Schwebebahnausfall: Dinge, die die Welt nicht braucht.

Häufige Uesache: Funkabbruch.

Erst am 16. Mai 24 hieß es wieder: „Die Schwebebahn kann aufgrund einer technischen Störung zurzeit nicht fahren.“ – Genaue Angaben machen die Wuppertaler Stadtwerke (WSW) am liebsten gar keine mehr, denn zu oft hieß die Ursache „Ein Triebwagen hat den Funkkontakt verloren.“

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Die Schwebebahn kam über 100 Jahre ohne Funk und Software aus. Die Signaltechnik bestand vereinfacht aus verkabelten Magnetsensoren an der Strecke (Balisen) und Lichtsignalen an den Ausfahrten der Stationen. Der Leitstand konnte am Gleisbild per Lampe jeden belegten Streckenabschnitt (Block) sehen. Kurzum: die Technik, die ein zwölfjähriger aus dem Elektrobaukasten zusammenbauen kann, ist einfach gehalten und damit praktisch ausfallsicher.

Weil das mit dem Betriebssystem aus den 1960er-Jahren so gut funktioniert hat, müssen die Wuppertaler bei den babyblauen Triebwagen („Generation 15“) unbedingt ein wenig mit futuristischer Technik auf Softwarebasis malträtiert werden. Die Zeit der Kinderkrankheiten ist nach acht Betriebsjahren der GTW15 aber ebenso vorbei wie die Geduld nicht nur der Fahrgäste.

Ein Gutteil der „technischen Störungen“ der Schwebebahn sind darauf zurückzuführen, daß ein Triebwagen die Funkverbindung „verliert“. Obwohl seit Einführung der GSM-R-Technik in den 1990er-Jahren [2] Probleme mit der Funktechnik dokumentiert sind, hat man im Hause WSW weder über die technische Notwendigkeit, noch über eine Rückfallebene nachgedacht. Zwar ist der Funkkontakt nicht systemrelevant, um diesen redundant (doppelt) auszulegen – andererseits doch so sicherheitsrelevant, daß bei Funkabbruch gleich der ganze Schwebebahnbetrieb eingestellt wird. Kabeldiebe, die bei der Eisenbahn vermehrt auftreten und daher eine Funkverbindung wünschenswert erscheinen lassen, sind die der Schwebebahn m.W.n. nicht aktenkundig.

Dinge, die die Welt nicht braucht – nur die neue Schwebebahn hat’s

Ein weiteres Beispiel, das unbedingt als Software realisiert werden muß: Der Fahrgastalarm (Notsignal). In der Vergangenheit hat man zwei Drähte zwischen Alarmhebel und einer Bimmel im Fahrerhaus geschaltet. Zieht der Fahrgast am Hebel, schließt sich der Stromkreis und die Bimmel geht los. Setzt der Fahrer den Hebel mit seinem Schlüssel zurück, öffnet sich der Stromkreis und das Bimmeln hört auf.

Es ist Montag, der 12. Juni 2023. Zwischen Döppersberg und Ohligsmühle zieht im Triebwagen 15 ein Fahrgast wegen eines medizinischen Notfalls den Alarmhebel. Während sich der Notarzt um den medizinischen Patienten kümmert, heißt es für die Triebwagenführerin, einmal durch den ganzen Triebwagen zu laufen, den Heben zurückzusetzen, sich wieder ins Fahrerhaus zu setzen und weiterzufahren.

Murphys Gesetz nervt Mitarbeiter und Fahrgäste

Denkste. Zwar haben die Programmierer der betablauen Triebwagen bei dem Ereignis „Notsignal zurücksetzen“ daran gedacht, brav die Meldung „Zug ist fahrbereit“ im Fahrerdisplay anzuzeigen. Offenkundig haben sie aber vergessen, dabei auch den Alarmton abzustellen. Denn im Fahrerhaus tönt das nervtötend grelle Alarmsignal auch nach einer halben Stunde noch, bis eine sichtlich genervte WSW-Mitarbeiterin die Steh- und Sitzgäste anweist, auszusteigen.

Nach der aktuellen Betriebsstörung am Donnerstag durften sich die Fahrgäste übrigens ganz im Sinne von Murphys Law zurechtwürfeln, wann die nächste Schwebebahn kommt: zwischen zwei und 14 Minuten war nämlich alles dabei. [4] Und die nächste Betriebsstörung kommt bestimmt – dank Dinge, die die Welt nicht braucht und vor der Generation 15 in der Form gar nicht vorhanden war.

Quellen und Verweise

[1] European Train Control System, Wikipedia,
https://de.wikipedia.org/wiki/European_Train_Control_System

[2] Global System for Mobile Communications – Rail(way) (GSM-R),
https://de.wikipedia.org/wiki/GSM-R#Herausforderungen

[3] Murphys Gesetz
https://de.wikipedia.org/wiki/Murphys_Gesetz

[4] Nach Wiederaufnahme des Betriebs am 16.05.24 belief sich die Taktfolge in Höhe Kluse Richtung Oberbarmen auf 4-5-5-3-4-4-10-9-2-7-2-4-12-2 Minuten, Richtung Vohwinkel auf 7-2-6-2-3-14-2-7-4-3-4-6-5-9-2 Minuten.

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Kommentare

  1. N. Bernhardt sagt:

    Die Idee mit ETCS und Funk war wohl eine (Schnaps-)Idee und Vorgabe der Stadtwerke bei der Ausschreibung für die neuen Gelenktriebwagen. Einerseits wird ETCS als das goldene Kalb der Sicherungssysteme (auch für den automatisierten Betrieb) angebetet, andererseits bei der Schwebebahn wieder in einer Spezialversion mit jahrhundertealten festen Blockabständen (anstelle der üblichen Moving Blocks) realisiert, vgl. auch Metro in Frankreich unter:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_automatischer_spurgef%C3%BChrter_Systeme

    Viel weitreichender ist aber die Änderung der bewährten Längsaufhängung der Drehgestelle am Wagenkasten. Von Kaiserwagen bis GTW72 war die Federung längs am Wagenkasten aufgehängt, d.h die Drehgestelle federten zum Wagenkasten in Fahrtrichtung innerhalb des definierten Lichtraumprofils. Beim Halt in der Station ist dann vielleicht das Drehgestell bereits stehengeblieben, während der Wagenkasten noch einige Zentimeter in Fahrtrichtung weiterlief (oder umgekehrt).

    Das muß beim GTW15 plötzlich auf quer geändert werden. Auch wenn der Hersteller für die Drehgestelle garantieren kann, daß diese maximal 15 Grad zur Seite ausschwenken, gilt das für den Wagenkasten eben nicht mehr.*) Und so ärgern sich Fahrgäste über die langsame Museumsbahn, die eigentlich zum Berufsverkehr alle zwei Minuten fahren sollte, aber dafür nicht 31, sondern 40 GTW bräuchte.

    Das scheint sich auch auf eine ungleichmäßige Abnutzung der Radprofile auszuwirken. Sonst kämen manche „Rappelkisten“ nicht nur in Links- oder Rechtskurven mit einer weithin hörbaren Kerbe oder Flachstelle (bumm-bumm-bumm) oder als Eierkiste daher (weil sie eiert und dann nicht quiiiiietscht sondern bei jeder Radumdrehung nur quie… quie… quie… quie… macht).

    ____
    *) lt. WSW-Ingenieur. Den Zusammenhang mit den Geschwindigkeitsbeschränkungen und unrunden Abnutzungen der Radreifen kann man sich selbst herstellen.

    1. Benjamin sagt:

      Das ist aber Unfug. Die Verletzung des Lichtraumprofils wurde mit dem vom Hersteller (falsch) konstruierten Drehgestellten begangen. Schließlich ist ein Teil des Drehgestells am Gerüst angeschlagen und kein Teil des Wagenkastens. Die Drehgestelle können demnach minimal mehr als 15 Grad pendeln.

      1. N. Bernhardt sagt:

        Die Pendelbegrenzer befinden sich aber an den Drehgestellen, nicht an den Wagenkästen.

  2. Susanne Zweig sagt:

    Die Schwebebahn ist schienengebunden. Die Trasse für ein Datenkabel ist also schon da und liegt vandalismussicher in 12 m Höhe über der Wupper. Funkabbrüche ausgeschlossen. Daten über Zeitpunkt, Ort, Wagennummer und Geschwindigkeit kosten zusammen keine 10 Bytes.

    Bei jedem halbstündigen Ausfall entsteht ein volkswirtschaftlicher Schaden von grob 6000 € (20 stehende Wagen à 40 Fahrgäste à 15 € Stundenlohn). Das Geld für eine kabelgebundene Redundanz wäre so gesehen schnell zusammen.

  3. Und dabei ist in Wuppertal eine weltweit tätige Firma ansässig, die den Funkverkehr bei Formel 1 WM Rennen zwischen mit 300 km rasenden Autos und den Boxen zuverlässig garantiert. Ob die nicht auch den Funkverkehr zwischen langsamer Schwebebahn und der Zentrale revolutionär verändern könnte: zu einem wirklich zuverlässigen Sicherheitsinstrument der Schwebebahn?

  4. N. Bernhardt sagt:

    Die Fahrerin hat nicht nur einfach, sondern sogar mehrfach quittiert. Wenn die Anzeige „Zug ist fahrbereit“ anzeigt und der akustische Alarm trotzdem weiterfiept, ist doch was am System faul. Die Frau hätte eigentlich Kilometergeld bekommen müssen, so oft wie die zum Nothebel nach hinten und wieder nach vorne in die Kabine gerannt ist.

    Wäre doch nett, diese ganzen Metadaten auf der WSW-Website im Rahmen der Open-Data-Initiative abrufen zu können.

    Tatra, äh, Tetra mit ETCS L3 – wo gibts das denn (sonst)? Die Technik, die dahintersteckt, ist dem Fahrgast ja auch egal. Die Tatsache, daß Funk vorher nicht vorhanden war und nun für zahlreiche Ausfälle im Betrieb sorgt, ist das wesentliche. Alleine, daß ich den halben Vorderwagen des Kaiserwagens mit Technik vollstopfen muß, um mit dem aktuellen Betriebssystem fahren zu können, ist doch Wahnsinn. Eine Rückfall- oder Ersatzebene wie einen Linienleiter und Balisen für eine ernsthafte Sicherungstechnik nach KISS-Prinzip gibt es offenbar auch nicht.

    Und: GSM-R paßt genauso wie TETRA zur Museumsbahn. In ein paar Jahren kann man die ganze Hardware der GTW15 auf den Müll schmeißen und auf FRMCS-Funk umrüsten. Das ist aber auf einer 13,3 Kilometer langen Strecke eines Nahverkehrsmittels mit Fahrweg auf eigener Ebene ungefähr so, als würde ich mein Pedelec mit Octacore-Laptop, Windows, obligatorischem Schlangenöl (Antivirus), Intrusion Detection Software pp. ausrüsten, nur um damit die Softwaresimulation für die Blinker (Fahrtrichtungsanzeuger) zu betreiben. Redundant mit 500Wh-Akku wohlgemerkt.

  5. Benjamin sagt:

    Ergänzend dazu noch läuft die Schwebebahn-Zugsicherung überhaupt nicht über GSM-R sondern TETRA-Funk.

  6. Benjamin sagt:

    Dann hätte die Fahrerin, den Notsignalton auch einfach mal quittieren sollen. Ein Beitrag, der an Polemik kaum zu überbieten ist. Jedem halbwegs denkenden Menschen sollte klar sein, dass ein Signalsystem aus den 1960er-Jahren ersatzteilmäßig immer schwieriger wird und die Zulassung des selben Systems „in neu“ heute nicht mehr zulässig wäre.

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