06.11.2012Georg Sander
Über die Köpfe der Bürger hinweg
Man kann trefflich darüber spekulieren, ob Gesundheitsministerin Barbara Steffens den Lichtscheid als Standort einer Klinik für psychisch kranke Straftäter nur ins Spiel gebracht hat, um die Stadt Wuppertal auf diese Weise unter Druck zu setzen. Einiges spricht dafür.
Falls das so war, ist ihre Rechnung aufgegangen. Das Rathaus schlug Steffens viel zu schnell einen alternativen Standort auf der „Kleinen Höhe“ vor. Die neue Adresse für die Forensik hat den „Charme“, dass es dort weniger Anwohner gibt, die die Lokalpolitik für die Einrichtung der Klinik mitverantwortlich machen könnten. Außerdem grenzt die „Kleine Höhe“ praktischerweise an die Nachbarstadt Neviges, wo ja bekanntlich nicht über die Wuppertaler Politik abgestimmt werden kann.
Das Rathaus hat die forensische Klinik bereits akzeptiert
Doch mit dem eiligen Vorschlag einer Alternative zum Standort Lichtscheid haben Politik und Verwaltung die Möglichkeit aus der Hand gegeben, Wuppertal gegenüber dem Gesundheitsministerium als Standort für eine forensische Klinik generell in Frage zu stellen. Dabei gibt es zweifellos gewichtige Argumente gegen die Einrichtung, denn Wuppertal hat mit gleich zwei Gefängnissen in Vohwinkel und Ronsdorf bereits mehr Lasten geschultert als die meisten anderen Kommunen. Doch wer, wie das Wuppertaler Rathaus, dem Land ein Grundstück für eine solche Klinik vorschlägt, gibt ja damit zu verstehen, dass er sie trotz des publikumswirksam geäußerten Protestes letztlich auch akzeptieren wird. An dieser für Wuppertal fatalen Logik ändert auch die epische Rechtfertigung von Oberbürgermeister Peter Jung auf der städtischen Homepage nichts.
Basta!-Politik der schlimmsten Sorte
Auffallend ist übrigens, wie sehr sich die Wuppertaler Grünen beim Thema Forensik zurückhalten. Dafür gibt es Gründe. Ihre Partei steht wie kaum eine zweite für Bürgerbeteiligung und „Einmischung“ der Bevölkerung. Doch die Art und Weise, wie die Parteifreundin Steffens die Klinik in Wuppertal über die Köpfe der Bürger hinweg durchboxt, lässt jede Beteiligung vermissen und ist Basta!-Politik der schlimmsten Sorte. Mit hehren grünen Grundsätzen, wie sie auf der Homepage der Landespartei anlässlich einer Veranstaltung mit dem wohlklingenden Titel „Wie kann Bürgerbeteiligung gestärkt werden?“ zu lesen sind, hat das nichts mehr zu tun: „Sylvia Löhrmann und Winfried Kretschmann zeigen erfolgreich, wie mit Grüner Politik ein Bundesland gestaltet wird. Ob gelebte Demokratie bei Stuttgart 21 oder Schulentwicklung mit allen Beteiligten vor Ort – beiden ist es wichtig, die Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen und ihnen Mitwirkungsmöglichkeiten zu bieten. Einmischen ausdrücklich erwünscht!“
Probleme, die Wendungen um die Forensik plausibel zu kommentieren
Aber auch CDU-Politiker tun sich schwer damit, die Wendungen in der Diskussion um die Forensik plausibel zu kommentieren. Sichtbar wird das am Beispiel des Landtagsabgeordneten Rainer Spiecker. Der kritisierte am 24.10. die grüne Ministerin Steffens für die Entscheidung, die Klinik am „völlig ungeeigneten“ Standort Lichtscheid bauen zu wollen. Den Vorschlag seines Parteifreundes Peter Jung, die Klinik doch besser auf der „Kleinen Höhe“ anzusiedeln, begrüßte er dagegen am 31.10. als „gute Alternative“, um schon eine Woche später – wieder mit Blick auf die Grüne Steffens – festzustellen, dass es in Wuppertal „absolut keine geeignete Fläche“ für eine Forensik gibt.
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Fotos:
– Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter
– Rainer Spiecker / CDU
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