18.06.2010Georg Sander
Oberbürgermeister Jung sieht neue NRW-Regierung kritisch
Jung hatte unmittelbar nach der Landtagswahl im Mai dieses Jahres bereits deutlich gemacht, dass aus seiner Sicht schnell stabile Regierungsverhältnisse erforderlich seien. Inwiefern es einer nun offenbar angestrebten Minderheitsregierung gelingen werde, diese Stabilität zu erreichen, werde man kritisch und aufmerksam verfolgen müssen. Das Land stehe vor großen Herausforderungen und schwierigen Diskussionen um Lösungen für die Zukunft.
Peter Jung, der seit kurzem auch dem NRW-Städtetag vorsteht, erklärte, angesichts der vielfältigen Probleme der Städte und Gemeinden sei es zwingend, dass alle Akteure auf Landesebene ihrer Verantwortung gerecht werden, „damit die wichtigen und dringenden Aufgaben im Sinne der Menschen in Nordrhein-Westfalen endlich angegangen werden.“
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Dass der Oberbürgermeister Peter Jung (CDU) kein Vertrauen in eine rot-grüne Landesregierung hat, kann ich ob seiner schlechten Erfahrungen mit einer CDU-geführten Landesregierung verstehen. Aber es ist meine feste Überzeugung, dass eine rot-grüne Landesregierung die fatalen – unter schwarz-gelb gemachten – Entscheidungen schrittweise wird korrigieren können. Vor allem das für die Städte ruinöse „Privat vor Staat“-Dogma wird keinen Bestand haben.
Wenn alle(!) Akteure ihrer Verantwortung gerecht werden, werden die sich immer weiter auftürmenden Probleme bestimmt gelöst.
Gesine Schwan hat gestern in ihrer Gedenkrede zum 17. Juni auf die kommunale Finanzkrise und deren Auswirkungen auf die Demokratie hingewiesen:
„Muss die Distanz zu unserer Demokratie nicht wachsen, wenn sie angesichts von noch mehr Millionären nach, ja infolge der Krise nicht zur Kasse gebeten und umgekehrt trotz einer drastischen und beschämenden Kinderarmut – über zwei Millionen Kinder wachsen in unserem reichen wiedervereinigten Deutschland armutsgefährdet auf und haben kaum eine reelle Chance auf angemessene Bildung und auf die Freiheit, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen –, wenn angesichts dessen bei Familien und Hartz-IV-Empfängern, viele von ihnen alleinerziehende Mütter, gespart würde?
Wenn die kommunalen Haushalte, die auch durch die Bankenrettung ausgeblutet sind, ihren Aufgaben gerade gegenüber den Schwächeren in unserer Gesellschaft nicht mehr nachkommen können? Das wäre eine Normerhöhung besonderer Art. Um an den 17. Juni 1953 zu erinnern.
…
Die Finanz- und Wirtschaftskrise spannt unser System bis zur äußersten Grenze an. Doch der autoritäre Weg, die Folgen der Krise durch weniger Demokratie gleichsam beiseite zu drücken und zu überspielen, ist uns verwehrt. Das lehrt uns das Beispiel des 17. Juni. Wir dürfen auf die das ganze System herausfordernde Krise nicht mit weniger, sondern wir müssen mit mehr Demokratie darauf antworten. Nur so können wir unsere Probleme nachhaltig, weil gemeinwohlorientiert lösen.
Unsere Verfassung bietet uns die politische Freiheit, unser Gemeinwesen mitzugestalten, nicht als Ware an, die wir einfach individuell für unsere privaten Zwecke konsumieren können, sondern als eine verantwortliche Aufgabe, die uns auch in die Pflicht nimmt, an der Stelle, an der wir jeweils stehen, für gute Lösungen zu sorgen. Das gilt für jeden Einzelnen in unserem Land.
…
Die am 17. Juni geforderte Freiheit ist ein hohes unverzichtbares Gut und zugleich eine – manchmal anstrengende, unbequeme – Verpflichtung für uns alle, nicht nur für die Politik. Je verantwortlicher wir dieses Gut bei Wahlen oder im öffentlichen Engagement handhaben, desto besser sind auch demokratische Politikerinnen und Politiker in der Lage oder sogar gezwungen, sich genauso verantwortlich zu verhalten. Am besten ist es, wenn wir diese Verantwortung nicht so sehr als bedrohliche Pflicht, sondern als stimulierende Chance begreifen, die Ressource zu mobilisieren, die uns immer bleibt: unsere Fantasie, unsere Tatkraft und unsere Freude am eigenen Vermögen, etwas zum Guten zu verändern.“ Zitatende
Die Rede im vollen Wortlaut: http://www.welt.de/debatte/article8086598/Die-Gedenkrede-von-Gesine-Schwan-im-Wortlaut.html
Nun ja – das ist ja nun wenig überraschend.