04.12.2023N. Bernhardt
Verleih-E-Scooter: Hintergrund
Vorbemerkung: Der Begriff „E-Scooter“ steht im Amtsdeutsch für einen elektrisch angetriebenen Rollstuhl bzw. eine Nummer größer mit Versicherungskennzeichen. Hier wird der Begriff (E-)Scooter jedoch für das im Amtsdeutsch „Elektrokleinstfahrzeug“ genannte Fahrzeug verwendet. Ebenso wird der Begriff E-Bikes für die Pedelecs verwendet, die ebenfalls vermietet werden (sollen).
Ursprünglich sollte das Verleihsystem von E-Scooter und E-Bikes bereits im Oktober 22 starten¹). Zwischen der Stadt Wuppertal und der Fa. LimeBike Germany GmbH (Berlin) wurde ein Kooperationsvertrag geschlossen und für den Zeitraum vom 01.10.23 bis 31.03.31 eine für das Stadtgebiet gültige Sondernutzungserlaubnis für maximal 500 Fahrzeuge erteilt¹). Die Gebühr an die Stadt beträgt pro Fahrzeug 10 Euro pro Jahr¹); Ludwigshafen berechnet beispielsweise 48 Euro pro Fahrzeug und Jahr³).
LimeBike hat am 13.10.23 mit dem Rollout begonnen und innerhalb der ersten sieben Tage rund 15.000 Verleihverträge abgeschlossen²). Der Minutenpreis beträgt 23 Cent²), hinzu kommt offenbar noch eine Reservierungs- oder Startgebühr von einem Euro. Eine Stundenflatrate kostet nach Auskunft eines Kunden (bzw. der Lime-App) rund acht Euro (gegenüber 13,80 Euro beim Minutenpreis). Über 40 Prozent der Nutzer würden auf Flatrateangebote zurückgreifen²). Eine Preisliste mit konkreten Preisen auf der Website von li.me oder sonst im Netz sucht man vergebens.
Der Rat der Stadt hat in verschiedenen Sitzungen sowohl den Entwurf des Kooperationsvertrages und der Sondernutzungserlaubnis durchgewunken⁴), als auch feste Park- und Sperrzonen für die Bereiche Elberfeld und Barmen City, Kaiserstraße in Vohwinkel, sowie die Quartiere Arrenberg, Nordstadt, Rott und Zoo beschlossen⁵). Verleihbeginn und -ende sind nur in den Parkzonen, nicht aber in den Sperrzonen möglich. Für die übrigen Stadtgebiete gilt das Freefloat-Modell und damit freie Ortswahl für Verleihbeginn und -ende.
Das Leihende kann aber auch vom Verleihsystem ausgelöst werden in folgenden Fällen:
① Der Nutzer stellt den Scooter irgendwo ab und macht die Lime-App zu. Weiter s. ②.
② Der Scooter wird für eine halbe Stunde nicht bewegt. Dann beendet das System den Leihvorgang, d.h. bucht den Scooter aus und schaltet ihn zur weiteren Benutzung frei²).
③ Der Akku wird komplett leergefahren¹) (Aussage Frau Kürten).
In diesen Fällen werden die festgelegten Sperrzonen nicht berücksichtigt.
Die vom Rat verabschiedete Sondernutzungserlaubnis schließt verschiedene Bereiche aus, in denen eine Vermietung nicht starten oder enden darf. Dazu gehören Park-und Grünanlagen, Fußgängerzonen, Wald-, Natur-und Landschaftsschutzgebiete, Spielplätze, Friedhöfe, Brücken, unbefestigte Wupperuferflächen, Verkehrsbegleitgrün (z. B: Mittelstreifen, Baumscheiben, Grünflächen im Straßenraum).
Weitere Auflagen und Bedingungen (Auszug): Parken auf Gehwegen ist ab einer Breite von mindestens 2,0 Metern, auf gemeinsamen Geh- und Radwegen ab 2,5 Meter zulässig. Auf und neben taktilen Rillen- und Noppenpflaster darf nicht geparkt werden. Falsch geparkte Fahrzeuge müssen binnen 3 Stunden beseitigt werden.
Diese Bedingungen gehen weit über die Regelungen der Straßenverkehrs-Ordnung hinaus und sind auch teils widersprüchlich. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein geparktes Auto nur dann ein Hindernis, wenn die verbleibende Gehwegbreite weniger als einen Meter beträgt. In den Innenstädten Elberfeld und Barmen sind unzählige Abstellzonen vom Rat der Stadt mitten in den Fußgängerzonen festgelegt⁴), in denen gar nicht geparkt werden darf, vgl. zwei Absätze weiter oben.
Verstöße gegen die Auflagen der Sondernutzungserlaubnis sind weder strafbewehrt, noch werden diese explizit auf Einhaltung kontrolliert: Auf Anfrage der SPD-Fraktion in der BV Elberfeld hat das Ordnungsamt „ganz früh und sehr deutlich gesagt, dass es keinerlei Personal dafür zur Verfügung stellen kann, um die Scooter noch im Nachhinein zu kontrollieren.“¹)
Die Fotos, die LimeBike-Nutzer am Ende des Verleihvorgangs machen, werden bei LimeBike nur manuell und stichprobenartig kontrolliert, „zum Beispiel die letzten 100.“ ¹)²) Strafen würden einerseits automatisch verhängt, wenn zum Beispiel Scooter unter automatischer Ausbuchung (s.o.) in Sperrzonen abgestellt würden. Bei Beschwerden würde das Abstellfoto durch Lime-Mitarbeiter nachträglich manuell geprüft und ggfs. dann eine Strafe verhängt. Das System erkennt allerdings nicht automatisch, ob der das Fahrzeug quer oder mitten auf dem Gehweg steht, oder die vertragliche Restbreite von zwei Metern eingehalten wird.
Bis Ende Oktober sind lediglich 12-15 Knöllchen aufgelaufen²). Diese Anzahl der verfolgten Ordnungswidrigkeiten spiegeln in keinem Fall das Verhältnis zu den Problemen wider, das die Leihfahrzeuge im öffentlichen Straßenraum verursach(t)en.
E-Scooter könnten eine gute Ergänzung zum „Auto in der Stadt“ oder ÖPNV sein. Straßenverkehrsrechtlich ist Wuppertal allerdings bezüglich E-Scooter „unter ferner liefen“: Die „Fahrradstraße“ Tönniesstraße ist für Scooter gesperrt (Zeichen 250 StVO mit Ausnahme nur für Radfahrer). Die Friedrichstraße in Elberfeld ist ab Neumarkt für Scooter gesperrt (Zeichen 250 StVO mit Ausnahme nur für Radfahrer), von Norden teilen sich Rad- und Scooterfahrer rechtswidrig⁶) drei Meter Fahrbahnbreite mit den entgegenkommenden Bussen. Von Osten ist die Fußgängerzone Kipdorf für Rad- und Scooterfahrer freigegeben (Zeichen 267 StVO mit Ausnahme nur für Radfahrer), von Westen her nicht (Zeichen 242.1 mit Ausnahme nur für Radfahrer).
Helfen kann nur eine konsequente und eindeutige straßenverkehrsrechtliche „Scooterpolitik“ mit einem stationsbasierten System, vergleichbar dem Fahrradverleihsystem VRNnextbike. Sollte sich herausstellen, dass die Verwaltung die Auflagen der Sondernutzungserlaubnis nicht überprüfen will oder kann, muss der Rat der Stadt der Verwaltung die Befugnis zum Abschluss weiterer Verträge mit Verleihern untersagen. Andererseits könnten die Bezirksvertretungen auf die Einhaltung der in den Verträgen und Sondernutzungserlaubnissen genannten Auflagen und Bedingungen klagen.
Quellen:
¹) Sitzung der BV Elberfeld am 25.10.23. Anwesend waren vom Ressort 104 (Straßen und Verkehr) Herr Baumann und Frau Kürten, für LimeBike Frau Reinshagen.
²) Sitzung der BV Cronenberg vom 22.11.23. Anwesend waren Herr Hamborg vom Ressort 300.2 (Klimaschutz) sowie für LimeBike Frau Reinshagen.
³) https://www.kaiserslautern.de/buerger_rathaus_politik/medienportal/pressemitteilungen/071774/index.html.de
⁴) Anlage zu VO/0354/23, auffindbar im Ratsinformationssystem unter ris.wuppertal.de
⁵) Anlage zu VO/1117/23, auffindbar im Ratsinformationssystem unter ris.wuppertal.de
⁶) Lt. VwV-StVO müssen Einbahnstraßen, die in Gegenrichtung für den Radverkehr freigegeben werden, bei Busverkehr eine Fahrbahnbreite von mindestens 3,5 Metern aufweisen. Sinn und Zweck der Freigabe ist vorrangig, die verkehrswidrige Benutzung der Gehwege durch Radfahrer zu verhindern. Aber genau das wird durch die rechtswidrige Freigabe der Friedrichstraße mit 3,0 Meter Fahrbahnbreite konterkarriert: Radfahrer fahren überwiegend auf dem Gehweg – selbst ein Ratsherr.
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Werter Kollege!
Der Rat der Stadt Wuppertal hat den Vertrag nicht „durchgewunken“, sondern in den entsprechenden Ausschüssen diskutiert.
Dazu hat der zuständige Beigeordnete Rede und Antwort gestanden.
Ich kann deshalb Ihre despektierliche Formulierung nicht nachvollziehen.
Guido Mengelberg
Stadtverordneter
Stv. Bezirksbürgermeister in Heckinghausen
Der Rat der Stadt hat eine Aufsichtsfunktion über die Verwaltung gegenüber den Wuppertalern.
Wenn in der Drs. VO/0354/23 (+Anlagen) ein so evidenter Widerspruch wie das Abstellverbot in der Fußgängerzone per Sondernutzungserlaubnis bei gleichzeitiger Ausweisung von Parkflächen in der Fußgängerzone nicht auffallen, dann hat der Rat diese Aufgabe nicht erfüllt. Genau das verstehe ich unter „durchwinken“, weil ein eingehendes Studium der Anlagen den Widerspruch aufgedeckt hätte.