Sinnfreie Baustellen-Beschilderung unter Landrecht

Verwaltung und Auftragnehmer öffentlicher Bauaufträge halten sich stets an die gesetzlichen Vorschriften. Ein Märchen und Kommentar.

Die als Fahrradstraße für Fußgänger verkehrsberuhigte Zone in der Luisenstraße. Gehweg auf beiden Seiten durch Baustellenschilder erfolgreich blockiert.

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Aktuell in der Luisenstraße Ecke Ostersbaumer Straße. Linke Hand Gehweg zugestellt mit einem Schild „Einfahrt verboten“ und Zusatz „Radfahrer frei“. Rechte Hand Gehweg zugestellt mit gleich mehreren sinnfreien Verkehrszeichen: Durchfahrt für Fahrzeuge verboten. Radfahrer eingeschlossen, Und: Achtung – Verkehrsführung geändert.

Wer ordnet solchen Schrott an? Wer stellt diesen Murks auf? Hier weiß im wahrsten Sinn die linke Hand nicht, was die rechte tut. Baustellenbubis haben sturmfreie Straße. Baustellen- und Sicherheitsbeauftragte gibt es nur auf dem Papier – wenn überhaupt. Jeder macht, was er will.

Und dann wundern wir uns, weshalb Blinde und Rollstuhlfahrer wegen Schrott wie diesem ganze Stadtteile meiden. Gleichberechtigung? Barrierefreie Teilnahme am Verkehr? Vergiß es.

Ich sehe schon wieder das Grinsen in einigen Vorzimmerstuben, die genüßlich die nächste Bürgeranregung „liebe Verwaltung, haltet Euch mal an die eigenen Verordnungen“ mit einem Satz und der üblichen Begründung abhaken: Der Antrag wird abgelehnt, weil die Stadt sich ja an alle Vorgaben hält. Man sieht es ja: sie tut es nicht.

Das Vorsicht-Zeichen 101 mit „Vorfahrt geändert“ hätte an der sogenannten „Fahrradstraße“ Friedrichstraße Autofahrer an jeder Kreuzung auf die geänderte Vorfahrt hinweisen können. Nee, das ginge nicht, so die Verwaltung, weil „das Zeichen nicht auf Dauer verwendet werden darf.“ Das ist natürlich Unsinn, weil die Idee von „dauerhaft“ von der Verwaltung selbst stammt. [1]

Aber wenn man wie an der Luise mit so einem Schild den Gehweg zustellen kann, dann geht das. Auf der Friedrichstraße hätte das ja nur für mehr Sicherheit für Radfahrer gesorgt, damit sie nicht gleich von Autofahrern über den Haufen gefahren werden, die von der üblichen rechts-vor-links-Regelung ausgehen, die in einer typischen Tempo-30-Zone in der Regel vorherrscht.

Fahrradstraßen sind übrigens dazu da, um den Radverkehr zu bündeln und so für diesen für mehr Sicherheit zu sorgen. Die „Fahrradstraße“ an der Luise ist hier sinnfrei, weil die Straße tatsächlich den Fußverkehr bündelt. Aber egal – Pippi Langstrumpf läßt grüßen.

Sogenannte Baustelle an der Bundesallee. Fußgänger müssen eigentlich nach Hause und ins Büro, dürfen aber nicht.

Nächstes Bild: Typische Abwicklung und „Sicherung“ einer Großbaustelle. Man stellt ein Schild „Fußgänger verboten!“ auf und hofft offenbar so, sich der Verkehrssicherungspflicht entledigen können. Wie die Leute nach Hause und zur Arbeit kommen – egal. Ersatzgehweg, ordentliche Hauszugänge und Absperrungen nach RSA [2] würden nur den bequemen Baufortschritt behindern. Wer überleben will, paßt halt auf.

Ein offener Kanal. Den sieht offenbar jeder Blinde.

Offene Kanalgruben sind ebenso wenig ein Problem wie…

Der gesamte Gehweg als gemeinsame Gehwegbaustelle.

… den Gehweg als Baulager zu verwenden. Sinngemäß als – Achtung Ironie – „gemeinsamer Fuß- und Bauweg“ (blaues Verkehrszeichen).

Streng genommen handelt es sich bei größeren öffentlichen Baustellen, die eine unvollständige, unsinnige oder fehlerhafte Baustellensicherung beinhalten, um Betrug. Denn alle größeren öffentlichen Bauvorhaben müssen (europaweit) ausgeschrieben werden. Bei Vertragsunterzeichnung mit der Stadt oder den WSW verpflichtet sich der Vertragnehmer (Bauunternehmer) zur Einhaltung der ganzen VOB-Richtlinien. Diese nehmen wiederum Bezug auf die Regelwerke „nach dem Stand der Technik“ wie die RSA [2]. Bei einer „Baustellenabsperrung“, die wie oben oder der Sandkasten im Kindergarten aussieht, entspricht die abgegebene Leistung nicht der vertraglich zugesicherten Leistung.

Last not least müssen auch Gewerbetreibende diesen Baustellenmurks ausbaden. Im Rahmen der obigen „Fußgänger verboten-Baustelle“ hat das China-Restaurant an der Bundesallee endgültig die Segel gestrichen. Aktuell jammern die Händler am Loh über starke Umsatzeinbußen, weil die Stadt ja unbedingt Loher und Schönebecker Straße über Monate gleichzeitig sperren muß. Ist das noch Zufall?

Das haben die Läden in Sonnborn zwischen Schwebebahnstation und Autobahn schon mehrfach durchgemacht: Erst war die Sonnborner Straße gesperrt und der abgeschnittene Teil nur über „Am Thurn“ erreichbar, damit die WSW ihren neuen Regen-Sammelkanal durch den Park zu bauen. Man könnte das Regenwasser in den Wuppersammler laufenlassen, legt aber ein fettes Rohr direkt in die Wupper.

Als nächstes kommen die WSW, verstärken die Gerüstfundamente mit Stahl und Beton und pumpen dabei „versehentlich“ den neuen Kanal mit Beton voll (Kennen wir das nicht von der Schloßbleiche?). Also wieder Straße sperren, Straße und Park aufreißen, Geschäfte westlich der Schwebebahnstation sind wieder abgeschnitten. Und als drittes Joch kommt der Neubau der Schwebebahnstation über mehrere Monate, wo die Geschäfte wieder abgeschnitten sind.

[1] Erhöhung der Verkehrssicherheit.
https://ris.wuppertal.de/vo0050.asp?__kvonr=28050

[2] Richtlinien zur verkehrsrechtlichen Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen – RSA 2021, erklärt auf
https://rsa-online.com/RSA-2021/RSA-21_kompakt.htm

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