gegen Auflagen der Sondernutzungserlaubnis die Verkehrsteilnehmer, insbesondere Fußgänger. Dies wurde bereits im Artikel „Auf den Lime gegangen“ ausführlich thematisiert.

Die Anbieter und Halter der Leihscooter sind nach § 8 (1) Straßenverkehrsgesetz von der sonst üblichen Halterhaftung befreit. Die einzig eventuell durchgeführte Sanktionierung von Parkverstößen nach Straßenverkehrs-Ordnung hat im Ergebnis nicht dazu geführt, daß Nutzer oder Anbieter der Leihscooter ihre Fahrzeuge durchweg ordentlich abstellen.

Der Rat tagte am 11.11. und gebar einen Minibeschluß

Aus Teilen der Politik kamen immerhin Ansätze für Verbesserungen. In VO/0856/24/1-Neuf. (PDF) schlagen die Fraktionen von CDU und FDP vor, (1) den Vermieter zu verpflichten, die Identität des Fahrers vor Verleihbeginn durchzuführen, (2) die Sondernutzungsgebühr auf 30 Euro zu erhöhen.

Tagesordnung Punkt 5.2 der Ratssitzung am 11.11.24: Was wurde konkret „geändert“ beschlossen?

Der Rat der Stadt hat sich unter TOP 5.2 in der Sitzung am 11.11.24-Wuppdika! dazu befaßt. Das Abstimmungsergebnis kann man wieder einmal nicht direkt in der Tagesordnung im Ratsinformationssystem nachlesen, dort steht nur „geändert beschlossen“. Vielmehr muß man sich dieses umständlich aus dem Sitzungsprotokoll herausziehen. Dort steht: „Der Punkt 1. des Antrages der CDU-Fraktion wird abgelehnt. Stimmenmehrheit (gegen die Fraktionen von CDU, FDP, Freie Wähler/WfW und AfD, bei Enthaltung der Fraktion Lokalpatrioten). Der Punkt 2. des Antrages der CDU-Fraktion wird gemäß Vorlage beschlossen. Einstimmigkeit.“

Samthandschuhe: 2,50 € Sondernutzungsgebühr

Bisher zahlen Anbieter von Leihfirmen pro E-Scooter und Jahr(!) 10 Euro. Künftig sollen es wohl 30 Euro sein, oder (nach dem Wortlaut) für jede „Erteilung/Verlängerung einer Sondernutzungserlaubnis“. Die kann auch für drei Jahre ausgestellt werden.

Damit werden wie gehabt Verleiher in Wuppertal mit Samthandschuhen angefaßt. Die 100000-Einwohnerstadt Gütersloh verlangt seit Jahresbeginn 25 Euro pro Monat(!) und E-Scooter (weshalb sich Dott – vormals Tier – zum Jahresende ’24 dort zurückgezogen hat [1]), also das zehnfache. Andererseits sind Leihfahrräder mit 2,50 Euro pro Rad und Monat deutlich billiger, denn „anders als E-Scooter tragen Verleihsysteme für Fahrräder zur Verkehrswende bei“, so Beigeordneter Thomas Könnecker: „Insbesondere das Angebot von Leih-Lastenrädern hat das Potential, den individuellen motorisierten Verkehr zu reduzieren.“ [2]

Einziger sichtbarer Fortschritt in Wuppertal nach 17 Monaten: ein einzelnes „Parken“-Schild erklärt den Gehweg am Döppersberg zum Scooterparkplatz

„Wie bereits in der Vorlage zum Ratsbeschluss vom 05.09.2023 dargelegt, werden in der einjährigen Pilotphase Erkenntnisse aus dem Betrieb in Wuppertal kontinuierlich aufgenommen und mit der Anpassung der Vertragswerke durch die Verwaltung effektiv nachgesteuert.“ (Zitat aus VO/0860/24).

Dann schauen wir uns diese „Nachsteuerungen“ der vergangenen 17 Monaten einmal anhand der verwaltungseigenen Vorschläge bei Festlegung der Parkzonen in Elberfeld (PDF) anhand derer an, die in der Fußgängerzone liegen. [3]

An der Anarchie, einerseits das Fahren und Leihen von E-Scootern in den Fußgängerzonen faktisch zu fördern, obwohl laut Sondernutzungserlaubnis der Verleih und die Beendigung desselben dort nicht gestattet sind, hat sich freilich nichts geändert:

02 Primark
Parkzone in der Fußgängerzone 02 östlich Primark: Verwaltungsvorschlag: „Herrichtung des Untergrundes und Ausschilderung notwendig“. Umgesetzt: Nach 17 Monaten Leihscooter in Wuppertal hat die Straßenverkehrsbehörde tatsächlich am Hauptbahnhof auf dem Gehweg ein Verkehrszeichen „Parken“ mit Zusatzzeichen „Elektrokleinstfahrzeuge“ aufgestellt – selbstverfreilich ohne irgendeine konkrete Markierung – und damit den gesamten Gehweg zum Parkplatz erklärt.
Laut Ratsbeschluß ist aber nicht der Gehweg, sondern der Schotterplatz („Gedenkprivatparkplatz“) ausgewiesene Abstellzone. Das sehen die Apps der Verleiher offenbar genauso locker wie die die Verwaltung, denn die Scooter stehen auch auf dem Gehweg zur B7 runter.

03 Wupperpark
Parkzone in der Fußgängerzone 03 Wupper(beton)park: Verwaltungsvorschlag: „Radabstellanlage und Fläche drumrum, zum Start keine Markierung notwendig“. Umgesetzt: Null. Nada.
Hier finden sich zwar viele Leute, doch nur selten (Leih-) Scooter.

04 Schloßbleiche
Parkzone in der Fußgängerzone 04 Schloßbleiche: Verwaltungsvorschlag: „Fahrbahnrand, Markierung notwendig“. Umgesetzt: Null. Nada.
Anhand der lose verteilten Scootern ist offenbar die ganze Fußgängerzone „Parkzone“. Etwas anderes ist für den Verkehrsteilnehmer auch nicht erkennbar. Das gilt grundsätzlich für angeblich fest vorgegebene „Parkzonen“, da straßenverkehrsrechtliche Anordnungen klar und für jedermann erkennbar sein müssen. Hier: AA – angeordnete Anarchie.

05 Mäuerchen
Parkzone in der Fußgängerzone 05 Mäuerchen: Verwaltungsvorschlag: „Freifläche neben den Radabstellanlagen, Markierung notwendig“. Umgesetzt: Null. Nada.

06 Herzogstraße
Parkzone in der Fußgängerzone 06 Herzogstraße (dm): Verwaltungsvorschlag: „Fläche direkt neben den Radständern, Markierung notwendig“. Umgesetzt: Null. Nada.

07 Neumarkt
Parkzone in der Fußgängerzone 07 Neumarkt: Verwaltungsvorschlag: „Fläche neben den Radständer, Markierung notwendig“. Umgesetzt: Null. Nada.

08 Willy-Brandt-Platz
Parkzone in der Fußgängerzone 08 Willy-Brandt-Platz: Verwaltungsvorschlag: „Fläche direkt links neben den Radständern, Markierung notwendig“. Umgesetzt: Null. Nada.

09 Karlsplatz
Parkzone in der Fußgängerzone 09 Karlsplatz: Verwaltungsvorschlag: „Fläche direkt neben den Radständern, Markierung zum Start sinnvoll“. Umgesetzt: Null. Nada.

10 Kleine Klotzbahn
Parkzone in der Fußgängerzone 10 Kleine Klotzbahn: Verwaltungsvorschlag: „Fläche links neben den Radständern, Markierung sinnvoll“. Umgesetzt: Null. Nada.

12 Herzogstraße Ecke Kasinostraße
Parkzone in der Fußgängerzone 12 Herzogstraße Ecke Kasinostraße: Verwaltungsvorschlag: „Gehwegfläche nahe Fahrbahnrand, Markierung notwendig“. Umgesetzt: Null. Nada.
Es gibt ja nicht einmal Ständer, die überhaupt einen Abstellbereich erahnen lassen.

14 Laurentiusplatz
Parkzone in der Fußgängerzone 14 westlicher Laurentiusplatz: Verwaltungsvorschlag: „Radständern, Markierung nicht notwendig“. Umgesetzt: Die Natur hat die Radabstellanlage bereits natürlich begrünt.

südlich Bundesbahnverwaltung
Auswahl weiterer Abstellanlagen in der Fußgängerzone: östlich Bundesbahnverwaltung. Ideal, um dort einsam zu sterben. An der Stelle angelegt, zu der man von allen Zugängen möglichst die komplette Fußgängerzone durchfahren muß.

Fazit

In 17 Monaten wurde rein gar nichts unternommen, um die Abstellanarchie der Leihscooter wirksam zu unterbinden. Nicht einmal die verwaltungseigenen Vorschläge zu Markierungen wurden vorgenommen. Offenbar vermeidet man alles, was die Verleiher auch nur im geringsten verschrecken könnte.

Es scheint erklärtes Ziel von Verwaltung und der Ratsmehrheit zu sein, daß Blinde weiterhin über die dämlich plazierten Leihscooter stolpern und sich verletzen, oder diese Fahrzeuge für Menschen im Rollstuhl oder mit Kinderwagen unüberwindbare Hindernisse darstellen und diese Menschen deshalb Umwege inkaufzunehmen haben. – Natürlich ist es nicht das erklärte Ziel, aber das Ergebnis ist dasselbe.

Quellen und Verweise

[1] https://www.radioguetersloh.de/nachrichten/kreis-guetersloh/detailansicht/e-scooter-verschwinden-aus-guetersloh.html

[2] Stadt Gütersloh, Pressemitteilung vom 04. Juni 2024:
„Neue Sondernutzungssatzung bringt erstmals Steuerungsmöglichkeit bei E-Scootern“
https://www.guetersloh.de/de/rathaus/presseportal/news/meldungen/archiv/2024/sondernutzungssatzung-e-scooter.php

[3] Genehmigung von Pedelec- und Elektrokleinstfahrzeug-Verleihsystemen in Wuppertal, VO/0354/23, Anlage 01 – Parkzonen Sharingangebote Elberfeld
https://ris.wuppertal.de/vo0050.asp?__kvonr=30042

[4] Auflagen und Bedingungen zur Sondernutzungserlaubnis vom 15.09.2023 für
die Bereitstellung von gewerblichen Verleihsystemen für E-Scooter und Fahrräder in der Stadt Wuppertal
https://up.picr.de/49271004nu.pdf
1. Ort der Sondernutzung: Die Genehmigung erfolgt grundsätzlich für das gesamte Stadtgebiet. Folgende Bereiche sind von der Genehmigung ausgeschlossen. In diesen ist weder das Bereitstellen der E-Scooter und – Fahrräder noch Beginn und Beendigung des Mietvorgangs gestattet:
• Park-und Grünanlagen
Fußgängerzonen
• Wald-, Natur-und Landschaftsschutzgebiete
• Spielplätze
• Friedhöfe
• Brücken
• Unbefestigte Wupperuferflächen
• Verkehrsbegleitgrün (z. B: Mittelstreifen, Baumscheiben, Grünflächen im Straßenraum)
[…]

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Kommentare

  1. Susanne Zweig sagt:

    Es war von vornherein davon auszugehen, dass etliche Leute mit einem Leihscooter anders umgehen als mit einem Kaufscooter. Ich habe noch nicht erlebt, dass jemand seinen eigenen Scooter oder sein Fahrrad quer oder mittig auf einem belebten Gehweg abstellt – geschweige denn auf Schwebebahnpfeilern, Verkehrsinseln, auf der Fahrbahn oder in der Wupper.
    Jede Stadt, die es schafft, in den ersten 4 Wochen nach Einführung schlecht geparkte Scooter unmittelbar beim Verleiher abzustrafen, hat eine gute Chance, dass das Verleihsystem langfristig auch von den Nicht-Nutzern akzeptiert wird.
    Diese 4 Wochen sind lange rum, und Wuppertal hat die Chance meisterhaft verpasst: Heute gibt es Leute, die das Angebot praktisch finden. Und es gibt Leute, die sich darüber ärgern, dass faire Nutzer und Egoisten auf Scootern von Stadt und Verleihern völlig gleich behandelt werden.

    1. N. Bernhardt sagt:

      Ja, aber das Amt 104 kann doch nicht für Verkehrsverstöße von Verkehrsteilnehmern verantwortlich gemacht werden. Das Amt 104 würde doch niemals zulassen, daß besonders die schützenswerten Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger (und dann Radfahrer) durch die straßenverkehrsrechtlichen Anordnungen gefährdet würden. Das Amt 104 würde doch erst recht nicht rechtswidrige Dinge anordnen, wodurch Fuß- und Radfahrer vorsätzlich gefährdet würden.

      Ach, warte mal. Die Fahrbahn der Friedrichstraße südlich Karlsplatz ist doch nur 3,0 m breit. Damit ist weder Begegnungsverkehr Bus→Rad möglich, noch sind die Vorgaben der VwV eingehalten (3,5 m Mindestbreite). Wer als Radfahrer nicht bei 3 verschwunden oder auf den Baum gesprungen ist, wird von 20 Tonnen Stahl in Stahlblau überrollt oder zumindest wie bei einer Folter scheinüberfahren. Siehe Video auf Cycleride zum Thema („plötzlich kriegen sie die Kurve nicht mehr“).

      Wenn die Stadt für ihre fortdauernde Leihscooterparkanarchie eine MPU machen müßte, würde sie grandios durchfallen. Vertragliche Geldstrafen für die fortwährenden Parkverstöße gibt es nicht, die Verstöße die per StVO überhaupt verwarnt werden können machen nur einen Bruchteil der Gesamtverstöße der Sondernutzungserlaubnis (SNE) aus. Leihscooter werden nicht nur weiterhin entgegen den Auflagen der SNE in der Fußgängerzone abgestellt und ausgeliehen, sondern auch deren Parkzonen seit über einem Jahr nicht markiert. Der MPU-Prüfer würde sagen: Eine Einsicht des Verkehrsteilnehmer zur Einhaltung der Regeln im Verkehr ist nicht erkennbar. Die Prognose läßt nur den Schluß zu, daß der Teilnehmer auch in Zukunft regelmäßig Verkehrsverstöße begehen wird.

  2. Anzeigen gegen Falschparker werden, falls Zeit wohl erstellt. Beide Anbieter zahlen diese dann wohl aus der Portokasse selber. Angeblich gebe es zwar Erziehungsmaßnahmen und Sanktionen gegen die Nutzer. Wie, wie oft, ab wann, ob es Geld kostet, würde nicht verraten. Angeblich soll die Fahrzeit verlängert, wenn das Foto beim Abstellen Verstöße zeigen. Es werden aber nicht alle Fotos gesichtet.

    Ja, die 30 € sind ein Witz vergleicht man die Preise, die ein Wirt für ein qm Außengastronomie zahlen muss.

    1. N. Bernhardt sagt:

      Der Witz ist ja, daß Sanktionen der Anbieter gegen die Nutzer auf das Konto der Verleiher geht, nicht der Staatskasse. Das waren bei LimeBike anfangs 20 Euro, die dem Nutzer berechnet wird. Insofern verdienen die Anbieter noch daran, je besch…eidener geparkt wird.

      Die Anzahl der offiziellen Verwarnungen durch das Ordnungsamt dürften dabei nur eine untergeordnete Rolle gemessen an der Gesamtproblematik spielen. Vor allem, weil es ja in deren Gutdünken, ähm „Ermessen“ fällt, ob sie nun eine Privatanzeige verfolgen oder nicht.

      Im Vergleich mit der Außengastronomie sind 30 Euro ungefährt das, was man auch für jeden Scooter zahlen müßte. Gütersloh rechnet mit 0,3 m² pro Scooter. In Wuppertal kostet lt. Website der Quadratmeter für Außengastronomie im Monat in der Zone 1 (Stadtplätze)/2 (Rest) 9,70/6,10 €, macht im JJahr bei 0,3 m² 34,92/21,92€. Allerdings parken Tische und Stühle selten verkehrsbehindernd auf Gehwegen.

  3. Susanne Zweig sagt:

    „anders als E-Scooter tragen Verleihsysteme für Fahrräder zur Verkehrswende bei.“

    Eine Verkehrswende ist, wenn Fahrzeuge mit Dach, Mitnahmeoption und dreistelligem Höchsttempo, wie sie in den Wintermonaten von 40 Mill. Leuten in Deutschland gebraucht werden, überwiegend klimaneutral laufen und bezahlbar sind. Politiker, die in einem Land mit über 80 Mill. Fahrrädern in Privatbesitz einen Fahrradverleih schon zur Verkehrswende zählen, müssen sehr, sehr verzweifelt sein.

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