12.03.2018Gedenkbuch Wuppertal
Gedenkwanderung zum Burgholz-Massaker
Gedenkwanderung zum Burgholz-Massaker
In Kooperation mit dem Regionalbüro Arbeit und Leben DGB/VHS Berg-Mark
Das Burgholz-Massaker
Die weiteren Geschehnisse, die zur Erschießung von 30 ZwangsarbeiterInnen aus der Sowjetunion nahe des Polizeischießstandes im Burgholz führten, lassen sich in den Einzelheiten durch die Aussagen der Täter rekonstruieren. Der Kriminalbeamte Hans Poensgen berichtete: „Ende Februar 1945 wurde ich ins Büro von Kriminaldirektor Baumann bestellt, der mir ungefähr Folgendes sagte: ‚Ich wurde soeben von Düsseldorf vom Inspekteur angerufen und erhielt die Weisung, zu einer Transportbegleitung der Gestapo 10 Männer zu stellen‘. Er gab mir dann einen Zettel, auf dem 10 Namen aufgeschrieben waren: Ich selber, Padberg, Neuhaus, Klos, Nees, Dietrich, Hornberger, Meister, Engemann und Ober. Dietrich und Nees sind nicht erschienen. Orsin und Albermann kamen mit am nächsten Tag, ohne daß sie dazu aufgefordert waren.“1
In seiner Einlassung widersprach Karl Orsin der Darstellung, er hätte sich freiwillig zur Erschießung gemeldet: „Mir wurde der Befehl, an der Erschießung teilzunehmen, von Kriminalobersekretär Beine gegeben, der das Erschießungskommando kommandierte. Es nahmen etwa 12–15 Gestapo- und etwa 10 Kripobeamte an der Erschießung teil. […] Die Russen mußten vor dem Grab knien, und es wurde ihnen von hinten ins Genick geschossen. Meine Gruppe wurde von dem Gestapobeamten Poleschke erschossen. Ich schoß auf einen Russen, aber kurz vorher hatte Poleschke schon mit der Maschinenpistole auf ihn geschossen, und ich bin der Ansicht, daß der Russe nicht von mir getroffen worden ist. […] Ich streite ab, daß ich jemals einen Russen oder eine Russin während eines Verhöres oder anderweits misshandelt habe. Ich habe nie jemand Papier zwischen die Zehen gesteckt und es angezündet.“2
Der zweite Polizist, der sich freiwillig an der Exekution beteiligte, war der Kriminalangestellte Otto Albermann, der erst seit dem 1. Juli 1944 im Kriminaldienst in Wuppertal beschäftigt war. Albermann, seit 1932 in der SA und NSDAP sowie seit 1943 Blockleiter, war angeblich neugierig gewesen: „Orsin und ich haben verabredet, an dem Morgen freiwillig mitzugehen, um uns die Erschießung anzusehen. […] Der Grund, warum ich freiwillig zu der Erschießung hingegangen bin, ist folgender: Als unerfahrener Kriminalangestellter wollte ich alles bei der Polizei kennen lernen. Da ich glaubte, dass es sich um eine gesetzmäßige Exekution handelte, wollte ich sehen, wie eine Erschießung vor sich geht.“3 Noch drastischer ist die Zeugenaussage von Artur Hugendiek, der einen ungewöhnlichen Einblick in die Hinrichtungspraxis der Wuppertaler Polizei erhalten hatte. Er berichtete von einem Zusammentreffen mit dem Kriminalbeamten Wilhelm Ober, der offensichtlich gerade von der Exekution zurückkam: „Ober trug an dem Tage die SD-Uniform. Dabei fragte ich ihn, wie er zu dieser Uniform käme, worauf er mir antwortete, sie hätten an dem fraglichen Tage im Burgholz mehrere Russen erschossen, woran auch er teilgenommen hätte. Hierbei äußerte er noch, dass das eine ganz prima Angelegenheit [sic] wäre, und am kommenden Dienstag würden weitere Erschießungen vorgenommen. Sofern ich Lust hätte, würde er mich dazu einladen. Ich habe dieses Ansinnen jedoch sofort abgelehnt, und wir haben über dieses Thema nicht weiter gesprochen.“4
Überraschend ist auch, dass einige Polizisten sich gegenseitig erheblich belasteten. So behauptete Arthur Peters: „Als eine der letzteren Gruppen zum Grab geführt wurden, hörte ich, wie Albermann zu Orsin sagte, dass hier ein Russe käme, den er persönlich erschießen wollte, da er ihm viele Schwierigkeiten bei der Vernehmung gemacht hatte. Albermann folgte dann dieser Gruppe und ich kann mit Bestimmtheit sagen, dass er dann auch auf diesen fraglichen Russen geschossen hat. Ob Orsin auch mitgegangen ist, kann ich nicht sagen.“5 Albermann stritt in seiner Einlassung vehement ab, „überhaupt auf jemanden geschossen zu haben“6 und belastete wiederum den Kollegen Orsin: „Wenn jemand sich geäußert hat, dass er einen Russen selbst erschießen wollte, weil dieser beim Verhör viel Schwierigkeiten gemacht hatte, so kann das nur Orsin gewesen sein. Orsin erzählte mir auf der Rückfahrt im Autobus, dass er den dicken Russen, der Grischa oder so ähnlich hieß, selbst erschossen hatte.“7 Die meisten der anderen Täter behaupteten, dass sie selbst nicht geschossen hätten. Auch kannten sie die Polizisten, die die Genickschüsse abgaben, nicht namentlich. Sie selber hätten „nur“ abgesperrt oder die Gefangenen zur Tötungsstelle im Wald begleitet oder gar – wie Arthur Peters behauptete – nur die Handfesseln vor der Exekution gelöst und in einem Koffer gesammelt.
1Eidesstattliche Erklärung von Hans Poensgen, 30.6.1947, in: Sammlung Lieselotte Bhatia.
2Eidesstattliche Erklärung von Karl Orsin, 23.6.1947, in: ebd.
3Eidesstattliche Erklärung von Otto Albermann, 5.7.1947, in: ebd.
4Aussage von Artur Hugendick, 19.6.1947, in: ebd.
5Eidesstattliche Erklärung von Arthur Peters, 24.6.1947, in: ebd.
6Eidesstattliche Erklärung von Otto Albermann, 5.7.1947, in: ebd.
7Ebd.
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