Populismus und Klimapolitik – grüner wird’s nicht

Eine Veranstaltung in der City-Kirche

Wie beeinflusst der aktuelle Populismus die Klimapolitik – das war die Frage am Dienstagabend in der City-Kirche. Beantworten wollten die Frage Sonja Thielges von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, Bernd Sommer von der Universität Dortmund und Fritz Reusswig vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. In je einer guten Viertelstunde versuchten die drei vor gut 160 Gästen, das Problem auf ihrem Forschungsfeld darzustellen und mögliche Lösungen zu entwerfen.

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Um es vorwegzunehmen: Es gelang nicht oder es gelang nur schlecht. Zunächst reihte Manfred Fischedick vom Wuppertal Institut routiniert vom Pult herab Floskel an Floskel: Von Handlungsdruck war die Rede, von kommunikativen Fehlern; gefordert seien nunmehr starke Beteiligungsformate, Teilhabe und Empowerment sowie ein stetiges Nachsteuern angesichts komplexer Prozesse.
Man fragte sich allerdings bereits hier, ob nicht gerade solch blasse Floskeleien eher das Problem markieren als eine Lösung beschreiben: Wenn der Populismus heute aufblüht mit seinen völkisch deftigen Parolen und Drohgebärden, dann sicherlich auch als eine idiosynkratische Reaktion auf eine Sprache verdinglichter Wissenschaft und phrasenhaft verdichteter Erkenntnis.

Nach einem Intermezzo der Rektorin der Bergischen Universität Birgitta Wolff ging es dann zur Sache: Sonja Thielges erläuterte die Änderungen der Klimapolitik der USA – die sich mit Trump und nach Biden einfach auf den einfachen Nenner bringen lässt: Erlangung der Energiedominanz, Senkung der Energiepreise und weitgehender Rückzug aus der internationalen Klimapolitik und Klimaabkommen. Dass diese Art von Klimapolitik die Bedrohlichkeit des Klimawandels oder diesen selbst leugnet, ist allerdings keine unbedingt neue Erkenntnis. Bedauerlicherweise nahm die Referentin dies nicht zum Anlass, nach dem Grund dieser massenhaften Verleugnung durch die amerikanischen Wähler und im amerikanischen Kongress zu fragen.

Bernd Sommer rückte dem Problem der Verleugnung des Klimawandels und dem damit verbundenen Kulturkampf dann konkreter auf den Leib – im Kampf ums Heizungsgesetz, ums Schnitzel und um das Verbrennerauto sowie im ungebrochenen Wunsch der Deutschen nach dem eigenen Haus. So rührte er an Themen, die er als Verteilungs- und Raumkonflikte sowie als Kampf um die richtige Lebensführung vorstellte.

Fritz Reusswig als Soziologe wollte auf Emotionen als den entscheidenden Faktor in der Auseinandersetzung in der Klimapolitik hinweisen: Unterschätzt werde die emotionale Dimension des Problems. So hätten Gefühle wie Angst, Vertrauen und Hoffnung auf der einen Seite sowie Wut, Furcht, Misstrauen und Hass auf der anderen Seite die entscheidenden Treibmittel für die Narrative von Klimaaktivisten und Klimagegnern. Reusswig warnte vor einer moralisierenden Zeigekultur und hatte als lebhafter Redner immerhin die Lacher auf seiner Seite.
Der von ihm beschworene „affective turn“ in den Wissenschaften, der die Gefühle nicht länger gegen die Vernunft setzen will, ist aber eher ein Rückschritt zu der Lebensphilosophie des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Seine Forderung, „Gefühle umzuprogrammieren“ zeigt wohl am besten die Vermessenheit einer Wissenschaft, die mit der zweiten Natur des Menschen und seiner Freiheit umzuspringen gedenkt wie mit einem Objekt der Naturwissenschaften.

Die anschließende Diskussion der drei brachte wenig Neues: Es gab einen bescheidenen Dissens zwischen Fritz Reusswig und Bernd Sommer darüber, ob es in der Politik mehr um positivere Narrative (Reusswig) oder mehr um empirische Wissenschaft gehen sollte. Sonja Thielges führte aus, dass Biden zwar immer seine klimapolitischen Maßnahmen mit dem Hinweis auf mehr Jobs und das Gemeinwohl begründet habe, am Ende aber der Reduction Inflation Act auch deswegen von Trump einfach unterlaufen werden konnte, da kaum ein Amerikaner diesen Zusammenhang wirklich verstanden habe.
Auch die anschließenden Wortmeldungen aus dem Publikum waren nicht geeignet, das Problem des Populismus als Feind der Klimapolitik zu vertiefen: Es ging um Bürgerräte als Gegengift zum populistischen Diskurs, um südafrikanische Gewerkschaften sowie um die G20 als mögliches Gremium einer neuen internationalen Klimapolitik.

Wesentlich Neues oder Erhellendes gab es somit an diesem Abend nicht zu erfahren. Die wiederholten Forderungen nach mehr Bürgerbeteiligung und Bürgerräten gibt es seit Jahren, und seit Jahren sind populistische Parteien in Deutschland auf dem Vormarsch. Ob Populismus mit Bürgerbeteiligungen und Bürgerräten erfolgreich zu bekämpfen ist, darf also bezweifelt werden. Gerade dort nämlich erfahren diejenigen, die sich als von den Eliten verratenes Volk begreifen, einmal mehr ihre Machtlosigkeit angesichts der eloquenten und rhetorisch versierten Wortführer einer anderen Klasse.

Vielleicht aber ist das Verständnis des populistischen Ressentiments gegenüber der Klimapolitik einfacher als gedacht: Wem auf der Arbeit, in der Behörde oder im Jobcenter täglich klargemacht wird, wer das Sagen hat, sucht seine Freiheit woanders – mit Eigenheim und Auto – und genießt das Schnitzel im leicht gewinnbaren Kampf um Autonomie. Seine Selbstbestimmung findet er dann abseits der von Akademikern besetzten Politik in den kreativen Wahnweltentwürfen der Populisten sowie in seiner Verfolgungslust gegenüber Schwächeren und Schutzlosen.
Und von den nichtssagenden Floskeln und Phrasen der offiziellen Politik des Tages reinigt er sich dann abends im lustvollen Schlammbad der Sozialen Medien.
Herrschaft wäre also an diesem Abend das Thema gewesen, wenn es um Populismus und Klimapolitik geht: Herrschaft im umfassenden Sinne – von Herrschaft von Menschen über Menschen sowie von Menschen über Natur als bloßer Roh- und Brennstoff. Solange diese Herrschaft blind und unreflektiert bleibt, wird kein Kraut gegen die populistische Versuchung oder ihre Verleugnung des Klimawandels wachsen.

Und so hätte sich auch der Blick der Wissenschaftler wohl besser nach innen richten sollen: auf ihre eigene Fremdbestimmtheit sowie ihre erzwungenen Anpassungsleistungen in einem Wissenschaftsbetrieb, der Loyalität über Wahrheit, Reputation über Diskussion sowie Publikationsdichte über eigentliche Erkenntnis stellt.
Solange Wissenschaftler ihrer Mentalität gesteigerter Anpassungsbereitschaft nicht entkommen können, werden sie das Phänomen des Populismus nur als Verirrung, Ungeschicklichkeit oder Verblendung verstehen können – nicht aber als Selbstermächtigung der Vielen angesichts ihrer täglich erfahrenen Unfreiheit und der entleerten Sprache des Politik- und Wissenschaftsbetriebs.

 

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