Sind die hohen Wassergebühren in Wuppertal gerechtfertigt?

In einem offenen Brief an Oberbürgermeister Andreas Mucke bittet Werner Foltin um Aufklärung.

– Offener Brief –
18. Juli 2016

Wasserentgelte für leitungsgebundenes Trinkwasser in Wuppertal
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

der juristische Streit zwischen den Wuppertaler Stadtwerken und dem Bundeskartellamt über die hohen Wasserpreise in Wuppertal wurde am 19.10.2015 durch einen Vergleich beendet. Der Kernpunkt des Vergleichs ist die Rückerstattung von 15 Mio. Euro an die Kunden wegen zu hoher Preise. Für den Zeitraum von 2009 bis April 2013 wurden Entgelte erhoben, die weit oberhalb der Preise in vergleichbaren Versorgungsgebieten liegen, so dass Bundeskartellamt.

Im Oktober 2015 habe ich in einem Leserbrief, auf den ich mich hiermit beziehe, meine grundsätzlichen Bedenken gegen den gegründeten Eigenbetrieb geäußert. Gleichzeitig habe ich auf die jetzige Problematik der Prüfung der Wasserentgelte und auf das zu praktizierende Kostenerstattungsprinzip für das Erbringen von individuellen besonderen Leistungen durch die Stadt aufmerksam gemacht.

Aus Presseberichten konnten die in Wuppertal lebenden Menschen und die ansässigen Unternehmen entnehmen, dass „die Stadtwerke ihre Wasserpreise stets fair und angemessen erhoben haben. Wir haben uns für den Vergleich entschieden, um das Risiko langwieriger und teurer Gerichtsprozesse zu vermeiden. Es wurden schon Rückstellungen vorgenommen, die über der Vergleichssumme liegen“, erklärte das Unternehmen.

Die Stadtwerke leiteten im Mai 2016 mit einem Schreiben an ihre Kunden die Rückerstattung ein und die Wasserversorgung erfolgt bereits ab 2013 durch den städtischen Eigenbetrieb und wird durch Gebühren finanziert. Weiter wurde behauptet, „dass bei der Untersuchung durch die Aufsichtsbehörde keine Überhöhung der Trinkwasserpreise festgestellt wurde.“

In dem WZ-Pressebericht vom 15.06.2016 wies der Stadtdirektor darauf hin, dass in der Sache der getroffene Vergleich dem Bundeskartellamt kein Recht zugesprochen hat und es bei der Übernahme der Wasserversorgung durch die Stadt darum geht, eine mögliche Privatisierung durch die EU-Kommission auszuschließen. Gegenüber dem Bundeskartellamt wurde die Höhe der Entgelte mit der Topografie Wuppertals und dem hohen Aufwand für die Talsperren begründet. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung zu sehen, die bisherigen Wasserentgelte „ weder zu heben noch zu senken.“

Zu dem o.g. WZ-Artikel „Stadt: Wassergebühr ist keine Flucht vor dem Kartellamt“ habe ich mich ebenfalls geäußert (Leserbrief vom 16.06.2016). Die Aussage des Stadtdirektors ist nicht zu beanstanden, wenn er sich verfahrensrechtlich auf den Vertragsvergleich bezieht. In der Sache liegt er aber falsch und eine politische Aufarbeitung durch den Stadtrat ist zwingend erforderlich.

Da ich und viele andere interessierte Bürgerinnen und Bürger bisher eine verbindliche politische Meinungsäußerung weder vom Rat noch von der Verwaltung der Stadt zu den Wasserentgelten gehört habe, wurde der Präsident des Bundeskartellamtes gebeten, sich allgemein zur Sache sowie zu seinem Vorwurf „die Stadt flüchtet sich in die Gebühren“ zu erklären. In seinem Antwortschreiben wies der Chef der Aufsichtsbehörde auf seinen erschienenen Wasserbericht 2016 hin. Aus der Veröffentlichung vom 30.06.2016 ist zu erkennen, in welchem Bereich sich die Wuppertaler Wasserentgelte und diejenigen der anderen betroffenen Städte bewegen bzw. bewegt hatten. Weiter teilte er u.a. mit:

„Angesichts der oben geschilderten Schwierigkeiten bei den Versuchen, eine Ab-
senkung bzw. Rückerstattung von Wasserentgelten gerichtlich durchzusetzen, zeigt
sich, dass es ggfs. sinnvoller wäre, eine Lösung der Probleme auf zuständiger poli-
tischer Ebene zu suchen, damit langwierige und für alle Beteiligten aufwendige
Rechtsstreitigkeiten vermieden werden. Mit Ihrem Leserbrief an die Lokalredaktion der
der WZ haben Sie bereits eine Aufklärung durch den Stadtrat gefordert.“

Zu dem genannten Sachverhalt stellen sich für mich folgende Fragen, die Sie mir bitte beantworten mögen:

1.) Warum erstatten die Stadtwerke ihren Kunden 15 Mio. Euro, wenn nicht rechtlich nachgewiesen wurde, dass tatsächlich überhöhte Wasserpreise gezahlt wurden?

 Das Argument der teuren Prozesskosten und der langen Entscheidungsfindung zieht keinesfalls, weil die tatsächliche Summe der erhöhten Kosten weit über 15 Mio. Euro liegt und schon vor dem Vergleich Rücklagen gebildet wurden.
2.) Aus welchen tatsächlichen Gründen wurde am 01.05.2013 der städtische Eigenbetrieb geschaffen?

Der Hinweis des Stadtdirektors, dass die EU-Kommission die Wasserwirtschaft privatisieren will, ist absurd, weil dadurch nach der jetzigen Rechtslage die staatliche Daseinsvorsorge aus den Angeln gehoben würde. Da auch 2013 der § 185 Abs. 1 GWB geändert wurde, ist es mehr als naheliegend „in die Gebühren zu flüchten“ um sich einem Wasserpreismissbrauchsverfahren zu entziehen.

2.) Die Wassergebühren sind öffentlich-rechtliche Geldleistungen für individuelle, besondere und zurechenbare öffentliche Leistungen.

Werden die jetzigen Wassergebühren – die in der gleichen Höhe wie die bisherigen
 Wasserpreise erhoben werden, nach den Grundsätzen des öffentlich-rechtlichen Kostendeckungsprinzip festgesetzt? 


4.) Das Bundeskartellamt hat bei seiner Untersuchung die in Wuppertal anerkannten strukturellen Schwierigkeiten berücksichtigt. In Anbetracht dieser besonderen Umstände stellt die Aufsichtsbehörde deutlich überhöhte Wasserpreise fest.
Der Sachverhalt hat sich 2015 gravierend geändert. Die Stadtwerke haben die Talsperren in Herbringhausen und Kierspe an den Wupperverband verkauft. Dadurch werden jährlich Einsparungen von rd. 1Mio. Euro erzielt. Wurden diese Veränderungen bei den Gebührenhaushalten für die leitungsgebundene Trinkwasserversorgung berücksichtigt?


Vielleicht führen Ihre Antworten trotz der bestehenden Schwierigkeiten zu einer Lösung der Probleme durch den Stadtrat. Es wäre wünschenswert, wenn der Rat der Stadt Wuppertal sich der Sache annehmen würde, damit Rechtsstreitigkeiten für die Zukunft ausgeschlossen werden.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, mir und vielen Wuppertalern sind die Finanzprobleme unserer Stadt bekannt. Das bürgerliche Engagement ist groß und es besteht nicht nur Verständnis für die besonders schwierige Haushaltslage, es sind auch viele in Wuppertal lebenden Menschen bereit, im Rahmen ihrer Möglichkeiten gemeinsam mit Rat und Verwaltung zu helfen, unsere Stadt in eine sichere Zukunft zu bringen. Das setzt jedoch voraus, dass sie mehr und zeitnah über das beabsichtigte kommunalpolitische Handeln informiert und beteiligt werden.
Die technische Abwicklung der Rückzahlung von überhöhten Wasserpreisen, dass aktuelle Hick-Hack über die Erhöhung der Grundsteuer und das wissenschaftliche und juristische Erstellen eines Regelwerks für eine Bürgerbeteiligung sind keine vertrauensbildenden Maßnahmen.

Viele Tatsachen, wie die hohen Wasserentgelte und die kommunale Steuerpolitik, erhöhen nicht nur die Wohnkosten und die Abgabelast der Unternehmen; sie sind kein Beitrag zur Attraktivitätssteigerung unserer Stadt!

Freundliche Grüße
Werner F o l t i n

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