15.08.2024N. Bernhardt
Tempo 30 erst bei Toten und Verletzten?
Eine „gläserne Verwaltung“ agiert im Sinne ihrer Bürger und sorgt für deren Sicherheit im Verkehr. Nicht so Amt 104, das aus seinem Panzer(glas)schrank heraus bei Bürgeranregungen vor allem seitenlang darüber schwabuliert, warum man kein Tempolimit anordnen könne.
Da ist einmal ein Wunsch nach Tempo 30 im Ortskern für Cronenberg. [1] Für eine Abteilung, die angeblich so unter Personalmangel leidet, redet diese ziemlich lange um den heißen Brei. Denn dieselbe Abteilung ordnet zur gleichen Zeit auf dem konkreten Abschnitt ein Tempolimit von 30 km/h wegen „Straßenschäden“ (Zusatzzeichen 1007-34) an und plant dies zudem in Runde Ⅳ des Lärmaktionsplans. Ein einfacher Verweis hierauf zur Anregung [1] hätte es also getan.
Zur Waldkampfbahn: Tempo 30 auf gesamter Länge
Regelrecht unverschämt wird 104 in ihrer langen Um-den-heißen-Brei-Rede [2] in der Anregung zur Anordnung von Tempo 30 zur Sicherheit der Fußgänger auf der Straße Zur Waldkampfbahn.
Weil niemand eine Tempo-30-Zone fordert, wird ausführlich darüber diskutiert. Weil niemand Tempo 30 vor der Kita fordert, wird groß und breit erklärt, wann diese angeordnet werden „sollen“. Weil im Bereich der Straße Zur Waldkampfbahn zwischen Wilhelm-Brockhaus-Weg und Gruitener Straße (aus eigener Erinnerung) seit Jahrzehnten Tempo 30 angeordnet ist, wird diese Tatsache verschwiegen und die für die Anordnung notwendige Gefahrenlage mit dem Totschlagargument „ist ja nichts passiert“ pauschal verneint.
Da die Anordnung von Tempo 30 bei Kitas auf deren Öffnungszeiten zu beschränken ist, bleibt eine Rechtsgrundlage für ein Tempolimit unabhängig von der Art der Straße nur eine vorhandene Gefahrenlage übrig. Deshalb geht 104 ausführlichst auf alle möglichen Arten der Straßen ein. Für 104 liegt natürlich keine Gefahrenlage vor, denn (Zitat): „Auf der Straße Zur Waldkampfbahn herrscht nach Rücksprache mit der örtlichen Kreispolizeibehörde keine auffällige Unfalllage.“
Mit anderen Worten: Nach der Definition von 104 liegt eine (besondere) Gefahrenlage ausschließlich dann vor, wenn die Statistik viele Tote und Verletzte ausweist. Sich ein Bild von der konkreten Gefahrenlage vor Ort zu machen, ist offenbar unmöglich oder unzumutbar.
Die Gruitener Straße ist zwischen Gruitener und Osterholzer Straße (Ortseingangsschild) als Vorfahrtstraße (Zeichen 301) und auf der obengenannten Strecke die höchstzulässige Geschwindigkeit mit Zeichen 274-30 in beiden Richtungen auf 30 km/h beschränkt. Untypisch für eine Hauptstraße haben wir in diesem Bereich sogar zwei Zebrastreifen, die die Gehwege auf beiden Seiten verbinden. Westlich Einmündung Vohwinkeler Feld ist dann gar kein Gehweg an der Häuserseite vorhanden, vgl. Foto 1. Und die Fahrzeuge von Gruiten kommen hier von außerorts mit 100 Sachen angeheizt.
Mal wieder Zero Vision statt Vision Zero.
Die Straßenverkehrs-Ordnung, speziell die an das Amt 104 gerichtete Verwaltungsvorschrift, schreibt der Behörde als verbindliche Vorgabe vor, die Vision Zero (keine Verkehrsunfälle mit Todesfolge oder schweren Personenschäden) zur „Grundlage aller verkehrlichen Maßnahmen“ zu machen. [3]
Erstens liegt entgegen der Ansicht von 104 eine Gefahrenlage zur Anordnung eines Tempolimits nicht erst bei statistisch nachweisbaren Toten und Verletzten vor. Dies ist dann vielmehr Sache der Unfallkommission, die dann die Aufgabe von 104 übernimmt und ihr die Anordnung eines Tempolimits vorzuschreiben wie Am Diek und der Berliner Straße. [4] Zweitens müßte man sich zur Einschätzung der Gefahrenlage vor Ort ein Bild des Geschehens machen. Das ist offenkundig nicht geschehen, sonst würde sich die Drucksache anstelle des heißen Breis mit der Situation vor Ort beschäftigen.
Und das heißt auch: Warum ordnet eine Behörde bei Vorhandensein zweier Gehwege im unteren Bereich Zur Waldkampfbahn Tempo 30 an, sogar mit Berliner Kissen („Hubbel“), wenn die gleiche Behörde im oberen Bereich – ohne Gehweg und am Rand der geschlossenen Ortschaft – für Tempolimits angeblich keine Handhabe sieht?
Den Anwohnern des oberen Teils der Waldkampfbahn kann man nur raten, die eigenen Fahrzeuge auf der Straße zu parken und dadurch eine legale, „natürliche“ Tempobremse zu schaffen, wenn die Verwaltung unfähig oder unwillig dazu ist.
Hinweise, Quellen und Verweise
[1] Hauptstraße, Abschnitt zwischen Amboß- und Rathausstraße:
Verkehrsberuhigungsmaßnahmen Ortskern Cronenberg, VO/0670/23,
https://ris.wuppertal.de/vo0050.asp?__kvonr=30395
[2] Einführung von Tempo 30 auf der Straße Zur Waldkampfbahn, VO/0510/24,
https://ris.wuppertal.de/vo0050.asp?__kvonr=31707
[3] Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO),
https://www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de/bsvwvbund_26012001_S3236420014.htm
[4]
(a) Die Unfallkommission hat der Straßenverkehrsbehörde (Amt 104) vorgegeben, auf der Strecke Am Diek/Vor der Beule auf der Verbindungsstrecke zwischen der westlichen und östlichen Nordbahntrasse Tempo 30 anzuordnen.
→https://www.njuuz.de/home/politik/der-dieksche-aufploeppradweg/
→ Rundschau-Kommentar: Möchtegern-Fahrradstadt
https://www.wuppertaler-rundschau.de/-105014243
(b) „Künftig teilweise Tempo 30 auf der Berliner Straße“, Wuppertaler Rundschau,
https://www.wuppertaler-rundschau.de/-117509907
Weiter mit:
Es geht im konkreten Fall um die Scheinheiligkeit, weshalb auf derselben Straße einmal eine „besondere Gefahrenlage“ bei zwei getrennten Gehwegen vorliegen soll und dort Tempo 30 angeordnet wurde, und ein andermal bei derselben Straße auf einem Teil ohne Gehweg die Gefahrenlage pauschal mit Verweis auf die Unfallstatistik verneint wird.
Die Unfallstatistik ist nicht einziges Merkmal oder Ausschlußkriterium für das Vorliegen einer Gefahrenlage. Vielmehr gibt es bei der Beurteilung der Gefahrenlage viele zu berücksichtigende Faktoren – und das Grundrecht auf Gleichbehandlung.
Im vorliegenden Fall erscheint der Ausschluß einer Gefahrenlagen ohne Betrachtung der konkreten Gefahrenpunkte willkürlich – wie so oft, wenn sich der Verdacht aufdrängt, die Verwaltung will etwas nicht. Da ist zum Beispiel die Nennung von Tempo 30 vor Kitas. Erstens ist diese Regelung kein „Soll“, sondern die Regel; dies wird in der VO nicht erwähnt. Zweitens ist eine für den Schutz der Kinder vor der Kita angeordnetes Tempolimit stets auf die Betriebszeiten zu beschränken; auch dies wird in der VO nicht erwähnt. Drittens ist die Kita-Regelung hier völlig irrelevant, weil es die Kita-Regelung gar nicht betrifft: Das Tempo 30 ohne zeitliche Beschränkung wurde lange vor Einführung der Kita-Regelung angeordnet . Auch dies wird in der VO nicht erwähnt.
Von einem Abwägungsvorgang zwischen Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs sehe ich nichts in der Vorlage. Auch zu möglichen baulichen Veränderungen wie eine Fahrbahnverengung an der Ortseinfahrt sehe ich in der Vorlage kein Wort. Stattdessen großartige Paragraphenreiterei und das Totschlagargument „wir haben mal bei der Polizei nachgefragt: Iss ja nix passiert.“
Es ist weder erkennbar, welche Überlegungen angestellt wurden, die Verkehrssicherheit zu verbessern. Es ist nicht einmal erkennbar, ob überhaupt wesentliche Überlegungen angestellt wurden, neben der Paragraphenreiterei.
Schreibt ein Richter so einen Murks in sein Urteil, würde die Revision dieses Urteil regelmäßig aufheben und an die Vorinstanz zurückverweisen.
Auch die bisherige Tempo-30-Strecke im unteren Bereich bedarf einer amtlichen, gerichtlich überprüfbaren Begründung. Falls diese überhaupt vorhanden ist, hätte man sie als Vorlage für den oberen Bereich nehmen können, wo die Gefahr für Fußgänger und Radfahrer ungleich höher ist, weil da die Fahrzeuge mit Tempo 100 in die Ortschaft reinballern, weil das Ortseingangsschild mal wieder hinter Sträuchern und Blättern versteckt leicht zu übersehen ist.
https://up.picr.de/48544382ps.jpg
Wie sich die Bezirksvertreter bei so einer Steil-Vorlage ein konkretes Bild über die Gefahrenlage und die einzelnen Möglichkeiten machen sollen, die Gefahrenlage durch Anordnung eines Tempolimits oder bauliche Maßnahmen zu reduzieren, ist mir schleierhaft. Aber die BVler lassen es ja mit sich machen: In der Regel wird der Vorlagenmurks mehrheitlich durchgewunken.
Übrigens: Die Häuser an dem oberen Teil der Waldkampfbahn standen schon lange, bevor die Häuser mit ihrem Tempo 30-Privileg auf dem unteren Teil gebaut wurden.
Im unteren Teil liegt auf einer Seite der Waldkampfbahn ein dicht bebautes Wohngebiet und auf der anderen Seite das JuB’s, der Kindergarten, ein beliebter Spielplatz, ein Altenheim und ein weiteres Wohngebiet. Entsprechend gibt es viel mehr Fußgängerquerverkehr als im oberen Teil, darunter zu jeder Tageszeit besonders Kinder. Zebrastreifen und Tempo 30 auf begrenzter Länge sind daher absolut begründet.
Wenn es nach den Unfallzahlen geht, ist ja „nur“ 2020 und 2023 je ein Unfall im Tempo-30-Bereich passiert. Das ist nach Kriterien von Amt 104 keine „besondere Gefahrenlage“, bei der an einer Vorfahrtstraße!!einself kein Tempo 30 angeordnet werden darf.
Ich kenne die Kriterien nicht, nach denen dort vor einunddrölfzig Jahren mal Tempo 30 angeordnet wurde. Ich sehe aber auch nicht, warum die Verwaltung für einen achtzeiligen Bürgerantrag vom Handy die jüngere Straßenbaugeschichte des Vohwinkeler Feldes aufkrempeln soll.
Wenn der Antragsteller dort Tempo 30 haben will, muss er einen guten Grund nennen, warum Tempo 50 nicht ausreicht, und kann nicht erwarten, dass die Verwaltung sich selbst einen ausdenkt.
Der Bürgerantrag fordert Tempo 30 über die gesamte Länge der Waldkampfbahn. Die Verwaltung lehnt das ab, und ich habe an der Begründung nichts auszusetzen.
Jeder möchte gerne möglichst schnell vorankommen, wünscht sich aber vor der eigenen Haustür Tempo 30. Das kann natürlich nicht flächendeckend funktionieren. Dafür gibt es Verbindungsstraßen einerseits und Wohnstraßen andererseits.
An Wohnstraßen überwiegt das Interesse der Anwohner an Sicherheit und Wohnqualität – also ist Tempo 30 okay. An Verbindungsstraßen überwiegt das Interesse der Autofahrer, schnell voranzukommen – innerorts also mit Tempo 50.
Die Waldkampfbahn verbindet Vohwinkel mit Mettmann. Wenn sich jeder dran hält, ist Tempo 50 im oberen Abschnitt absolut in Ordnung. Und genau das sagt mit vielen Worten auch die Verwaltung.
Wer an eine Verbindungsstraße mit schmalem Gehweg zieht, nimmt die Nachteile bei der Wohnqualität bewusst in Kauf, und kann nicht anschließend von der Allgemeinheit verlangen, auf die Verbindungsfunktion zu verzichten. Aber versuchen kann man’s.