28.04.2010n.eck
Neue Perspektiven für unser Tal: Ein Interview mit Dietmar Bell, Teil 1 – Schule
NE: Seit etwa einem Jahr wird ein Gebäude unserer Schule ohne erkennbare Fortschritte saniert. Alle Klassen meiner zehnten Stufe wurden in zu kleine Baucontainer ohne fließendes Wasser und mit nur bedingt funktionstüchtigen Heizkörpern umquartiert, was zu enormer Unzufriedenheit und dadurch entstehende Demotivation führt. Wenn Sie gewählt werden, wie würden Sie den Schülern unserer Schule helfen?
DB: „Die Gebäudeunterhaltung ist kommunale Aufgabe, nicht Aufgabe des Landes. In den letzten Jahren ist sehr viel Geld in die Schulmodernisierung geflossen. Wir haben, unter anderem, nahezu alle Mittel des Konjunkturpakets 2, die für Kommunen zur Verfügung standen, für Investitionen in die energetische Erneuerung der Schulen und Kitas verplant. Wenn es da konkrete Probleme gibt, bin ich gerne bereit, mit dem Gebäudemanagement zu sprechen mit dem ich sehr gut zusammen arbeite. Vielleicht muss man da einfach mal ein bisschen moderieren und Hilfestellung leisten.“
NE: Ein großes Problem an den Schulen in Wuppertal ist der Lehrermangel. Ich kenne ein Mädchen, das im letzten Jahr ihr Abitur machen wollte, dies jedoch wegen zu viel Stundenausfall aufgrund von Lehrermangel nicht tun konnte. Wie denken Sie, dagegen vorzugehen?
DB: „Es war ja das Versprechen, der nordrhein-westfälischen Landesregierung und unter anderem einer der Gründe, warum sie die Wahl 05 gewonnen haben. Die CDU hat damals haben plakatiert: Stundenausfälle auf 0, mit uns wird es keine weiteren Stundenausfälle geben! Dieses Versprechen haben sie nicht gehalten.
Die Situation in einzelnen Schule ist so, wie Sie beschreiben. Ich war noch vor kurzem in einer Schule, wo benachteiligte Jungendliche unterrichtet werden. Dort haben sie große Probleme, ihren Unterricht aufrecht zu erhalten. Sie mussten jetzt schon Stundenreduzierungen vornehmen, weil mit den Krankheitsausfällen und den nicht wiederbesetzten Stellen eine Aufrechterhaltung der Stunden nicht mehr möglich war.
In unserem Parteiprogramm haben wir festgelegt, dass wir zusätzlich in einem einzigen Bereich Geld ausgeben wollen, und zwar in der Bildung. Wir wollen die Landesausgaben so steuern, dass insgesamt 10 % des gesamten Landesetats nur für Bildung zur Verfügung steht. Das ist eine deutliche Verstärkung des Engagements und wir wollen damit verschiedene Dinge bewegen: Zum einen wollen wir von der Kita bis in die Universität die Gebührenfreiheit herstellen. Und wir wollen die Qualität in den Einrichtungen steigern. Das heißt mehr Personal, kleinere Klassen. Bei längeren gemeinsamen Lernzeiten wollen wir die Schulen in die Lage versetzen, individuell auf die Schüler einzugehen. Neben Lehrerinnen und Lehrern soll es zukünftig auch andere Kräfte in den Schulen geben: Sozialpädagogen, Sozialarbeiter und Psychologen. Also es soll ein multifunktionelles Team geben, um den Anforderungen einer modernen Schule gerecht zu werden. Das kostet Geld, das wissen wir, aber das ist unser Ziel.“
NE: Durch die Einführung der verkürzten Schulzeit entstand für viele Schüler eine Menge Stress. Ich habe das Glück, noch neun Jahre auf dem Gymnasium verbringen zu dürfen, aber schon die Schüler der Stufe unter mir sitzen oftmals stundenlang an den Hausaufgaben. Ich bin der Meinung, dass sie dadurch in ihrer Lebensqualität als Jugendlicher eingeschränkt werden und plädiere für die Abschaffung des Systems. Was ist Ihre Meinung dazu?
DB: „Wir lehnen das erzwungene G8 System in den Gymnasien ab. Wir wollen hin zu einem System der Freiwilligkeit. Wir wollen die Chance geben, dass auch an Gymnasien wieder mit neun Jahren das Abitur gemacht werden kann. Das verkürzte Abitur haben wir seinerzeit als nicht verpflichtend und verbindlich eingeführt.“
NE: Hat die Einführung des G8 Systems auch mit Finanzkürzungen im Schulsystem zu tun gehabt?
DB: „Das hat mit Finanzkürzungen im Schulsystem zu tun gehabt, das hat aber auch damit zu tun, das andere Länder geringere Lernzeiten bis zu Studienreife haben. Es war der Versuch, sich internationalen Standards in dieser Frage anzupassen. Wir sehen aber, dass viele Schülerinnen und Schüler mit der Situation überfordert sind und deswegen glauben wir, dass wir eine Wahl zwischen den beiden Möglichkeiten einräumen sollten.“
NE: Als sich in der dritten Klasse der Waldorfschule in Wuppertal war, haben wir ein Projekt mit geistig behinderten Gleichaltrigen durchgeführt. Das hat mir neben viel Spaß auch wichtige Erfahrungen eingebracht. Würden die von Ihnen geforderten „Gemeinschaftsschulen“ die Integration lernschwacher und geistig behinderter Kinder fördern?
DB: „Wir wollen die so genannte Inklusion. Wir wollen also, dass geistig und körperlich behinderte Kinder in Regeleinrichtungen auch betreut werden. Das wird man aber nur schaffen, wenn man die Qualität anreichert. Es setzt nämlich voraus, dass diese Kinder und Jugendlichen in den Schulen begleitet werden. An diesem Ziel arbeiten wir schon lange, weil auch da andere europäische Staaten deutlich weiter sind, als Deutschland.“
NE: In der letzten Ausgabe des Spiegels ist ein Artikel zu finden, der besagt, dass gerade Jungendliche in der Pubertät weniger den trockenen, theoriebezogenen Unterricht benötigen, sondern viel eher in die Welt hinausziehen müssen und Lebenserfahrungen sammeln sollten. Schulfreunde von mir haben drei Wochen lang auf Bauernhöfen weit von ihrem Zuhause entfernt hart gearbeitet. Sie sind viel selbstständiger und mit einem anderen Verständnis für das, was wirklich wichtig ist, zurückgekommen. Könnten Sie sich einen Ausbau in diese Richtung vorstellen?
DB: „Wir sind dabei, die Frage einer stärkeren Vernetzung von Lebenspraxis und Schulen zu diskutieren. Ich bin Gewerkschafter, ich höre häufig die Klagen von Unternehmen, dass Schülerinnen und Schüler nicht hinreichend auf die betriebliche Praxis vorbereitet sind. Daher glauben wir, dass es sinnvoll ist, Kooperationen mit Firmen und anderen Institutionen und Schulen zu fördern. Schüler sollen Alltage kennen lernen, Praktika machen, vielleicht auch in den Schulferien arbeiten, um Erfahrungen zu sammeln. Ob man generell längere Praktika außerhalb der Heimatstadt realisieren kann, ist eine Frage, die noch zu diskutieren wäre. Ich glaube, man muss schauen, ob das für die Jugendlichen Ziel führend ist, oder nicht.“
NE: „Bildung von Geburt an ist die entscheidende Grundlage, sowohl für die Entwicklung eines Menschen, als auch für die Entwicklung unserer Wissensgesellschaft“, erklärt Ihre Partei. Ich habe meine Kindheit in einem Wuppertaler Waldorf- Kindergarten verbracht und meine Bildung bestand dort aus Malen mit Wachsmalstiften und Spielen hinter dem rosafarbenen Haus. Diese Zeit hat mich stark geprägt und positiv beeinflusst. Was stellen Sie sich unter frühkindlicher Bildung vor?
DB: „Frühkindliche Bildung ist aus unserer Sicht Bildung, die nicht verschult ist. Wir wissen, dass gerade Kinder vor der Schule Förderung brauchen, um sich die Eigenschaften zu erarbeiten, die sie brauchen um im schulischen Alltag erfolgreich zu sein. Das heißt, wir brauchen genügend Freiraum, in dem sich die Kinder entwickeln können. Aber auch da gehört aus unserer Sicht mehr Qualität hinein, als wir zum jetzigen Zeitpunkt haben. Die Erzieherinnen und Erzieher beklagen sich über zunehmenden Arbeitsdruck. Auch hier gilt was ich für die Schulen gesagt habe: Wir brauchen mehr Geld im System, um Qualität zu erreichen. Wir müssen jetzt den Schritt gehen – wie andere europäische Staaten auch -, Erzieherinnen und Erziehern eine universitäre Ausbildung anzubieten. Internationale Studien sagen, dass gerade die ersten Jahre ganz entscheidend sind für die Frage der Leistungsfähigkeit in späteren Zeiten.“
NE: Ich habe jetzt auch gelesen, dass es schon Kindergärten gibt, in denen Chinesischunterricht angeboten wird…
„Ja, das finde ich falsch, ich bin ganz deutlich gegen eine Verschulung des Systems, ich glaube, Kinder brauchen eher Arbeit an den Basics, um dann im schulischen System erfolgreich sein zu können.“
Weiter mit:
Ich hatte nie vor, als Stichwortgeberin missbraucht zu werden. Ich wollte lediglich meine Fragen zu seiner Politik direkt und unmittelbar von ihm beantwortet bekommen. Das Interview war also keine Diskussionsrunde, für die auch an dieser Stelle weder Zeit noch die Situation gewesen wäre, sondern sollte nur die Fragen, die für mich relevant waren, beantworten.
Allerdings wäre ich gerne bereit, noch im ein oder anderen Thema nachzuhaken.
„Seit etwa einem Jahr wird ein Gebäude unserer Schule ohne erkennbare Fortschritte saniert. Alle Klassen meiner zehnten Stufe wurden in zu kleine Baucontainer ohne fließendes Wasser und mit nur bedingt funktionstüchtigen Heizkörpern umquartiert, was zu enormer Unzufriedenheit und dadurch entstehende Demotivation führt.“
Diese Formulierung ist mir selber dann doch etwas zu schwammig. Ich bin selber Schüler des Gym Bays und habe einen andere Sichtweise auf die geschilderte Situation.
Fortschritte der Sanierung sind für Schüler natürlich schwer sichtbar, da sie sich im Innengebäude befinden und keiner Zugang hat. Aber Fakt ist, dass täglich Bauarbeiter am Werken sind. Es ist also kein stillgelegter Bau.
In den Baucontainer habe ich selber auch ein Schuljahr Unterricht enthalten und habe es als sehr angenehm empfunden teils sogar angenehmer als in „normalen“ Klassen, da man in den Container weder Baulärm mitbekommt, noch flüssige Massen von der Decke tropfen. Die Container sind voll ausgestattet. Nur ein Wasserhan fehlt.
Viel schlimmer empfinde ich, dass die Heizkörper von der Stadt geregelt werden. Während im Wetter in den ersten Schneetagen die Klassenräume unterkühlt sind, fällt uns jetzt das Atmen schwer, weil die Heizungen immernoch nicht runter gedereht worden sind.
Oha, Herr Bell hat sich eine Bauchrednerpuppe angeschafft?
Hübsche Stichwortgeberin.
ich bitte doch um etwas mehr Respekt besonders vor der Interviewerin. Sie als Bauchrednerpuppe oder hübsche Stichwortgeberin zu bezeichnen, ist angesichts ihrem ehrlichen Interesse frauenfeindlich und unqualifiziert. Ich freue mich über Schüler, die sich engagieren und den Politikern direkt auf den Leib rücken, um sie zu befragen. Das sich ihre Ansichten/Erfahrungen zum Teil mit denen von H. Bell decken spricht doch in gar keinem Fall gegen sie, sondern eher dafür, dass Herr Bell nah an der Realität ist.
Nur dass es so klingt, als hätte Herr Bell die Fragen selbst formuliert .. oder vorher mit ausgesucht .. von einem „auf den Leib rücken“ kann hier kaum die Rede sein.
Aber Frau Eckstein will ich ihr ehrliches Interesse und ihre Ambitionen gar nicht in Abrede stellen: Das ist sicher keine einfache Situation und Politiker sind nun mal halt Politiker ;o)