21.03.2025

Reicht euch die Hände

Greenpeace und das Wuppertaler Friedensforum zur Aufrüstung in Europa

Am Montagabend ging es in der Alten Kirche in Oberbarmen um die Aufrüstung in Europa: Das Wuppertaler Friedensforum und Greenpeace Wuppertal hatten Alexander Lurz eingeladen, Mitautor einer Greenpeace-Studie zum Kräfteverhältnis von NATO und der Russischen Föderation.

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Der Eingeladene referierte gut gelaunt vor gut vierzig Zuhörern eine Stunde lang die entsprechenden Zahlen aus der Studie: Die Rede war von Rüstungsausgaben, Großwaffensystemen, Truppenstärken, Einsatzbereitschaft, Rüstungsproduktion und Atomwaffen. Und das Ergebnis war eindeutig: Die NATO sei Russland in fast allen militärischen Belangen weit überlegen; selbst die europäischen NATO-Staaten lägen in ihren Militärbudgets, Truppenstärken und Großwaffensystemen insgesamt weit vor Russland. Wiederholt räumte der Referent dabei die Schwierigkeiten eines Vergleichs der militärischen Kräfteverhältnisse ein; am Ende aber stand die Zahl von 430 Milliarden zu 300 Milliarden US-Dollar Rüstungsausgaben zuungunsten der russischen Seite.

Unerwähnt blieben die russischen Schatten-Haushalte und -Kredite an russische Rüstungsfirmen, chinesische Dual-Use-Lieferungen im Rahmen einer strategischen Partnerschaft mit Russland, unerwähnt blieben auch iranische Drohnen, afrikanische Söldner und nordkoreanische Artillerie, unerwähnt blieb die hybride Kriegsführung Russlands und die mangelnde Ausrüstung der europäischen Armeen.
Nicht geredet wurde auch von der Unterlegenheit Europas in Hinsicht auf elektronische Kriegsführung, auf die mangelnde Kampferfahrung und die ungelenke Koordination der zwei Dutzend Armeen auf dem Kontinent angesichts eines drohenden Rückzugs der amerikanischen Armee. Dabei wäre gerade dieser Rückzug mit dem Verlust der amerikanischen Kommandostruktur für die Sicherheit in Europa kaum abschätzbar, geschweige denn in Zahlen auszudrücken.

Ebenso wenig war die Rede von der Dynamik der nuklearen Abschreckung: Dass Russland nach einem Rückzug der amerikanischen Nuklearwaffen die europäischen Gesellschaften erpressen und mit kleineren Vorstößen auf das Bündnisgebiet die Verteidigungsbereitschaft der Demokratien testen und weiter spalten könnte, wurde weder vorgetragen noch diskutiert.

Die Schlussfolgerungen, die der Referent aus seinen Zahlen zog, unterschieden sich dabei nicht wesentlich von den Vorschlägen anderer Rüstungs- und Militärexperten aus Deutschland: Reform der Bundeswehr und ihres Beschaffungswesens, Europäisierung der Rüstungsproduktion, Schaffung einer europäischen Armee (mit Fragezeichen), vermehrte Anstrengungen zur Rüstungskontrolle und eine Konzentration auf die Landesverteidigung. Dass darüber hinaus Europa vermehrt politische und diplomatische Anstrengungen zur Beendigung des Krieges unternehmen sollte – geschenkt: eine Floskel, die heute kaum ein Redner oder Diskutant auslässt.

Die Wortmeldungen aus dem Publikum ließen allerdings eine gewisse Unzufriedenheit mit diesen eher pragmatischen Schlussfolgerungen des Referenten erkennen. Man sprach von Kriegstreiberei des Westens, vom Feind, der im eigenen Lande stehe, von Russophobie und davon, dass der Westen die Istanbuler Friedensverhandlungen 2022 hintertrieben habe – Bekanntes aus der Gedankenuntiefe von Pazifisten, die eher das Opfer für die erlittene Gewalt in Haftung nehmen wollen als den Täter für seine Untaten.
Die Namen Butscha und Irpin als symbolische Orte russischer Zerstörung, planmäßiger Ermordung und Folterung von ukrainischen Zivilisten blieben an diesem Abend unausgesprochen. Ohne ein Mitgefühl mit den Opfern und mit einer vorsätzlichen Phantasielosigkeit in Bezug auf das, was der russische Staat den Bevölkerungen Europas anzutun bereit ist, bleibt die knapp behauptete Überlegenheit der NATO wenig beruhigend.

Am Ende des Abends aber sollte alles wieder gut werden. Greenpeace sang: „Gebt weiter die Botschaft vom Frieden und reicht euch die Hände.“ Bleibt zu hoffen, dass die Menschen in der Ukraine bis zu einem echten Friedensschluss nicht nur ihre Hände, sondern auch ihr Leben und ihre Freiheit behalten können.

 

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