Leihscooterärger und ein unzureichendes „Fazit“

Lächerliche vier Seiten lang ist das Gutach… der Jahresbericht der Verwaltung zum Thema Leihscooter.

Laufender Akkuwechsel bei laufendem Geschäft nur mit laufendem Motor Anfang 2024.

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Bild:Laufender Akkuwechsel bei laufendem Geschäft mit laufendem Motor.

Ein Jahr lang mußten sich die Wuppertaler mit verkehrsbehindernd abgestellten Leihscootern herumplagen, bevor die Verwaltung nun zur kommenden Sitzung des Verkehrsausschusses (29. Oktober 24) ihren Jahresbericht vorlegt.

Der Bericht bleibt konkrete Zahlen schuldig, zum Beispiel wie viele der 1,7 Millionen zurückgelegten Kilometer auf die E-Scooter und Leihpedelecs entfallen. Schließlich sollte anfangs das Verhältnis beider Verkehrsmittel 1:1 betragen. Wenn man in der Praxis mal ein Leihpedelec entdeckt, kann man das im Kalender rot anmalen.

Hingegen versteigt sich die Verwaltung in der pauschalen Behauptung, elf Prozent der Fahrten (180.000 km) wären Ersatzfahrten zum Auto gewesen und hätten 35 Tonnen CO2 eingespart. Wie viel CO2 die Benzin- und Dieselkutschen (im Auftrag) der Verleiher beim Akkutausch und Umstellen der Leihfahrzeuge verursacht haben – vergleiche Bild vom Januar oben –, bleibt der Bericht ebenso schuldig wie eine detaillierte Aufteilung, welche Strecken sonst zu Fuß, mit ÖPNV, dem eigenen Rad oder dann tatsächlich mit dem Auto zurückgelegt wurden. Dazu hätte man die Kunden per App fragen können.

Ebenso bleibt der Bericht eine detaillierte Auflistung schuldig, welche Streckendistanzen denn mit welchem Anteil zurückgelegt wurden. Die durchschnittliche Länge von anderthalb Kilometer läßt jedenfalls die Annahme zu, daß die jungen technikaffinen Leute diese Distanz auch zu Fuß zurücklegen können und man sich das ganze Verleihsystem damit sparen kann.

Laut Bericht wurden nach Straßenverkehrs-Ordnung „in der Pilotphase 315 Verfahren gegen Leihfahrzeuge eingeleitet.“ Keine Angabe dazu, wie viele davon extern gemeldet wurden (Privatanzeige). Wobei es strenggenommen Verfahren gegen die Verleiher sind, wenn Leihscooter verkehrsbehindernd abgestellt sind. „Beschwerden über Leihfahrzeuge ohne Behinderung von Verkehrsteilnehmenden werden an die Sharing-Anbieter weitergeleitet und nicht statistisch erfasst.“ Wie kann man dann unter anderem behaupten, „die Anzahl an Beschwerden“ sei „in Relation zu den Ausleihzahlen und Gesamtkilometern sehr gering“, wenn man die Anzahl der bei den Verleihern eingegangenen Beschwerden nicht kennt?

Unzählige Medienberichte und Leserbriefe über falsch bzw. behindernd abgestellte Scooter lassen jedenfalls den gegenteiligen Schluß zu: Daß sehr viel mehr Scooter entgegen den Auflagen der Sondernutzungserlaubnis abgestellt wurden. Neben der Info durch das Ordnungsamt (s.o.) betreiben die Verleiher eigene Meldeplattformen und können jeden Parkverstoß daher über die Geschäftsbedingungen „beknollen“ – und noch daran verdienen. Die Verleiher haften nicht einmal für ihre Leihscooter, wenn jemand darüberfällt, § 8 Straßenverkehrsgesetz (keine Halterhaftung).

Einen Entzug der Sondernutzungserlaubnis müssen die Verleiher in Wuppertal offenbar nicht fürchten – vollen Lobes ist hierzu der Bericht der Verwaltung. In anderen Vorlagen ergreift sie sogar Partei für die Verleiher beim Thema Fahreridentifikation (sinngemäß: zu kompliziert, nicht zumutbar).

Im Bericht steht dazu unter „Personalisierung“ lediglich: „Durch Verifizierung der vorliegenden Kreditkarten und Telefondaten liegen den Verleihunternehmen Personendaten vor.“ – Das ist Irgendjemand, aber nicht der konkrete Fahrzeugführer, der zuletzt den Leihscooter gefahren hat. Die Identität dieser Person ist aber erforderlich, um Schäden, die durch falsch abgestellte Leihscooter entstehen, zivilrechtlich geltend machen zu können. Die Identität der Person ist auch notwendig, falls diese Fahrerflucht begeht.

Die Ordnungsbehörde gibt sich bei verkehrswidrigem Parken auch nicht mit der Kontonummer von Onkel Frank zufrieden, weil damit die Ermittlung des konkreten Falschparkers entweder ein „unangemessen hoher Aufwand“ darstellen würde, oder der letzte Fahrzeugführer schlicht nicht ermittelbar ist. Vielmehr beruft sich das Amt dann regelmäßig auf § 25a Straßenverkehrsgesetz, nach dem der Halter des Fahrzeugs haftet, also der Verleiher.

Im zivil- und strafrechtlichen Verfahren ist regelmäßig der Fahrzeugführer verantwortlich. Daher ist es rechtens und auch zumutbar, den Verleihern per Auflage in der Sondernutzungserlaubnis die Feststellung der Fahreridentität vorzuschreiben. Dies kann zum Beispiel über den elektronischen Personalausweis/eID-App geschehen, die die Verleiher mit der eigenen App verknüpfen – und zwar einmalig und bundesweit.

Das Fahrrad- und Nahmobilitätsgesetz NRW (FaNaG) steht dem nicht entgegen. Dieses Landesgesetz ist gegenüber dem Bundesrecht (Straßenverkehrsgesetz, Straßenverkehrs-Ordnung, Ordnungswidrigkeitengesetz) ohnehin nachrangig.

Weiterführendes zum Thema

Jahresbericht zur Pilotphase von Pedelec- und Elektrokleinstfahrzeug-Verleihsystemen in Wuppertal, Vorlage VO/1288/24,
https://ris.wuppertal.de/vo0050.asp?__kvonr=32558

Aus: https://bmdv.bund.de/SharedDocs/DE/Artikel/StV/Strassenverkehr/elektrokleinstfahrzeuge-verordnung-faq-novelle.html

Zitat: »Wie verhält es sich mit dem Abstellen von Elektrokleinstfahrzeugen, die ortsunabhängig zur Vermietung angeboten werden?

Die Kommunen entscheiden: Ob und wo Elektrokleinstfahrzeuge, die ortsunabhängig zur Vermietung angeboten werden, im öffentlichen Raum abgestellt werden dürfen, kann durch Vorgaben der örtlichen Behörden beschränkt werden. Die zuständigen Behörden sind berechtigt, Vermietern das Anbieten von Sharing-Elektrokleinstfahrzeugen nur unter bestimmten Maßgaben zu erlauben. Dies können zum Beispiel ausgewiesene Abstellflächen sein. Die jeweilige Situation kann von den zuständigen Stellen vor Ort am besten bewertet werden.«

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Kommentare

  1. Susanne Thönes sagt:

    Meine persönliche Beobachtung in Langerfeld:
    Die Scooter werden für „Spaß-Fahrten“ genutzt, Fahrer sind zu einem hohen Prozentsatz minderjährig, Fahrten zu zweit auf dem Scooter sind keine Ausnahme.
    Teils scheinen die Nutzer auch nicht nüchtern, selbst rudimentäre Kenntnisse der Straßenverkehrsordnung scheinen zu fehlen.

    Also möglichst schnell beiseite springen, sofern man es noch kann.

    Dass es kaum Beschwerden geben soll, wage ich zu bezweifeln.
    Ich habe es selbst einmal ausprobiert und mich beim Anbieter Voi über unrechtmäßig abgestellte Scooter beschwert.
    Die aus Textbausteinen ohne Aussage „zusammengestoppelte“ Antwort verwies auf die Ordnunsbehörde als Ansprechpartner. Eine weitere Nachfrage wurde gar nicht erst beantwortet.
    Also gab ich auf…
    So kann man auch die Beschwerden abwimmeln und “ in Grenzen halten“

  2. N. Bernhardt sagt:

    Es war lt. SPD in der BV Elberfeld von Anfang klar, daß es beim Ordnungsamt keine zusätzlichen Ressourcen für die Kontrolle der Leihscooter geben wird. Schon gar nicht würde man sich dort mit der Kontrolle der Auflagen der Sondernutzungsauflagen beschäftigen (können).

    Nachdem sich die politischen Parteien auf das Ende der „Evaluierungsphase“ haben hinhalten lassen, können sie kommende Woche Farbe bekennen und gemeinsam die Auflage der SNE beschließen, daß
    – die Verleiher die Fahreridentität festzustellen haben,
    – die Verwaltung die SNE bei weiter andauernden Verstößen gegen die Auflagen aufzuheben hat.

    Die Personalressourcen scheinen ja derart auf BUGA und PBauschZ konzentriert zu sein, daß man nicht einmal in der Lage ist, binnen eines Jahres ein paar Parkmarkierungen in Elberfeld (und Barmen) aufzubringen.

  3. Susanne Zweig sagt:

    Ich habe nichts dagegen, wenn die (meist jungen) Leute keinen Bock haben, auf den Bus (19 %, lt. DLR/difu-Studie) zu warten oder zu Fuß (43 %) zu gehen und ihr Geld dann in einen Scooter stecken. Leihscooter füllen eindeutig eine Lücke im Verkehrsangebot, sonst würden sie nicht genutzt.
    Aber warum wird immer wieder öffentlich behauptet, das Leihangebot sei klimafreundlich und frei von Beschwerden?
    Hinter jeder Scooterfahrt stehen Scootertransporte, die den Roller zurückkutschieren und/oder aufladen. Dass das Kutschieren mit einem E-Auto und das Aufladen mit grünem Strom passiert, steht genauso auf dem Papier wie die Restgehwegbreite von 2 Metern beim Parken. Niemand kontrolliert’s und kein Verleiher im Wettbewerb hat Geld zu verschenken. Würden die Scooter mit Kohlestrom geladen, wäre jedes Zweitakter-Mofa klimafreundlicher.
    Der Bericht ist aber klasse: Die Grafik über die Fahrtverteilung nach Uhrzeit hat einen klaren Elefantenrücken zwischen 12 und 21 Uhr. Um 7 Uhr morgens finden gleich viele Fahrten statt wie um 23 Uhr nachts.
    Das Zahlenwerk sieht aber „im morgendlichen Berufsverkehr“ um 7 Uhr (3,1 %) eine „erste Nachfragespitze“ und die „höchste Nachfrage“ zwischen 16 – 19 Uhr (ca. 6,8 + 6,9 + 7 %) „im Feierabendverkehr“. Dass mehr als doppelt so viele Leute von der Arbeit zurückkommen als vermeintlich hingefahren sind, stört die Verfasser nicht. Der Leihscooter wird für den Arbeitsweg genutzt und basta.
    Da sich weniger als 50 % der Leserbriefe mit E-Scootern beschäftigen, gibt es keinen Grund, darauf näher einzugehen.
    Die städtische Lime-Marketingabteilung stellt amtlich fest: Leihscooter sind klimafreundlich und es gibt kaum Beschwerden. Und da nicht viele Fakten dieses Ergebnis stützen und die Kreativität der Verwaltung auch Grenzen hat, fällt er eben kurz aus.
    Glückwunsch zum Geburtstag!

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