16.05.2018soli-komitee-wuppertal
Mit „vollem Boot“ in den „Volkstod“
Am 26.Mai 1993 wurde das Asylrecht durch eine Verfassungsänderung mit den Stimmen der SPD, der CDU/CSU und der FDP geschliffen. Drei Tage später zündeten Neonazis das Haus der Familie Genç in der Unteren Wernerstraße in Solingen an. Dem so genannten Asylkompromiss war eine Welle rassistischer Gewalt und Anschläge vorausgegangen, vorwiegend gegen Asylunterkünfte. Politisch begründet wurden die Einschnitte im Asylrecht und im Flüchtlingsschutz mit einer angeblich zu hohen Zahl von Asylsuchenden; unterstellt wurde, dass die rassistische Gewalt in Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen und Mölln eben auf diese Flucht-Migration zurückzuführen sei. Bis weit in die bürgerliche Medienlandschaft hinein schlossen sich viele dieser unterstellten Kausalität an; die „das Boot ist voll“-Rhetorik bildete die Hintergrundmusik zu den Brandanschlägen und Jagdszenen auf MigrantInnen. Diese prägte auch die politische Debatte, die der Grundrechtsänderung voranging; zahlreiche PolitikerInnen übernahmen die rassistische Lesart, dass „zu viele Ausländer“ quasi naturgemäß zu rassistischer Mobilmachung führen.
In vielem ähnelt die heutige Debatte dem Diskurs der frühen 1990er Jahre. Wurde damals das Bild des „vollen Bootes“ bemüht, argumentiert die Rechte heute mit einem angeblichen den Deutschen drohenden „Volkstod“. Und wieder besteht die politische Antwort auf ein Erstarken rechter Diskurse und Mobilisierungen vor allem darin, Grenzen zu schließen und Flüchtlingsrechte zu beschneiden. Die aktuellen Pläne zur Schaffung zentraler Isolationslager für Asylsuchende ist nur die Spitze des Eisbergs.
Zugleich gibt es aber auch gravierende Unterschiede, was die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen angeht. So ist zum einen die Akzeptanz der Tatsache, das die deutsche Gesellschaft eine Einwanderungsgesellschaft ist, heute deutlich breiter verankert als in den frühen 1990er Jahren. Die Konkurrenz um knappe Arbeitsplätze spielt heute keine große Rolle mehr. Und die Geflüchteten selbst, die damals als eigene Akteure praktisch nicht wahrgenommen wurden, haben sich mittlerweile eine eigene Stimme verschafft. Hinzu kommt ein Netzwerk von selbstorganisierten Flüchtlingen und mehrheitsdeutschen UnterstützerInnen, die der rassistischen Mobilmachung und dem Ausbau des Grenzregime ihre Solidarität entgegensetzen.
Hagen Kopp (kein mensch ist illegal Hanau, welcome2europe und watchthemed-alarm phone), ist seit den frühen 1990er Jahren in der antirassistischen Flüchtlingsarbeit aktiv. 25 Jahre nach dem „Asylkompromiss“ wollen wir mit ihm diskutieren, wie sich die damalige Situation von der heutigen unterscheidet und welche Perspektiven sich in 25 Jahren Kampf gegen europäische und deutsche Abschottung ergeben haben.
Eine Veranstaltung im Rahmen der Mobilisierungskampagne zur antifaschistischen Demonstration am 26.5. in Solingen zum 25. Jahrestag des Brandanschlags (Aufruf zur Demonstration)
Veranstalter*innen: Tacheles e.V., so_ko_wpt, welcome2wuppertal, We Stay United
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